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Flaschenmütter erzählen: „Ich habe es geschafft, nicht zu stillen“

Flaschenmütter erzählen

„Ich habe es geschafft, nicht zu stillen“

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    Meine Große habe ich gestillt. Vor der Geburt dachte ich mir, ich probiere es, wenn es nicht klappt, auch okay. Bei einer Stillgruppe habe ich mich dann informiert, das war ganz, ganz schlimm. Die Vorsitzende war schon grauhaarig und hat ihr Kind im Kindergartenalter noch gestillt. Auf einem Flipchart standen lauter Vorteile des Stillens – was aber passiert, wenn das Stillen nicht funktioniert, davon war nicht die Rede. Diese rosarote Wattewelt, die da präsentiert wird, erhöht doch noch den Druck.

    Ich versuchte es also. Doch im Krankenhaus schon hatten meine Brustwarzen sehr geblutet, weil meine Tochter so zugebissen hatte. Die Schwestern machten mir Vorwürfe, weshalb ich kein Stillhütchen verwendet habe. Als wir dann nach Hause kamen, wog die Hebamme unser Baby nicht, weil das Kind doch satt aussehe und ein dickes Bäuchlein habe. Das war aber ein Hungerbauch. Sie nahm mich nicht ernst, als ich ihr sagte, sie soll meine Tochter wiegen. Als der Kinderarzt mein Kind nach drei Wochen wog, hatte es 300 Gramm zum Geburtsgewicht verloren. Wir waren schockiert. Meine Tochter hatte einfach nicht genug Milch saugen können. Sie war verzweifelt und hungrig.

    Danach wollte meine Tochter die Brust nicht mehr

    Wir haben uns dann in der Apotheke eine Waage gekauft und ich habe in 24 Stunden 13 Mal angelegt. Doch das Kind wurde nicht satt. Also haben wir Milchpulver gekauft. Und siehe da: Das Kind war satt und hat geschlafen. Danach wollte meine Tochter die Brust nicht mehr. Die dreieinhalb Wochen Stilldruck haben mir das ganze Kennenlernen mit meiner Tochter versaut.

    Bei meinem zweiten Kind habe ich dann gleich die Abstilltablette genommen. Es war ein total schönes Kennenlernen. Ich wünschte, ich hätte das beim ersten Kind auch so entschieden. Aber du bist hormonell im Ausnahmezustand und vertraust erfahrenen Leuten, anstatt auf dein Gefühl zu hören. Ich hatte bei der zweiten Geburt auch eine andere Hebamme, die fantastisch war und mich nicht unter Druck setzte.

    Der Satz fiel: "Es ist doch schade, wenn man sein Kind nicht ernähren kann."

    Als ich mich für die Flasche entschieden hatte, musste ich mir nur von anderen anhören: „Wie, du stillst nicht?“ „Hast du es nicht geschafft?“ Ich antwortete dann: „Ich habe es geschafft, nicht zu stillen.“ Oder als der Satz fiel „Es ist doch schade, wenn man sein Kind nicht ernähren kann“, sagte ich, „kann ich doch, ich gehe in den Supermarkt und kaufe die Babymilch selber“. Solche Reaktionen gab es nur von Frauen, von Männern wurde ich gar nicht auf das Nicht-Stillen angesprochen. Mein Mann hat mich bei meiner Entscheidung voll unterstützt.

    Meine zweite Tochter ist genauso wenig krank wie die ältere, sie ist bei den U-Untersuchungen aber weiter als ihre Schwester im selben Alter. Das Mutter-Kind-Verhältnis ist zu beiden Töchtern gleich. Wir haben auch beim Flaschegeben gekuschelt. Mein Mann konnte so auch füttern und eine ganz andere Beziehung zu den Kindern aufbauen.

    Ein älterer Herr sagte, Flaschenkinder hätten ein erhöhtes Risiko, Drogenprobleme zu bekommen

    Nach meiner Erfahrung bei der Stillgruppe und meiner persönlichen Stillgeschichte, habe ich aus Gaudi schon mal gesagt: Ich gründe eine Anti-Stillgruppe, wo Mütter, die nicht stillen können oder wollen, sich austauschen können und sich verstanden fühlen. Später am Kinderspielplatz ist es völlig egal, ob gestillt wurde oder nicht. Aber zur Geburt wird ein Hype draus gemacht. Beim Vortrag der anfangs erwähnten Stillgruppe sprach ein älterer Herr sogar davon, dass Flaschenkinder ein größeres Risiko haben, Drogenprobleme zu bekommen. So ein Schwachsinn. Die hatten keinerlei Beweise für diese These. Da ist mir dann die Hutschnur gerissen. Der Mann bekam wegen meiner Widerworte Schnappatmung. (lea)

    Dieser Text ist ein Teil unseres Wochenend-Journal-Schwerpunktes "Kampfzone Mutterbrust" zum Thema Nicht-Stillen. Mehr als 50 Frauen aus der Region haben sich daran beteiligt und ihre Geschichten erzählt. Die weiteren Gesprächsprotokolle finden Sie unter

    Kampfzone Mutterbrust: Harter Streit um die Milch fürs Baby 

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