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Syrien: Frankreich macht syrische Regierung für Giftgas-Angriff verantwortlich

Syrien

Frankreich macht syrische Regierung für Giftgas-Angriff verantwortlich

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    Die große Zahl der Bilder von Opfern lässt kaum Zweifel zu, dass in Chan Scheichun tatsächlich Giftgas ausgeströmt ist.
    Die große Zahl der Bilder von Opfern lässt kaum Zweifel zu, dass in Chan Scheichun tatsächlich Giftgas ausgeströmt ist. Foto: Syria Civil Defence/ZUMA (dpa)

    Frankreich macht die syrische Regierung für den Giftgas-Angriff in Chan Scheichun mit 87 Todesopfern verantwortlich. Der Sarin-Einsatz vom 4. April trage zweifellos "die Handschrift des Regimes" in Damaskus, erklärte das Außenministerium am Mittwoch in Paris. Das hätten Laboruntersuchungen von Proben aus Syrien ergeben.  

    Bei dem in der Kleinstadt Chan Scheichun im Nordwesten Syriens genutzten Giftgas handele es sich um das Nervengas Sarin, heißt es in einem von Außenminister Jean-Marc Ayrault vorgelegten Bericht. Die Zusammensetzung des verwendeten Gases ergebe "mit Sicherheit", dass es für die syrische Regierung hergestellt worden sei. Es gleiche einem Kampfstoff, den die syrische Regierung im April 2013 bei einem Angriff auf den Ort Sarakeb im Norden des Landes genutzt habe.  

    "Syrien hat wiederholt seine Zusage verletzt, keine Waffen mehr einzusetzen, die von der internationalen Gemeinschaft geächtet werden", betonte Ayrault. Insgesamt seien fünf Sarin-Attacken in Syrien seit April 2013 "bewiesen", heißt es in dem Bericht. 

    Das Nervengas Sarin

    Geruchlos, geschmacklos und tödlich - das Nervengas Sarin gehört zu den gefürchtetsten Kampfstoffen.

    Es ist farblos, geruchlos, geschmacklos.

    Sarin kann bereits in einer Dosis von nur einem halben Milligramm zum Tod führen.

    Das in der Chemie Methylfluorphosphonsäureisopropylester genannte Gift kann über Haut und Atemwege in den Körper gelangen.

    Gegenmittel wirken nur bei sofortiger Verabreichung.

    Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist Sarin 26 Mal tödlicher als Zyanid.

    Das Gas wurde 1938 von deutschen Chemikern entdeckt.

    Die irakische Luftwaffe warf im März 1988 Sarin-Bomben auf das von kurdischen Kämpfern kontrollierte Dorf Halabdscha ab und tötete etwa 5000 Menschen.

    Die Aum-Sekte setzte das Gift bei dem Anschlag auf die U-Bahn von Tokio 1995 ein, bei dem 13 Menschen getötet und mehr als 6000 verletzt wurden.

    Nun soll das Nervengas auch im syrischen Ort Chan Scheichun eingesetzt worden sein. Bei einem Angriff starben dort 87 Menschen.

    Syrien: Nervengas Sarin für Angriff wahrscheinlich

    Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) hatte vor einer Woche erklärt, bei dem Angriff sei "unbestreitbar" das Nervengas Sarin oder eine ähnliche Substanz eingesetzt worden. Die OPCW ließ Proben von zehn Opfern des Angriffs in vier Labors untersuchen. In Frankreich wurden nun zusätzliche Analysen durchgeführt.  

    Die Regierung von Syriens Machthaber Baschar al-Assad bestreitet, chemische Waffen eingesetzt zu haben. Nach russischer Darstellung soll das Nervengas aus Lagern der Rebellen stammen. Bei dem Angriff von Chan Scheichun waren laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 87 Menschen getötet worden, unter ihnen 31 Kinder.

    Die wichtigsten Akteure im Syrien-Krieg

    Im Syrien-Krieg gibt es verschiedene Akteure mit ganz unterschiedlichen Interessen.

    Regierung: Anhänger von Präsident Baschar al-Assad beherrschen die großen Städte des Landes. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte die Rebellen aber dank massiver russischer und iranischer Hilfe in vielen Gebieten zurückdrängen, unter anderem aus der Großstadt Aleppo. Assad sitzt derzeit fest im Sattel.

    Rebellen: Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten. Zu diesen gehören die mächtigen Gruppen Ahrar al-Scham und Dschaisch al-Islam. Moskau ist von seiner Forderung abgerückt, diese auf die Terrorliste zu setzen.

    Politische Opposition: Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationale Koalition in Istanbul.

    Islamischer Staat (IS): Die Terrormiliz beherrscht im Norden und Osten weiterhin riesige Gebiete. Allerdings mussten die Extremisten in den vergangenen Monaten mehrere Niederlagen einstecken. Für sie und andere Terrorgruppen gilt die landesweite Waffenruhe nicht.

    Al-Kaida: Auch die Al-Kaida-nahe Organisation Tahrir al-Scham (Ex-Al-Nusra-Front) ist von der Feuerpause ausgenommen. Sie kämpft mit anderen Rebellen um die Vorherrschaft im Nordwesten Syriens.

    Kurden: Kurdische Streitkräfte beherrschen mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei. Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS und führen die Offensive auf die Dschihadisten-Hochburg Al-Rakka. Die Türkei betrachtet sie als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und bekämpft sie deshalb.

    Russland: Moskau ist wichtigster Verbündeter der Regierung. Seit September 2015 fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Sie richten sich gegen den IS ebenso wie gegen Rebellen, die mit der Terrormiliz verfeindet sind.

    Iran: Teheran ist ein treuer Unterstützer der Assad-Regierung. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Auch die von Teheran finanzierte libanesische Schiitenmiliz Hisbollah sowie andere bewaffnete Gruppen sind in Syrien an Assads Seite im Einsatz.

    Türkei: Sie ist mittlerweile der einflussreichste Partner der Rebellen. Ankara war neben Moskau maßgeblich daran beteiligt, dass es zu einer neuen Waffenruhe kam. Türkische Truppen sind in Nordsyrien im Einsatz, wo sie Rebellen im Kampf gegen den IS unterstützen.

    USA und der Westen: Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Deutschland stellt unter anderem sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien und ein Flugzeug zur Luftbetankung. Der Einfluss des Westens auf den Konflikt ist aber wesentlich geringer geworden. (Quelle: dpa)

    Syriens Präsident Baschar al-Assad hatte die Vorwürfe, Chemiewaffen eingesetzt zu haben, kürzlich in einem AFP-Interview als zu "hundert Prozent konstruiert" bezeichnet. Dem Westen warf er vor, die angebliche Attacke als "Vorwand" genutzt zu haben. Die USA hatten als Vergeltung für den Angriff einen syrischen Luftwaffenstützpunkt mit Marschflugkörpern beschossen. Es war der erste direkte Angriff des US-Militärs auf die syrischen Regierungstruppen. AZ/AFP

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