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Kino: Der lustige Hitler?

Kino

Der lustige Hitler?

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    Er ist wieder da: „Der Führer“ (Oliver Masucci) taucht vor einem Kiosk (Kioskbesitzer: Lars Rudolph) im heutigen Berlin wieder auf.
    Er ist wieder da: „Der Führer“ (Oliver Masucci) taucht vor einem Kiosk (Kioskbesitzer: Lars Rudolph) im heutigen Berlin wieder auf. Foto: Constantin Film

    Was wäre, wenn … Adolf Hitler im heutigen Berlin wieder auftauchen würde? Um dieses Gedankenexperiment baute Timur Vermes seinen Debütroman „Er ist wieder da“ und brachte es mit über zwei Millionen verkauften Exemplaren zu Bestseller-Ruhm. Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten im modernen Multikulti-Berlin avanciert der Führer hier zum TV-Comedy-Star und sucht über diesen medialen Quereinstieg wieder den Weg in die Politik. Eine klassische Zeitreisegeschichte, die ihr Sujet gründlich ausreizt, aber auch eine Satire, der jedoch letztendlich im salbadernden Hitler-Ich-Erzählermodus der richtige Biss fehlte.

    Nun hat David Wnendt den Roman für das Kino adaptiert. Er ist aus zweierlei Gründen für diese Aufgabe prädestiniert: Zum einen hat er sich in seinem Kinodebüt „Die Kriegerin“ auf profunde Weise mit dem Thema Rechtsradikalismus beschäftigt. Zum anderen hat er in seinem zweiten Film „Feuchtgebiete“ bewiesen, dass man auch aus mittelmäßigen, provokanten Bestsellern hochinteressantes Kino machen kann, wenn man nur selbstbewusst mit der Vorlage umgeht.

    Hitler-Ich-Erzählmodus fehlt der richtige Biss

    Das Gleiche ist ihm nun auch mit „Er ist wieder da“ gelungen. Es war klar, dass sich der 400 Seiten starke Führermonolog, nicht linear in ein Drehbuch übertragen ließ. Aber die Idee, mit der Wnendt sich den Stoff aneignet, ist auf einfache Weise genial. Er nimmt die Prämisse des Buches, dass ein wiederauferstandener Adolf Hitler durch das Gegenwartsdeutschland stolziert, ernst und lässt seinen Hauptdarsteller Oliver Masucci in vollem Führer-Outfit kreuz und quer durch die Republik reisen. Als verständnisvoller Zuhörer sitzt Hitler an den Stammtischen auf Sylt und in Brandenburg, präsentiert sich in der Bayreuther Fußgängerzone als Porträtmaler und besucht sogar rechte Parteifunktionäre. Alles bei laufender, keineswegs versteckter Kamera. Ein Borat im Hitler-Kostüm, der seine angenommene Identität als Führer nie aufgibt.

    Und wie reagieren die Menschen in unserem Lande? Manche finden es einfach nur lustig und machen erst einmal ein Selfie mit dem Führer. Nur wenige empören sich und die meisten nehmen die Kunstfigur auf geradezu gespenstische Weise als Menschen ernst. Sie schütten Hitler ihr Herz aus, ziehen über „die Ausländer“ her, schimpfen auf die Demokratie und die Medien, von denen sie sich nicht vertreten fühlen, und schließen sich den kaum abgewandelten Parolen des Führers erschreckend vorbehaltlos an. Und auch der deutsche Gruß ist landauf, landab immer wieder zu sehen.

    Mitten hinein ins Pegida-Land implantiert Wnendt die Geschichte, obwohl die Dreharbeiten noch vor den ersten Montagsdemonstrationen in Dresden stattgefunden haben. Die durchaus gruselig anmutenden Dokumentaraufnahmen verwebt der Film mit den Grundzügen des Romans. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen seiner Deutschlandtournee beschließt Hitler sein Comeback in der Mediengesellschaft und wird in einer Comedy-Show zum gefeierten Skurrilum. Wenn er in seinem ersten Auftritt über die Verblödung des deutschen Fernsehens wettert, halten die Redakteure die Luft an. Aber das Publikum ist begeistert. Hitler wird sogar zum gefeierten Youtube-Star.

    "Er ist wieder da" gewagte Mischung zwischen Satire und Dokumentarfilm

    Aber nicht nur weil seine Auftritte die Provokationsschraube um einige Umdrehungen weiterdrehen, sondern auch weil die Zuschauer im Gesagten ein Körnchen Wahrheit für sich entdecken. „Damit kann ich arbeiten“ stellt Hitler am Schluss des Filmes befriedigt fest, während er im offenen Wagen die Straße hinunterfährt, die Menschen ihm zuwinken und den rechten Arm zum Gruß erheben. Auch diese Aufnahmen sind nicht gestellt, genauso wenig wie die folgenden, aktuellen Nachrichtenbilder von Pegida-Demonstrationen und rechter Randale vor Asylbewerberheimen.

    Wnendt rührt eine gewagte Mischung zwischen Satire und Dokumentarfilm an. Aber die Montagen zwischen Realität und Fiktion führt er mit Bedacht und nie des spekulativen Effekts wegen aus. Er spitzt die skurrilen Ideen des Romans zu einer pointierten Gesellschaftssatire zu, bei der einem immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Wnendts „Er ist wieder da“ hält den Deutschen den Spiegel vor und zeigt, dass sich dieses Land auch nach siebzig Jahren noch nicht von dem Gespenst seiner nationalsozialistischen Vergangenheit befreien hat. Weltpremiere von "Er ist wieder da"

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