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Münchner Serien: Grünwald ist out: Produktionsfirma Bavaria in der Krise

Münchner Serien

Grünwald ist out: Produktionsfirma Bavaria in der Krise

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    Typische Wirtshaus-Szene in „Monaco 110“: Gianna (Isabel Scholz, links), Conny (Alina Sokar) und Gerd (Bernhard Conrad) sind sich einig: Das Verhalten von Marcus ist nicht hinnehmbar.
    Typische Wirtshaus-Szene in „Monaco 110“: Gianna (Isabel Scholz, links), Conny (Alina Sokar) und Gerd (Bernhard Conrad) sind sich einig: Das Verhalten von Marcus ist nicht hinnehmbar. Foto: Jacqueline Krause-Burberg, Ard

    München ist angesagt. Das wollen zwei Fernsehserien klarmachen: In der Reihe „Heiter bis tödlich“ schickt die ARD am Mittwoch mit „Monaco 110“ (18.50 Uhr) nach „München 7“ und „Hubert und Staller“ die dritte Vorabendserie an den Start, die auf die Reize Bayerns setzt.

    Und am Samstag lässt das ZDF auch keinen Zweifel daran, wo es seinen nächsten Hauptabendkrimi verortet: „München Mord“ zeigt ein Ermittler-Dreigestirn beim Lösen ungeklärter Fälle in der bayerischen Landeshauptstadt, die ja auch ZDF-Serien wie „Der Alte“ und „Soko 5113“ als Kulisse dient.

    Weitet man die Ermittlungszone ein paar Kilometer aus, dann finden sich mit dem Ex-„Tatort“-Kommissar Michael Fitz als „Hattinger – ein Chiemseekrimi“, den Rosenheim- und Garmisch-Cops bis hin zu der in Augsburg spielenden „Familiendetektivin“ eine ganze Reihe kriminalistischer Umtriebe in weißblauem Gewand.

    Tu felix Bavaria… Du glückliches Bayern musst dir keine Sorgen machen bei so vielen Ermittlern. Doch schon das Beispiel der Familiendetektivin zeigt das Gegenteil. Die samstägliche Vorabendserie mit Elena Uhlig schwächelt und soll nicht fortgesetzt werden. Ein harter Schlag für die kriselnde Bavaria, in der zu großen Teilen die ZDF-Serie entsteht. Wieder eine Produktion, die dem einstigen deutschen Hollywood nach dem „Marienhof“-Aus wegbricht. Anfang des Jahres wurde schon der eher glücklose Bavaria-Geschäftsführer Matthias Esche entlassen.

    Im Herbst macht die Bavaria Unterföhring dicht

    Einen Monat vor der Entlassung hatte Bavaria-Studios-Geschäftsführer Martin Moll angekündigt, „dass die geringe Produktionsaktivität der ersten Jahreshälfte 2013 in der zweiten nicht vollständig aufzuholen sein wird“. Das betreffe „insbesondere unsere Studios, unsere Rental-Filmtechnik und unsere Postproduktion“. Kurz und auf Deutsch: alles.

    Als Konsequenz kündigte Moll Ende Januar 2014 an, die Bavaria Studios in Unterföhring bis Herbst dieses Jahres zu schließen.

    Seine Begründung: „Mit dem Umzug in die Bavaria-Filmstadt haben wir für alle Projekte eine wegweisende und zukunftsträchtige Lösung gefunden, die zum einen den Standort in Geiselgasteig stärkt und darüber hinaus den konsolidierten Marktbedingungen entspricht.“ Rückzugsgefechte nennt sich das, und hinter vorgehaltener Hand bringt man bei der Bavaria den eigenen Niedergang mit dem Fall der Mauer und dem Aufstieg der Studios in Babelsberg in Zusammenhang. So wie die Bavaria nach dem Krieg vom Wegfall der Berliner Konkurrenten durch den Mauerbau profitierte.

    Dem noch zu findenden neuen Geschäftsführer muss dann mehr einfallen, als damit zu werben, die Bavaria-Filmstadt habe 2013 „als erstes Studio weltweit klimaneutrale Bedingungen für die Film- und Fernsehproduktion“ geschaffen. Spötter würden sagen: Wo nichts gedreht wird, kann man auch nicht die Umwelt schädigen.

    Dabei ist die Bavaria einer der geschichtsträchtigsten Filmstandorte. Seit der Gründung 1919 drehten hier Max Ophüls seine „Lola Montez“, Helmut Käutner seinen „Ludwig II.“, Billy Wilder „Eins, zwei, drei“, Fassbinder „Berlin Alexanderplatz“ und natürlich Wolfgang Petersen den Welterfolg „Das Boot“.

