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Jelinek über Trump: „Ich kaufe die Wahrheit – oder lease sie“

Jelinek über Trump

„Ich kaufe die Wahrheit – oder lease sie“

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    Ein Mann der Macht, der alles, was ihm im Weg steht, zerbricht und am Widerstand seiner Gegner wächst. Ein twitternder Blinder, der alles zu wissen glaubt und die Stimmen der Massen stiehlt, weil er keine eigene hat. Eine Showfigur, die ihr wahres Gesicht nie zeigt. Ein nach Geld und Macht gierender Herrscher, der sich im vergoldeten Aufzug direkt in den Himmel katapultiert. Was Elfriede Jelinek von Trump hält, ist gleich zu Beginn ihres neuen Stücks „Am Königsweg“ klar. Darin hat sie eine blinde, an die Muppet-Figur Miss Piggy erinnernde Seherin (Schauspielerin Masha Dakic in der Maske von Elfriede Jelinek) zum Leben erweckt, um die Ein- und Ausfälle des US-Präsidenten zu deuten.

    Schon in der 16-seitigen, stark gekürzten Fassung, die in englischer Übersetzung am Segal Theatre in New York vorgestellt wurde, prallen zwei Welten aufeinander. Hier Jelinek, Literaturnobelpreisträgerin und eine der wichtigsten weiblichen Intellektuellen der Gegenwart. Dort Trump, mächtigster Mann der Welt an der Spitze einer Supermacht. Hier die Autorin, die öffentliche Auftritte hasst und aus ihrem unscheinbaren Haus im Wiener Stadtteil Hütteldorf aus wirkt. Dort der frühere Baulöwe und Reality-TV-Star, der Aufmerksamkeit trinkt wie ein Lebenselixier und zwischen Penthouse, Golfklub und der Präsidentensuite pendelt.

    „Schwergewichts-Champions in ihren jeweiligen Feldern“ sagt Frank Hentschker, Direktor am Segal Theatre. Statt die Uraufführung des kompletten Stücks im Deutschen Schauspielhaus von Hamburg in Oktober abzuwarten, hat Jelinek ihren provokanten Kommentar Trump vor die Haustüre geliefert – vom Segal bis zu seinem Wolkenkratzer an der Fifth Avenue sind es nur wenige Minuten zu Fuß.

    Beziehungsvoll hat sie dabei Motive vom Häuserbauen und Schuldenmachen in viele Passagen des Stücks verwoben. „Das Leben ist unerklärlich“, sinniert die Erzählerin. „Sie haben gewählt und wissen nicht, wen sie gewählt haben, obwohl sie selbst gewählt haben.“ Nun ist er da, die im Wahlkampf verlachte Zukunft ist zur Gegenwart gewachsen. Klima, Steuern, Syrien, die Mauer an der Grenze zu Mexiko – Jelinek greift Trumps politische Schlagworte wörtlich, aber doch mit Leichtigkeit auf.

    Der neue Präsident verbiegt die Realität so schnell, wie er einen Tweet absetzt: „Sobald ich wieder liquide bin, kaufe ich die Wahrheit oder lease sie – was immer der bessere Deal ist.“

    Dem Volk indessen bleibt nach diesem Stück kaum mehr, als die Herrschaft des Königs ergeben auszusitzen. (dpa)

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