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Summer of Love: Liebe, Frieden, Harmonie: Was bleibt vom Sommer 1967?

Summer of Love

Liebe, Frieden, Harmonie: Was bleibt vom Sommer 1967?

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    "Blumenkinder" im "Flower-Power-Feeling" auf einer Musik-Veranstaltung im September 1967 in San Francisco im US-Bundesstaat Kalifornien USA.
    "Blumenkinder" im "Flower-Power-Feeling" auf einer Musik-Veranstaltung im September 1967 in San Francisco im US-Bundesstaat Kalifornien USA. Foto: UPI/dpa

    Vorab eine erschütternde Nachricht für Oldies-Fans: Das geschönte „San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair“) spiegelt den „Summer Of Love“ von 1967 genauso fatal wie heute das Computer-Gedudel auf einer Kaufhaustoilette eine Art elektronischer Musik, die bei Kraftwerk-Fans für Brechreiz sorgen müsste. In Kalifornien klang es anders: schräg, verrückt, sexy.

    Trotzdem: Scott McKenzies weltweit erfolgreichen, geschmäcklerischen „San Francisco“-Hit hätte keine Tourismus-Agentur sich besser ausdenken können. Der Filmregisseur Wim Wenders erinnert sich in einem selbstverfassten Zeitungsartikel daran, dass man im Münchner Sommer 1967 „an keiner Eisdiele vorbeigehen konnte“, ohne dass einen der Song bis auf die Straße verfolgte.

    Normalerweise bedeutet eine brav arrangierte Nummer das Ende einer Bewegung. Von wegen. 1967 war nicht nur der Liebessommer, sondern auch das Jahr, in dem sich die USA an der Westküste neu erfanden. Wenngleich der Protest gegen den Vietnam-Krieg und eine Elterngeneration, die alles hinnahm, schon fast zwei Jahre vor sich hin brodelte. Man denke nur an „Eve Of Destruction“ des längst vergessenen Barry McGuire. Derweil machten einige Jungspunde wie auch folk-geschulte Profis wie Jerry Garcia von den Grateful Dead die Stadt San Francisco zum Portal verwegener Klänge.

    In der freiheitlichsten Stadt der USA ging es nicht wie 1963 bei dem legendären Marsch auf Washington um die Bürgerrechte der Schwarzen, sondern um eine junge Gegenkultur, die Liebe und Revolte besang. Es waren Loblieder auf Drogen und auf endlose Trips, die die Seele auf eine ganz andere Ebene führten. Und wenn die TV-Kameras einen Hippie ablichteten, der gerade seinen Einberufungsbefehl nach Vietnam verbrannte, stärkte das die mediale Power der Blumenkinder.

    Hippies 1967 in San Francisco in Kalifornien - der „Summer of Love“ begann hier.
    Hippies 1967 in San Francisco in Kalifornien - der „Summer of Love“ begann hier. Foto: UPI/dpa

    Was in San Francisco und in der Nachbarschaft abging, war unglaublich. Bis zu 150 Bands rockten die Stadt mit ihren viktorianisch anmutenden Häusern. Darunter die Charlatans, Quicksilver Messenger Service, Grateful Dead und Jefferson Airplane. Aus Los Angeles stießen The Doors mit ihrem charismatischen Sänger Jim Morrison dazu.

    Kettchen, Blümchen überall und Räucherstäbchen gehörten zum Outfit der Fans. Auch Batik-Wallegewänder für beide Geschlechter, genderneutral. Kein Macho weit und breit. Manche Feministin heute müsste neidisch werden. Die Kids aus dem gehobenen Mittelstand, die den gesellschaftlichen Stillstand der Ära von Lyndon B. Johnson leid waren, strömten zu den Konzerten. Der „American Way Of Life“ war nach Doris Day für junge Leute auf dem Abstellgleis gelandet.

    Nur Frank Sinatra mochten die Blumenkinder nicht

    Das Grässlichste, was man sich 1967 als Hipster antun konnte, war eine eingestandene Liebe zu Frank Sinatra. Bei Grace Slick, der Frontfrau von Jefferson Airplane, waren wir uns als rockbegeisterte Minderheit aber einig. Mochten die anderen im Gymnasium doch Mathematiklehrer werden – was auch geschah – und Tom Jones hören, für Grace hätten wir unser letztes Hemd gegeben. Mit schneidender Stimme durchpflügte sie die mäandernden Gitarrentöne von Jorma Kaukonen. Ja, Jorma, unser Idol. Wir haben uns im Pfarrheim St. Elisabeth vergeblich bemüht, deinen Hippie-Sound hinzukriegen.

    Alle Verehrung findet ihr Ende: In den 2000er Jahren bist du in Norditalien aufgetreten und hast „Rivers Of Babylon“ gespielt. Musste das sein?

    Der Sound der Zeit: Viele Bands ließen sich vom indischen Raga inspirieren. Beeinflusst vom Sitar-König Ravi Shankar ließen sie ihre Stücke fließen. So wie die Grateful Dead, denen man nachsagte, dass sie erst dann richtig Bock auf ihre Klangkaskaden hatten, wenn sie voll angetörnt waren. Doch sie schafften es bis in die 90er Jahre hinein, Stadien vollzubekommen, stets begleitet von Familien über drei Generationen hinweg. Der Tod des Gitarristen Garcia 1995 bedeutete auch das Ende der Post-Hippie-Ära. Treuer als damals die „Dead Heads“ genannten Fans können nicht mal die Anhänger des FC St. Pauli sein.

    Der Hippie-Traum endete nicht in Woodstock

    Der Hippie-Traum endete nicht in Woodstock, sondern Ende 1969 in Altamont, als ein Festivalbesucher erstochen wurde. Unvergessen sind die Bilder von Grace Slick, die die aufgebrachten Massen zur Räson bringen wollte. Nicht zu vergessen aber auch jene, die die Brutal-Droge LSD nicht überlebten.

    Trip nach San Francisco: 1992 auf der Suche nach dem Haus im Stadtteil Haight-Ashbury, in dem die Airplane wohnten. Eine Stunde lang herumgestanden, nichts erfahren, bis eine alte Dame („sagen Sie einfach Phoebe zu mir“) ihre Einkaufstasche abstellte. „Da drüben wohnten die. Das war ein seltsamer Haufen. Die Frau aber war okay. Sie hat sich mal zwei Pfund Mehl geliehen. Drei Tage später hat sie’s zurückgebracht. Und zehn Dollar dazu. Eine gute Amerikanerin.“ Hätte Phoebe den umstrittenen Drogen-Song „White Rabbit“ von Grace Slick gekannt, wie hätte sie reagiert? „Den kenne ich nicht, aber man hilft sich doch.“ So war es in San Francisco.

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