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Ausstellung: Ausstellung im Glaspalast: Stehende Punkte, stürzende Wasser

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Ausstellung im Glaspalast: Stehende Punkte, stürzende Wasser

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    Die Werke von Bernd Zimmer (von links) und Jerry Zeniuk sind in einer großen Ausstellung im Glaspalast zu sehen.
    Die Werke von Bernd Zimmer (von links) und Jerry Zeniuk sind in einer großen Ausstellung im Glaspalast zu sehen. Foto: Ulrich Wagner

    An einem Tag eröffneten im Augsburger Glaspalast drei Ausstellungen: Jerry Zeniuk in der Staatsgalerie Moderne Kunst, Bernd Zimmer im H2, schließlich Rosa Loy (die Frau von Neo Rauch) in der Galerie Noah.

    Betrachten wir Zeniuk und Zimmer. Ersterer 1945 nahe Lüneburg als Sohn ukrainischer Flüchtlinge geboren, 1950 in die USA emigriert, in München und New York lebend; Letzterer 1948 nahe München geboren, im oberbayerischen Polling zu Hause, unweit davon in Oberhausen arbeitend – zwei Bayern, wenn man so will (Zeniuk war bis 2011 Akademieprofessor in München), überdies zwei vorzügliche Vertreter der Malerei, vorgestellt von Corinna Thierolf (Pinakothek der Moderne, München) und von Thomas Elsen (Kunstsammlungen Augsburg).

    Bisher größte Zeniuk-Ausstellung

    Jerry Zeniuk, 1999 zu Gast im Münchner Lenbachhaus, steht in der Tradition einer Malerei, die sich auf ihre eigenen Mittel besinnt, diese im Ineinander von signalhaftem Farbreiz und gedanklicher Anordnung durchdringt. Die Frage ist: Wenn das Bild kein Abbild mehr ist, was ist dann sein Gegenstand?

    Die Augsburger Retrospektive (fast 50 Ölbilder und Aquarelle der Jahre 1973 bis 2011) übertrifft in der Bandbreite bisherige Zeniuk-Ausstellungen. Sie ist bestückt mit Leihgaben aus Privatbesitz und Galerien. Die Pinakothek hat bis heute keinen einzigen Zeniuk im Fundus.

    Die Schau setzt ein mit nahezu monochromen Tafeln (mit zweien war Zeniuk 1977 auf der Documenta 6). Dahinter verbergen sich in Wirklichkeit bis zu 40 lasierend aufgebrachte Malschichten. Die Farbe ist gewissermaßen in den Untergrund gegangen. Das oben liegende Grau-Grün-Beige mutet undurchdringlich an und suggeriert doch Tiefe. Verquickt sind Wahrnehmung mit Reflexion: Was sehen wir? Was sehen wir nicht?

    Das Bild bekennt sich zu seinen Farbtönen

    Wunderbar, wie in dieser Folge (Nr. 1 bis 8) die Farben nach und nach auftauchen, wie das Bild den Vorhang beiseiteschiebt und sich auftut, die Einzeltöne hervorholt und zugleich in den Farbklang einbindet. Im Weiteren werden die Farbblöcke geschichtet und gefügt, sodass in den auf- und absteigenden Passagen sogar Landschaftliches anklingt. Andere Werke lassen an Kenneth Noland und Sam Francis denken. Zeniuk arbeitet immer auch in Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte, speziell der amerikanischen Farbfeldmalerei.

    Um 2000 kommt der Künstler auf den Punkt – mal groß, mal klein, mal in Vielzahl, mal allein. Die oft ungrundierte, farbpunktierte Leinwand treibt das Sehen um. Die einzelnen, nie präzis gerundeten Kreise (in Rot, Blau, Gelb) behaupten ihre Freiheit in dieser strahlenden Polyfonie. Sie leuchten oder sind matt, treten vor oder sinken in den Grund, imaginieren eine Balance, die nicht frei von Spannungen ist. Von dieser fragenden, durchaus fragilen Art der Malerei lassen wir uns gerne gefangen nehmen.

    Zimmer's Bilder ziehen den Betrachter in ein märchenhaft verzaubertes Naturreich hinein

    Jerry Zeniuk hofft, dass seine Arbeit „nicht erklärt werden kann“. Bernd Zimmer hingegen, der einst den Berliner „heftigen Malern“ zugehörte, erklärt seine Bilder mit einer Ausführlichkeit, dass man um ihr Geheimnis fürchtet. Doch am Ende behauptet sich diese weithin überzeugende, ja mitreißende Malerei auch gegen ihren Schöpfer.

    Zimmer, zuletzt mit sehr reduzierten, leuchtend-hellen, Wüste und Himmel aufrufenden Farbbahnen hervorgetreten, hat sich ins Dickicht geschlagen. Seine Hauptfarbe ist Grün. Oft fließen dem Beschauer Bäche entgegen. Sie ziehen ihn ins magisch-märchenhafte, kristallin verzauberte Naturreich. Dessen Zentren und Durchblicke lenken den Blick und arbeiten zugleich dem All-over entgegen. Am längsten verweilt man vor jenen Malereien, die gleichsam die ganze Grün-Palette ausschöpfen und die ihr souveränes Eigenleben gegen das Naturvorbild (Baumstämme!) ausspielen.

    Spiegelungen und kosmische Turbulenzen

    Zu dieser Absetzbewegung tragen nicht zuletzt die Spiegelungen bei. Zimmers Bilder haben unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten. Die dem Wasser eigenen Reflexe, die den Künstler zu verblüffenden Abstrahierungen führen („Blühender Teich“, „Spiegelwasser“), holen den Himmel ins Bild. Zimmer denkt kosmisch. Er denkt an Anfang (bestechend sein „Unendlicher Beginn“ in Acryl, Öl, Pastell) und Unendlichkeit, schließt seine Genesis-Folge mit einem Gelbblitz ab, „der den Menschen schafft“, wie er erläutert. Er begibt sich hinein in die stellaren, mit farbiger Wucht vergegenwärtigten Turbulenzen und Explosionen, die noch in den Hellzonen seiner Waldstücke nachzittern.

    Der Farbfluss (siehe Begleitfilm), die Dynamik und herabstürzende Lebendigkeit (Weißgischt der Wasserfälle!) laufen auf Geburtsprozesse hinaus. Bernd Zimmer ist ein Maler der Elemente. Jerry Zeniuk ist ein Vertreter elementarer Malerei. AZ

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