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Manipulation in Filmen: Traue keinem Bild!

Manipulation in Filmen

Traue keinem Bild!

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    Anhand von gewöhnlichen Videoaufnahmen wie hier von US-Präsident Barack Obama erstellen Forscher des Max-Planck-Instituts für Informatik 
Gesichtsmodelle für Computeranimationen.
    Anhand von gewöhnlichen Videoaufnahmen wie hier von US-Präsident Barack Obama erstellen Forscher des Max-Planck-Instituts für Informatik Gesichtsmodelle für Computeranimationen. Foto: MPI für Informatik

    Dass Bilder manipulierbar sind, daran hat man sich längst gewöhnt. Die Prüfung der Authentizität von Fotos stellt Journalisten, Juristen und Politiker vor immer größere Herausforderungen. Doch die Technik bleibt nicht stehen. Längst werden auch die Methoden zum Nachbearbeiten von Videos immer raffinierter. Getrieben wird diese Entwicklung von einer Branche, in der das professionelle Lügen Ausweis des Könnens ist: die Filmbranche.

    Forscher des Max-Planck-Instituts für Informatik in Saarbrücken und des Multimedia-Konzerns Technicolor haben nun eine Software vorgestellt, mit der die Lippen- und Gesichtsbewegungen von Menschen in Filmen am Computer verändert werden können – mit nur einfachen Videobildern als Vorlage.

    Die digitale Nachbearbeitung von Filmen ist in Hollywood längst Standard. Raumschiffe, Landschaften und ganze Städte entstehen am Computer und werden nach dem Dreh in den Film eingefügt. Die Schauspieler agieren im Studio vor einem einfarbigen Hintergrund – und müssen sich die Kulisse komplett vorstellen. Doch das ist nicht alles. Inzwischen treten sogar längst verstorbene Schauspieler wieder in neuen Filmen auf – die digitale Technik macht’s möglich. Spezialisten für Computeranimation benötigen dafür dreidimensionale Gesichtsmodelle (face rigs), die sie bislang über aufwendige Messverfahren erstellen und von Hand in die Filmszenen einbauen.

    Neue Technik: Viel schneller, viel einfacher

    „In den großen Filmstudios wird an manchen Fünf-Sekunden-Szenen mehrere Wochen lang gearbeitet, um das Aussehen eines Schauspielers und die Proportionen von Gesicht und Körper fotorealistisch wiederzugeben. Dabei wird auch am Rechner noch viel von Hand nachgebessert“, sagt Christian Theobalt, Leiter der Gruppe „Graphics, Vision and Video“ am Saarbrücker Max-Planck-Institut und Informatik-Professor der Universität des Saarlandes. Die gleiche Technik wenden Filmemacher an, um Figuren wie Zombies, Orks und Faune in Filme einzubauen und ihnen traurige Mienen zu verpassen oder Lachfältchen an die Augen zu zaubern.

    Mit der neuen Technik könnte dies bald viel schneller und einfacher werden. Ausgangsmaterial für die Saarbrücker Forscher sind Aufnahmen einer einzelnen Standardvideokamera. Die Software berechnet dann mittels mathematischer Schätzmethoden die Parameter, die man benötigt, um alle Details des Gesichtsmodells zu erfassen. Dazu gehören nicht nur die Gesichtsgeometrie, also die Form der Oberflächen, sondern auch die Reflexionseigenschaften und die Szenenbeleuchtung. Diese Angaben reichen bei ihrem Verfahren aus, um ein individuelles Gesicht am Rechner realitätsgetreu zu rekonstruieren und es – zum Beispiel mit Lachfältchen – auf natürliche Weise zu animieren.

    "Nehmen den Gesichtsausdruck sehr genau wahr"

    „Es funktioniert als Gesichtsmodell wie ein vollständiges face rig, dem wir allein über mathematische Verfahren unterschiedliche Gesichtsausdrücke verpassen können. Wir können also am Computer entscheiden, ob der Schauspieler oder Avatar eher fröhlich oder nachdenklich ausschauen soll und können ihm eine detailreiche Mimik geben, die es so vorher in den Filmaufnahmen nicht gab“, sagt Theobalt. Mit dem rekonstruierten Modell könne man auch die Mundbewegungen eines Schauspielers in einem synchronisierten Film an die neue Sprache anpassen.

    „Eine Herausforderung ist dabei, dass wir den Gesichtsausdruck von Schauspielern sehr genau wahrnehmen und sofort merken, wenn ein Wimpernzucken nicht authentisch ist oder ein falsch geöffneter Mund nicht zum gesprochenen Text der Filmszene passt“, erläutert der Wissenschaftler. Die Film-Illusion wird also immer perfekter. Doch wenn die Technik immer bessere Ergebnisse liefert und gleichzeitig immer einfacher verfügbar wird, droht auch Missbrauchspotenzial. Umso mehr, wenn man neben der Manipulation des Bewegtbildes auch an neue Möglichkeiten zur Manipulation von Audiodateien denkt. Die kanadische Softwarefirma Adobe hat vor kurzem angekündigt, sich auf diesem Feld engagieren zu wollen. Adobe-Programme gelten als Referenz für die digitale Bearbeitung von Fotos, daher hat die Ankündigung Gewicht.

    Denkbar ist es also, dass Betrüger künftig auch Videos fälschen. Dass ein Video auftaucht, indem der US-Präsident zum Beispiel von Unruhen spricht, die in Schweden von Migranten ausgelöst wurden – obwohl es dort gar keine solchen Vorfälle gegeben hat. Genauer hinzuschauen heißt es also künftig in jedem Fall. maz-

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