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Interview: Von Freundschaften und Erinnerungen

Interview

Von Freundschaften und Erinnerungen

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    Von Freundschaften und Erinnerungen
    Von Freundschaften und Erinnerungen

    Ulm Wenn Ulm ein Halbfinale um die deutsche Meisterschaft erreicht, dann ist Jarvis Walker mit von der Partie. Im Jahr 1998 führte die Basketball-Legende die Mannschaft als Spieler sogar in die Finalserie gegen Alba Berlin und am vergangenen Sonntag war der inzwischen 45 Jahre alte Amerikaner mit seiner Familie beim 85:76 der Ulmer gegen Braunschweig auf Einladung des Vereins als Gast in der Ratiopharm-Arena. Walker war gerührt vom begeisterten Empfang in seiner zweiten Heimat und er verspricht vor dem Rückflug am heutigen Dienstag: „Ich werde bestimmt nicht noch einmal zehn Jahre wegbleiben.“

    Sie selber haben Ihre Basketballschlachten ja zehn Jahre lang am Kuhberg geschlagen. Wie fällt der Vergleich mit der neuen Ratiopharm-Arena aus?

    Walker: In der Arena herrscht eine tolle Atmosphäre, das ist echt riesig. Aber auch die Stimmung am Kuhberg war unvergleichlich und diese Halle wird für mich immer ein ganz besonderer Ort bleiben.

    Waren Sie überrascht, dass auch so viele jüngere Zuschauer Sie noch kennen?

    Walker: Das war wirklich erstaunlich. Manche Leute kannten vielleicht nicht meinen Namen, aber an mein Gesicht konnten sie sich alle erinnern. Aber das ging mir ganz ähnlich. Erst als ich dann am Sonntagabend im Bett lag, wurde mir manches wieder bewusst: Das war doch der Uli und das war die Biggi...

    Haben Sie noch Kontakt zu Ihren früheren Teamkollegen?

    Walker: Zu den wenigsten. Von Mike Knoerr und Bo Dukes habe ich lange nichts gehört, aber am Samstag war ich in Neu-Ulm mit Tom Norwood und Uwe Sauer beim Essen und wir haben einen sehr netten Abend miteinander verbracht. Mit Tom telefoniere ich auch noch regelmäßig.

    Spielen Sie selber heute noch Basketball?

    Walker: Nur mit meinen drei Kindern, für die bin ich so eine Art Wurftrainer. Meine Tochter Jasmyn macht sich übrigens sehr gut in der Highschool-Mannschaft, aber das wundert mich nicht. Schließlich ist meine Frau Danielle ihre Trainerin.

    Wussten Ihre Kinder eigentlich vor der Reise nach Deutschland, dass ihr Vater eine Legende ist?

    Walker: Sie wissen natürlich, dass ich früher professionell und auch ganz gut Basketball gespielt habe, aber so wirklich konnten sie das bisher nicht einordnen. Vor ein paar Wochen hat mein Sohn Jarvis junior mich gefragt, ob ich in meiner Karriere auch einmal den letzten Wurf genommen habe. Das habe ich natürlich sehr oft getan und spontan fiel mir ein Spiel gegen Tübingen ein, bei dem ich beim Stand von 79:79 den letzten und entscheidenden Schuss versenkt habe. Ein paar Stunden später hatte mein Sohn die Szene tatsächlich auf einem Video im Internet gefunden.

    Sie arbeiten heute in einer Chemiefabrik und mussten sich für die Reise nach Ulm Urlaub nehmen. Haben Sie in Ihrer Karriere nicht viel Geld verschenkt dadurch, dass sie zehn Jahre lang in Ulm gespielt haben?

    Walker: Ach, es ging mir eigentlich nie so sehr um Geld. Ich wollte einfach Basketball spielen und in Ulm habe ich mich wohlgefühlt. Es gab zwar damals durchaus Angebote zum Beispiel aus Leverkusen, Bonn und Frankreich und ich hätte dort mehr verdienen können. Am Ende des Tages ist Basketball ein Geschäft und ich verstehe deswegen einen Spieler, der jedes Jahr den Verein wechselt. Aber der wird keine Freundschaften schließen und keine Erinnerungen sammeln.

    Was hat sich am Basketball verändert seit Ihrer aktiven Zeit?

    Walker: Durch die Lockerung der Ausländerbeschränkung ist der Sport viel athletischer und dynamischer geworden.

    Wie gefällt Ihnen die aktuelle Ulmer Mannschaft und was trauen Sie ihr zu?

    Walker: Diese Jungs lassen nach einer misslungenen Aktion nicht den Kopf hängen, sondern sie reißen sich am Riemen und machen sofort weiter. Die spielen mit Herz und Stolz und das imponiert mir. Wenn sie konzentriert bleiben, dann ist alles möglich. Außerdem verstehen die sich untereinander prima. Das war vor mehr als zehn Jahren in meiner Mannschaft genauso und das ist ganz wichtig. Im Basketball ist es eben wie in anderen Berufen: du musst Deine Arbeit machen, auch wenn Du Deine Kollegen eigentlich nicht magst. Aber wenn Du mit ihnen befreundet bist, dann fällt es viel leichter und macht mehr Spaß.

    Hatten Sie persönlichen Kontakt zu Ihren Nachfolgern?

    Walker: Klar, ich habe mich am Sonntag zum Beispiel mit Isaiah Swann, Tommy Mason-Griffin und John Bryant unterhalten. Das sind unheimlich nette und unkomplizierte Jungs. Die haben auch gerne mit meinem Sohn geplaudert, das habe ich vermittelt. Aber nur deswegen, weil Jarvis junior selber zu schüchtern war, sie anzusprechen.

    Hatten Sie nach Ihrer Karriere daran gedacht, in Deutschland zu bleiben?

    Walker: Darüber habe ich sogar lange und intensiv nachgegrübelt. Ich hätte unheimlich gerne am Projekt hier in Ulm mitgearbeitet, aber mit Rücksicht auf meine Kinder bin ich in die USA zurückgekehrt. Aber ich könnte mir inzwischen selber in den Hintern beißen, dass ich erst jetzt nach Ulm zurückgekommen bin. Eines weiß ich sicher: „Ich werde bestimmt nicht noch einmal zehn Jahre wegbleiben.

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