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Ghost in the Shell: Wo das Fantastische wie echt wirkt

Ghost in the Shell

Wo das Fantastische wie echt wirkt

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    Jetzt im Kino: die täuschend echt wirkende Fantasie-Stadtlandschaft von „Ghost in the Shell“.
    Jetzt im Kino: die täuschend echt wirkende Fantasie-Stadtlandschaft von „Ghost in the Shell“.

    Es gab mal eine Zeit, in der die Fantasie nur im Wort keine Grenzen kannte: Was Schriftsteller erdachten – Utopia und Frankensteins Monster, Marsleben und Zeitreisen –, es wurde lebendig durch glaubwürdige Bilder, von Worten in die Köpfe der Leser gezaubert. Wer die Bilder selbst liefern wollte, ob Maler, Zeichner oder Filmemacher, blieb im Hintertreffen.

    Diese Zeit ist jetzt vorbei. Heute können alle erdenklichen Bilder visuell lebendig werden.

    Schritt eins dazu ist derzeit in den Kinos in neuer Perfektion zu begutachten: Mit „Ghost in the Shell“ nämlich läuft seit Donnerstag eine bildgewaltige und fantasievoll überschäumende Zukunftsvision, die nicht von ungefähr einem japanischen Manga entspringt: Ihre futuristisch-anarchische Comicwelt hatte es bislang nur in der filmischen Übertragung als Anime gegeben – am Computer belebte Zeichnungen. Jetzt aber, da durch die neuen Möglichkeiten digitalisierter Bildwelten jeder Comicstoff zum Leben erweckt werden kann und das Kinoprogramm auch sonst voll ist mit Fantasy- und Science-Fiction-Produktionen, da wird auch der Kult von „Ghost in the Shell“ zum scheinbar echten Erlebnis.

    Einen neuen „King Kong“ und neue „Power Rangers“ hatten wir dieses Jahr ja bereits – in der Folge werden 2017 unter anderem noch kommen: ein neuer „Planet der Affen“, ein neuer „Alien“ und ein neuer „Blade Runner“, dazu ein neuer „Spider Man“, ein neuer „Transformers“ und ein Remake von „Flatliners“. Brad Pitt liefert „World War Z2“ und Disney „Star Wars: Episode VIII“. Das Fantastische regiert die Kinowirklichkeit immer stärker. Von den vormaligen Problemen, dass digitalisierte Neu-Schöpfungen oder Nachbauten der Welt eine visuelle Glaubwürdigkeitslücke haben, ist immer weniger übrig. Überspült werden Brüche längst durch eine beeindruckende Klaviatur der Effekte. So können wir nun zusehen, wie Scarlett Johansson als Android entsteht und dann durch eine derart futuristische Städtelandschaft streift, dass sich die Frage nach Realismus gar nicht mehr stellt: Es ist die Wirklichkeit der Zukunft, die hier überwältigt. Und natürlich längst alles in 3D und mit brillantem Raumklang.

    Aber dazu kommen noch Schritt zwei und drei. So, wie in Computerspielen 3D- durch VR-Brillen ersetzt sind, wird sich der Kinobesucher künftig auch im Film als virtuelle Realität selbst bewegen können. Bei Fachmessen in Prototypen schon 2016 präsentiert, kann sich der Zuschauer frei durch Bilderwelten bewegen, die ihm nicht mehr auf einer Leinwand erscheinen, sondern die ihn umgeben. Die „wahre“ Dreidimensionalität also. Und zu Marktreife hat es auch die vierte Dimension gebracht, Kino in 4DX.

    Erste Erlebnisse solcher Art waren in den vergangenen Jahren in Erlebnisparks, Technikausstellungen und auf großen Volksfesten zu machen: Der Sitzplatz vibriert mit, wenn etwa der Zuschauer wie in einer Rakete startet. Die koreanische Firma Panasonic hat dieses imitierende Prinzip fürs Kino perfektioniert. Da sind alle Sitze im Zuschauerraum auf eine Hydraulik montiert, da sind in einem kleinen Pult vor jedem Betrachter Luftdüsen verarbeitet und weitere Elemente für unmittelbare Sinneseindrücke im Raum verteilt.

    Das Ergebnis: Simultan zur Film- action verändert sich das Licht im Saal, bläst dem Zuschauer Wind ins Gesicht, wird die Raumtemperatur erhöht oder gesenkt, wird auch das Aussenden passender Gerüche möglich. Dampf, Nebel, Qualm: Was die Handlung notwendig erscheinen lässt, das geht. Und sogar die Berührung gehört dazu – durch ein kleines flexibles Stäbchen, das den Zuschauer etwa am Knöchel streift, wenn’s im Film durchs Unterholz geht. Kombiniert werden diese Sinneseindrücke mit dem Blick durch die 3D-Brille. Falls noch Zweifel an der Wirksamkeit existieren: Messungen haben ergeben, dass der Mensch in geschilderter Situation auch in der Herzfrequenz so reagiert wie in der Wirklichkeit.

    Das alles ist übrigens nicht auf neue Filme reduziert. Auch ältere Filme können mit derlei Sinnesaufrüstungen ergänzt werden. Als Gesamtpaket ist 4DX in Korea offenbar bereits ein Erfolg; als erste Station in Europa erhält derzeit ein Versuchskino in Paris die Technik. Sechs Euro mehr kostet dort der Eintritt für ein solches Rundum-Erlebnis. Bis das Ganze nach Deutschland kommt, könnte es noch etwas dauern. Bis dahin kann jeder darüber nachdenken, welche Art Film er so unmittelbar an sich herankommen lassen will, bis auf die Haut. Ob die Bilder unter die Haut gehen, bleibt indes eine ganz andere Frage. Dazu braucht es mitunter Worte.

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