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Ausstellung: Goldener Boden für die Schwarze Kunst

Ausstellung

Goldener Boden für die Schwarze Kunst

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    Mit Holzschnitten, teils handkoloriert, hübschten Augsburger Drucker ihre Bücher auf, so Anton Sorgs Ausgabe von Boccaccios „Decamerone“ (li.), Günter Zainers „Der Heiligen Leben“ (re. oben), Erhard Ratdolts „Flores Astrologiae“ (re. unten).
    Mit Holzschnitten, teils handkoloriert, hübschten Augsburger Drucker ihre Bücher auf, so Anton Sorgs Ausgabe von Boccaccios „Decamerone“ (li.), Günter Zainers „Der Heiligen Leben“ (re. oben), Erhard Ratdolts „Flores Astrologiae“ (re. unten).

    Der päpstliche Legat Enea Silvio de Piccolomini war bass erstaunt: Ein Schriftstück von solch unglaublicher Schönheit und Ebenmaß hatte er bis dahin noch nie in der Hand gehabt. Es war ein Druckbogen der Bibel von Johannes Gutenberg, den der Mainzer auf dem Reichstag von 1454 zu Frankfurt am Main feilbot. Die Faszination für den neuartigen Buchdruck breitete sich rasant aus. Noch in Gutenbergs Todesjahr 1468 wurde auch in Augsburg das erste Buch gedruckt – noch vor Nürnberg, Paris, Venedig und Rom. Dieser Frühzeit vor 550 Jahren ist nun im Diözesanmuseum St. Afra eine Ausstellung gewidmet. Museumsleiterin Melanie Thierbach hat dafür einen triftigen Grund: Augsburg war nicht nur als Druckerstadt führend mit religiöser Erbauungsliteratur; hier förderten auch Bischöfe die Schwarze Kunst. „Das zeigt, wie sich die Kirche sehr früh den modernen Medien öffnete“, sagt Thierbach.

    „Inkunabeln“ nennt man diese Bücher, denn sie stehen an der Wiege (latein. incunabulum) der Schwarzen Kunst. Augsburg schöpft hier aus dem Vollem: Die Staats- und Stadtbibliothek allein verfügt mit 2797 Inkunabeln über einen der größten Bestände in Deutschland. Dazu kommen Stücke der Universitätsbibliothek und des Diözesanmuseums. Das aufstrebende Augsburg bot beste Voraussetzungen, die der Entfaltung des Buchdrucks förderlich waren: (Kloster-)Bibliotheken mit reicher Textüberlieferung, Gebildete, die als Setzer und Korrektoren arbeiten konnten, Kapitalgeber für die nötigen Investitionen und nicht zuletzt ein Handelsnetz für den Absatz der Bücher. Denn die neue Technik ermöglichte ja die massenhafte Vervielfältigung von Texten, die obendrein eine optimale Originaltreue gewährleisteten.

    Reformeifrigen Bischöfen war das für liturgische Bücher wichtig, weshalb Kardinal Peter von Schaumberg 1468 den Gutenberg-Schüler Günther Zainer aus Straßburg mit Steuerfreiheit nach Augsburg lockte. Unter seinen ersten Drucken befand sich ein Handbuch für Priester, das die Diözesansynode 1452 allen Klerikern vorgeschrieben hatte. Auch andere offizielle Textausgaben liefen über Zainers Presse, und dies in einer blitzsauberen Type und einem abgezirkelten Druckspiegel.

    Direkt von den handschriftlichen Kodices der Klosterschreibstuben hatten Gutenbergs Jünger die Standards für das neue Verfahren übernommen. „Man druckte die Seite in ein oder zwei Spalten. Es gab kein Titelblatt und kein Impressum“, erklärt Ausstellungsmacher Günter Hägele, Spezialist für Alte Drucke an der Augsburger Universitätsbibliothek. Wie sehr sich Druck und Handschrift glichen, zeigt die Gegenüberstellung des „Speculum historiale“, einer beliebten mittelalterlichen Weltgeschichte, als Füssener Handschrift von 1469 und in der Ausgabe der Klosterdruckerei St. Ulrich und Afra von 1474.

    Wer herauskriegen will, aus welcher Offizin eine Inkunabel stammt, muss die Drucktype und andere Eigenarten vergleichen. Immerhin erforderte die Schwarze Kunst technologisches Wissen. Es galt, die Metalle Blei, Zinn und Antimon ins rechte Verhältnis zu mischen, damit der Guss der Buchstaben immer gleichmäßig gelingt und sie nicht durch Schrumpfung beim Abkühlen beeinträchtigt werden. Die Schreiner mussten Spindelpressen bauen, die sehr hohen Druck erzeugten.

    Davon sollte man auch erzählen, wenn man Inkunabeln ausstellt. In Augsburg hat man leider den museumsdidaktischen Teil vergessen, der vor allem Kinder hineinziehen würde. Allenfalls der ausführliche Katalog klärt über die Technik des Druckens auf. Aber anschauen und in die Hand nehmen kann der Besucher im Diözesanmuseum nicht einmal eine Bleizeile, geschweige denn den Druckstock eines Holzschnitts und eine Spindelpresse.

    Dabei wurden in Augsburg schon in den Kinderjahren des Druckwesens außerordentlich viele illustrierte Bücher produziert. Etliche Drucker wie Johann Schüßler, Anton Sorg und Johann Bämler waren ursprünglich als Buchmaler und Rubrikatoren tätig. Ein Buch mit Bildern verkaufte sich besser. Und bei Sachbüchern wie Johann Schönspergers „Gart der Gesundheit“ von 1486, Erhard Ratdolts „Flores Astrologiae“ von 1488 oder Anton Sorgs Ausgabe des Reisetagebuchs von Hans Schiltberger, eines Abenteurers, der jahrzehntelang in türkische Sklaverei geriet, erklärte sich über Bilder ihr Inhalt leichter. „Buchillustrationen aus Augsburg sind sehr qualitätvolle Arbeiten“, urteilt Karl-Georg Pfändtner, der Direktor der Staats- und Stadtbibliothek.

    Nürnberger Drucke hielten da nicht mit. Und wo sie, wie in der Schedelschen Weltchronik, grandios illustrierten, war die Augsburger Konkurrenz findiger: Schönsperger ließ ihre Bilder im verkleinerten Format nachschneiden – und machte ein Riesengeschäft mit dem Nachdruck. Noch heute ist es eine Lust, die detaillierten Miniaturen zu betrachten. Zumal sich wohlhabendere Käufer zusätzlich eine Kolorierung von Hand leisteten. Dies macht fast jede Inkunabel zu einem Original. „Augsburger Drucke erzielen im Antiquariatshandel hohe Preise“, weiß Hägele. Umso erstaunlicher sei es, dass die Stadt dieses wichtige Kapitel ihrer Geschichte bislang vernachlässigt hat.

    Zainers erster Druck waren Betrachtungen über das Leben Christi, diese noch auf Latein. Im Zeitalter einer individuelleren Frömmigkeit gab es Bedarf für erbauliche Literatur. Augsburger Drucker befriedigten ihn besonders gut, denn sie spezialisierten sich auf volkssprachliche Texte; nirgends erschienen mehr deutsche Bücher. Von den 14 oberdeutschen Bibeln vor Luther kamen neun von Augsburger Pressen.

    Diözesanmuseum St. Afra, Kornhausgasse 3-5. Bis 18. Juni; geöffnet Di. bis Sa. 10-17 Uhr, So. 12-18 Uhr. Der Katalog mit 232 Seiten und zahlreichen Abbildungen kostet 29,80 Euro.

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