    Die Zeiten des Feierns sind vorbei

    Heinz Rühmann, der lange auf dem Bavariagelände wohnte, begründete hier Lalelu singend seine Nachkriegskarriere. Doch die Zeiten, als sich die Bavaria noch feiern lassen konnte, sind vorbei. „Als Film und Fernsehstadt rangiert die bayerische Landeshauptstadt an erster Stelle. Über die Hälfte aller Film- und Fernsehproduktionen entstehen in der Bavaria in Geiselgasteig“, schrieb 1974 eine Münchner Zeitung und berichtete von hundert Bavaria-Filmen im Jahr. Fritz Wepper, der hier 1972 mit Liza Minnelli „Cabaret“ drehte, hat Aufstieg und Fall der Bavaria über die Jahre verfolgen können.

    Der 72-Jährige steht gerade für ein „Um Himmels Willen“-Special in Portugal vor der Kamera. „Ich habe 1953 „Sauerbruch“ in Studio 3 der Bavaria gedreht. „Damals war die Kantine noch in Baracken untergebracht“, erinnert sich der Fritz, der später jahrelang die Studios 6/7 als seine zweite Heimat betrachten durfte, die „sich außer Modernisierungen nicht verändert haben. Die Wege sind gleich geblieben.“ Hier ging er ein und aus als Harry Klein, „Derricks“ rechte Hand.

    Die ZDF-Krimiserie sei ja eine der ersten gewesen, die das Studio verlassen habe und auch außen drehte, erinnert sich Wepper, hält aber die kollektive Meinung, dass „Derrick“ ja ausschließlich in Grünwald ermittelt habe, für unfair. „Klar, war es leichter, in den Villen zu drehen, weil sie gleich ums Eck lagen. Aber wir haben viel häufiger in einfachen Straßen gedreht.“ Dort waren die Anwohner nicht gut auf die Leute vom Fernsehen zu sprechen, „weil es sie nervte, wenn wir ganze Straßenzüge für Schminkwagen und Schauspielertrailer absperrten. Aber wir haben uns immer gut benommen.“

    Das reicht heute schon lange nicht mehr. Monika Baumgartner erinnert sich noch an den Augenblick, als sie morgens vor Drehbeginn der „Monaco 110“-Dreharbeiten im Münchner Osten sieben Autos abschleppen lassen mussten, „weil die Besitzer die tagelang vorher aufgestellten Halteverbostschilder einfach ignoriert hatten“. Ihre Kollegin Alina Sokar musste sich gefallen lassen, dass sie von Passanten in ihrer Polizeiuniform mutwillig geschubst wurde.

    Den authentischen Blick gibt es doch noch

    Dabei setzt gerade „Monaco 110“ konsequent auf einen authentischen Blick von unten auf die sonst so glänzende Isarmetropole. Gedreht wurden die Innenaufnahmen in der ehemaligen Bahnkantine am Münchner Ostbahnhof, draußen sollten es noch nicht gentrifizierte Viertel wie das Westend sein. Um die Bavaria machte die Berliner Produktionsfirma aber einen großen Bogen.

    Grünwald ist in jeder Hinsicht out: Selbst Schauspieler und Spieler des FC Bayern München wollen nicht mehr vor den Toren der Stadt wohnen. Die Kulisse der Polizeiwache, in der „München Mord“ gedreht wurde, stand in der Leopoldstraße und wurde inzwischen abgerissen. Die in Niederbayern aufgewachsene „München Mord“-Ermittlerin Bernadette Heerwagen glaubt, den Grund für den nicht enden wollenden Boom an Bayernkrimis im Fernsehen zu kennen: „München und Bayern ist ein optisch traumhafter Ort mit eigenem Humor und eigenen Geschichten – und die Bayernhasser freuen sich ganz einfach, wenn hier etwas Schlimmes passiert.“

    Miroslav Nemec, der als dienstältester „Tatort“-Kommissar Batic derzeit wieder einen neuen BR-Fall verhandelt, hat den schonungslosesten Blick auf das Drehbusiness in München. „Eigentlich ist hier verbrannte Erde. Viele attraktive Locations wollen kein Filmteam mehr hereinlassen. Nur für uns vom ,Tatort‘ machen sie noch eine Ausnahme.

    Da wird auch schon mal die Leopoldstraße gesperrt, denn so ein ,Tatort‘ hat ja auch einen ungeheuren Werbeeffekt – und auf den will man dann doch nicht verzichten.“ Am genauesten formuliert es Fritz Wepper: „München hat sich seit meinen Anfängen sehr positiv entwickelt und kann sich heute mehr als sehen lassen. Eine wunderschöne Stadt. Sie hat nur durch das Aufkommen der Studios in Babelsberg, aber auch in Köln und Hamburg an Bedeutung verloren.“ So etwas nennt man dann wohl das bayerische Dilemma.

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