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Unser Bild von Gott

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Unser Bild von Gott

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    Gott hat viele Gesichter. Seit der Mensch vor Urzeiten angefangen hat, sich Gedanken über höhere Mächte und das Jenseits zu machen, wurde das Göttliche immer wieder anders und neu gedacht. Beim ersten „Irseer Religionsdialog“ der Schwabenakademie blickten zwei renommierte Religionswissenschaftler zeitlich und räumlich umfassend auf Erscheinungsformen und Funktionen des Göttlichen – und zogen daraus unmissverständliche Schlüsse für die Zukunft der christlichen Kirchen.

    Peter Antes, Professor für Religionswissenschaft in Hannover, und Richard Heinzmann, in München Professor für Christliche Philosophie, spielten sich fundiert und anregend die Bälle ihres jeweiligen Fachbereichs zu. Etwa als es darum ging, den aktuellen Forschungsstand zur Entstehung der Vorstellung von Göttern wiederzugeben. Das Bewusstsein, dass der Mensch ständig bedroht, sterblich und damit auch entbehrlich ist, führte in der Steinzeit zu Ahnenkulten und entsprechenden Bestattungsformen, aber auch zu Urmuttervorstellungen. Diese mündeten rund um den Globus in den Glauben an eine oft vielgestaltige Götterwelt, bis hin zur hinduistischen Vorstellung, dass das Göttliche alles Sein durchwirkt, also auch Tiere oder Bäume. Die Götter der europäischen Antike galten zwar als unsterblich, aber doch einem höheren Schicksal unterworfen und waren nicht zwingend moralische Vorbilder.

    Im Judentum, Christentum und Islam wurde und wird schließlich nur noch ein Gott verehrt. Eine Entwicklung, die Heinzmann aus philosophischer Sicht begründete: Es sei nicht möglich, dass es mehr als ein „absolutes Prinzip“ gibt, das über dem Schicksal, der Zeit und der menschlichen Erkenntnis steht. Sonst wäre es nicht mehr absolut. Dies schließe auch eine göttliche Dualität, etwa eine gleichberechtigte Existenz eines „guten“ und eines „bösen“ Prinzips, aus.

    Dass sich dieses allmächtige Prinzip aber dem Menschen offenbare und ihn zur Gottes- und Nächstenliebe aufrufe, ihm gleichzeitig aber einen freien Willen lasse, müssten die christlichen Kirchen wieder in das Zentrum ihres Tuns stellen, um nicht „gegen die Wand zu fahren“, wie Heinzmann sagte. Mit der daraus resultierenden Rolle und Würde des Menschen und den entsprechenden ethischen Prinzipien habe das Christentum das Zeug, zur „Religion der Freiheit“ zu werden. Was aber nur funktioniere, wenn die christlichen Kirchen, die „Jahrhunderte lang auf Gehorsam gesetzt haben“, die Gewissensentscheidung des Einzelnen akzeptierten. „Wir müssen die Menschen zu denkenden Menschen machen und nicht auch noch mit Ängsten belästigen“, forderte Antes. Nur so könne dem Bedeutungsverlust der Religionen sowie radikalen Tendenzen entgegengewirkt werden. Die Religion sollte für den Menschen da sein und nicht umgekehrt, waren sich die Wissenschaftler einig. „Aber das werden wir wohl nicht mehr erleben.“

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