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Pop-Musik: Der junge Prince: Eine zauberhafte Begegnung

Pop-Musik

Der junge Prince: Eine zauberhafte Begegnung

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    Prince, Mitte der 80er.
    Prince, Mitte der 80er. Foto: Pascal George, afp

    „Ist das mein Echo?“, fragt er testend ins Mikro und fordert vom Techniker klaren, direkten, unverschnörkelten Ton: „Straight“. Dann geht es los. Prince greift in die Tasten, bittet nur noch: „Kannst du das Licht etwas abdunkeln?“ Und sein Klavierspiel wächst sich aus, seine Stimme groovt sich ein zu einer frei interpretierten Form des Songs „17 Days“, der erst im Jahr danach auf Platte erscheinen wird, auf „Purple Rain“, das ihn samt dazugehörigem Film und reichlich Pomp endgültig zum Weltstar macht. Jetzt aber, hier in seinem Heimatstudio am Kiowa Trail in Minnesota, ist es einfach nur dieser kleine Mann, 25 Jahre alt, das Klavier und seine Stimme – eine hinreißende Momentaufnahme.

    „Piano & A Microphone 1983“, neun Songs, 35 Minuten: Jetzt, 35 Jahre später, ist dieses Zeugnis eines Pop-Genies in Rohfassung, das bislang nur als sehr seltene Raubkopie kursierte, erstmals als offizielles Album erhältlich. Es sind die ersten bislang unveröffentlichten Aufnahmen überhaupt, die nun, zweieinhalb Jahre nach seinem Tod, von Prince erscheinen. Und sie stammen damit eben nicht aus dem legendären Musiktresor mit nach seinen Aussagen fertigem Material für mindestens so viele Studioalben, wie der Musiker zu Lebzeiten bereits veröffentlicht hat, nämlich ganze 39. Jene vermeintlich mögliche posthume Flut jedenfalls hat noch nicht begonnen. Dafür „Purple Rain“ als soulige, reine Piano-Ballade ganz ohne Schmalz, nach eineinhalb Minuten bereits übergehend in „A Case Of You“, das dann frei fließend – ein echter Höhepunkt – zu „Mary Don’t You Weep“ wird. Dieses christliche Spiritual, von Prince nie auf Platte aufgenommen, ist eine Hoffnungshymne der schwarzen Sklaven aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs, die kürzlich auch Spike Lee für den Abspann seines prämierten Kinofilms „BlacKkKlansman“ verwendet hat.

    Aufgenommen mit einem einfachen Kassettenrekorder 

    Es ist das fünfminütige Herz dieser Session. Und spätestens ab da legt Prince den Grund jener Musik frei, die in den fertigen Song-Versionen dann zu peitschendem Funk oder mächtigem Pop-Glitter angewachsen ist. Hier herrscht noch die unmittelbare Freiheit des Komponisten, die Offenheit des Jazz, gipfelnd auch in der abschließend sanft ausufernden Improvisation „Why The Butterflies“. Näher ist man diesem seltsamen Genie vielleicht nie gekommen, diesem Außerirdischen, der den allzu irdischen Thron des Popkönigs nie wollte, zwischenzeitlich seinen Namen ablegte, nur noch als Symbol und auf eigenen Kanälen veröffentlichte; diesem Rastlosen, der kürzlich 60 geworden wäre und der zuletzt dann doch noch mit der Welt und seinem Namen ausgesöhnt erschien, als er plötzlich auf dem Rückflug von einem Konzert durch eine Überdosis Schmerzmittel aus dem Leben gerissen wurde. „Piano & A Microphone 1983“ – hier ist er eben noch vor Antritt dieses Kometendaseins zu erleben, dessen Licht die größten Stadien dieser Welt erhellte.

    „Kannst du das Licht etwas abdunkeln?“ Da saß Prince also, zum Mitschnitt lief nur ein handelsüblicher Kassettenrekorder, die einzige Unterbrechung der Aufnahme ist dem Umdrehen der Seite geschuldet. Und das drei Jahre später als mächtig stampfende Funk-Pop-Produktion veröffentlichte „Strange Relationship“ ist noch eine berührende Jazz-Ballade. Kein Wunder, dass Prince solche Momente später immer wieder in seine sonst groß inszenierten Live-Konzerte integriert hat, Momente, in denen er mit seinen großen Fähigkeiten in kleinster Ausstattung auf die Basis seines globalen Erfolges verwiesen hat. Auch heutige Popstars wie Lady Gaga oder Justin Bieber bauen solche Elemente in ihre Shows ein – und allzu oft stellt sich der Eindruck ein, auch hier nur einer Pose beizuwohnen. Aber nichts könnte jene Session im Jahr 1983 weniger sein als das.

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