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Schwäbischer Kapellenweg: Kapellenweg: Ein Blockhaus für das Göttliche

Schwäbischer Kapellenweg

Kapellenweg: Ein Blockhaus für das Göttliche

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    Auf das lichte Kreuz fällt der Blick im Inneren der Kapelle von John Pawson
    Auf das lichte Kreuz fällt der Blick im Inneren der Kapelle von John Pawson Foto: Eckhart Matthäus, Siegfried & Elfriede Denzel-Stiftung

    Aus der Ferne sieht es wie ein hoher Stapel von Baumstämmen aus. Dass es sich um ein Gebäude handelt, zeigt sich erst bei weiterer Annäherung. Und unmittelbar davor wird durch das schlanke, in die Stirnseite eingelassene Kreuz klar: Es ist eine Kapelle, ein Ort, um hier auf der Anhöhe mit Blick auf den Klosterort Unterliezheim (Kreis Dillingen) in Stille und Sammlung zu verweilen.

    Gebaut hat den in seiner Schlichtheit spektakulären Sakralraum der Londoner Architekturdesigner John Pawson. Ist es überhaupt ein heiliger Bau? Außer dem mit Bernstein ausgelegten Kreuz weist nichts auf eine kirchliche Widmung hin. Es ist einfach das Raumerlebnis, das dieses Gebäude spirituell auflädt. Den schmalen, ebenso lang gestreckten wie aufragenden Raum betritt man von der Seite durch eine Schleuse. Dunkel umfängt den Besucher, das sich erst allmählich lichtet, durch das Fensterband direkt unterm Dach. Magisch zieht den Besucher das golden glimmende Kreuz an. Kurz davor öffnet sich ein Ausblick auf die hügelige Landschaft bis zum Dorf hinab. Wer sich jetzt umdreht, wird die Kapelle plötzlich in einem viel helleren Licht wahrnehmen. In dem Raum vollzieht sich eine wunderbare Wandlung. Zur weiteren Erkundung streiche man mit den Händen über das Holz. Ein weicher, fasriger Flaum überzieht die gesägten Stämme. Die Fensteröffnung fühlt sich indes völlig glatt an. Douglasien aus dem Schwarzwald hat Pawson dank des befreundeten dänischen Holzhändlers Thomas Dinesen gewählt. Rötlich strahlen die Stämme und zeigen an den Stirnseiten im exakten Verbund vielfach ihre Jahresringe. An den Längsseiten ist noch etwas von der dunkleren Rinde geblieben und verbindet das Bauwerk organisch mit dem Waldrand.

    John Pawson studiert immer das Umfeld eines Bauwerks

    Von einer „unglaublichen Komplexität und technischen Schwierigkeit“ sei diese Kapelle, sagte Architekturprofessor Winfried Nerdinger bei der Einweihung. Nichts könne hier hinzugefügt und nichts weggenommen werden. Pawsons Leitsatz laute: Erst in einem leeren Raum kann das Auge die Fülle erfassen. Der Brite studiere bei jedem Entwurf zuvor den Kontext und das Umfeld des geplanten Bauwerks. Hier die Lage direkt am Waldrand auf der Anhöhe mit dem weiten Fernblick. Nerdinger hatte 2012 die erste Ausstellung über die Baukunst John Pawsons im Münchner Architekturmuseum ausgerichtet. Pawson selbst erzählte in Unterliezheim von seiner Freude, am physischen Limit der Konstruktion zu arbeiten, um den Raum auf intensivste Weise zum Ausdruck zu bringen. Der Kapelle hat er seine Einsicht eingestiftet: „Im Wald lernen wir leben.“

    Dank der Stiftung der Wertinger Unternehmer Siegfried und Elfriede Denzel werden insgesamt sieben architektonisch herausragende Kapellen mit Schwerpunkt im Landkreis Dillingen an den neu entstandenen Radwegen errichtet. Bezirksheimatpfleger Peter Fassl begreift sie als neues Kommunikationsnetz und möchte mit den Kapellen eine geistliche Kartierung dieser Freizeit-Landschaft schaffen. Als theologischer Berater steht ihm der Augsburger Stadtpfarrer Helmut Haug von St. Moritz zur Seite. Er betonte als Ziel, „dass wir Menschen uns selber wieder mehr erfahren, den Reichtum in uns entdecken und dadurch dem Göttlichen begegnen“.

    In Emersacker (Kreis Augsburg) hat Architekt Wilhelm Huber aus Betzigau (Oberallgäu) eine Wegekapelle im Laugnatal in Form eines spitz aufragenden Keils gebaut. Wie ein großer Baumstumpf werde sie sich mit dem Wald verbinden, sagte Huber. So natürlich die mit roh gesägten Fichtenbrettern verschalte Kapelle von außen wirkt, so sehr bildet der Innenraum eine sakral-spirituelle Gegenwelt. Darin sind die glatt geschliffenen Holzwände in Weiß gehalten und werden von einem schmalen Glasdach von oben in Blautönen erleuchtet. Der Münchner Glaskünstler Herbert Kopp hat es aus verschieden opaken mundgeblasenen Scheiben zusammengesetzt, sodass ein lebendiger Himmel von Azurblau bis zu einem kühlen Weiß entsteht. Unmittelbar zieht der weiße Kamin mit dem einfallenden Licht die Blicke nach oben. „Es wird einem schwindlig, da hinaufzuschauen“, meinte eine Besucherin.

    Ein schlankes Kreuz aus Metallstäben akzentuiert die Kapelle als christlichen Ort. Eher zur gegenstandslosen Mediation lädt die Fläche mit Flusskieseln, auf die das Regenwasser vom Kapellendach niedergehen wird, ein. Der Entschleunigung in hektischer Zeit möge diese Kapelle dienen, wünschte Grundherrin Maria Theresia Gräfin Fugger von Glött, in deren Stiftungswald der Bau Raum für Rast, Einkehr und Stille vor Gott bietet.

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