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Verbrechen: Der "Boss der Bosse" der italienischen Mafia Cosa Nostra ist gestorben

Verbrechen

Der "Boss der Bosse" der italienischen Mafia Cosa Nostra ist gestorben

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    Riina auf einem Foto von 1995. Der Schwerverbrecher, der Italien jahrzehntelang terrorisierte, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
    Riina auf einem Foto von 1995. Der Schwerverbrecher, der Italien jahrzehntelang terrorisierte, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Foto: Giulio Broglio, dpa (Archiv)

    Sie nannten ihn die "Bestie". Ob der Vergleich aus dem Tierreich geeignet ist, um die Schwere seiner Taten zu beschreiben, steht dahin. Salvatore "Totò" Riina, bis zuletzt unangefochtener Boss der sizilianischen Cosa Nostra, ist in der Nacht auf Freitag in einem Gefängniskrankenhaus in Parma gestorben. 87 Jahre war der als "capo dei capi" (Boss der Bosse) berüchtigte Mafioso alt; seit Tagen lag er bereits im künstlichen Koma.

    Seinen Kindern und seiner Ehefrau hatte der italienische Justizminister erst kurz vor dem Tod die Erlaubnis erteilt, Riina zu verabschieden. Zu spät für sie. Einen Antrag auf Rückkehr in seinen sizilianischen Geburtsort Corleone lehnte ein Gericht ab. Riina galt trotz seines hohen Alters, seiner Herz- und Nierenprobleme immer noch als gefährlich. Selbst aus dem Gefängnis heraus soll er tonangebend gewesen sein. "Niemand kann mich zerstören", soll er kürzlich in einem abgehörten Gespräch geäußert haben.

    Mit 19 beging er seinen ersten Mord

    Der Aufstieg des Bauernjungen zum Mafiaboss begann unter dramatischen Umständen: Seinen Vater und seinen Bruder verlor der 13-jährige Riina bei einem Unfall in der Umgebung von Corleone. Bald geriet er in die Fänge der lokalen Bosse, die die Fähigkeiten des Jungen als Vieh- und Getreidedieb schätzten. Mit 19 beging er seinen ersten Mord.

    Die Mafia in Italien

    Mafia ist nicht gleich Mafia. Italiens große Banden in Sizilien, Kalabrien, Apulien und rund um Neapel haben gemeinsam, dass sie alle im 19. Jahrhundert entstanden.

    Untereinander verbindet sie wenig. Doch sie wirken im selben sozialen Umfeld: in unterentwickelten Regionen mit hoher Jugendarbeitslosigkeit und Auswandererquote sowie ausgeprägtem Misstrauen gegenüber dem Staat.

    Das fördert die Bereitschaft zur „omertà“, dem Schweigen in der Bevölkerung. Dort stoßen die Mafiosi auf fruchtbaren Boden. Ihr Handeln ist nur auf materielle Bereicherung ausgerichtet.

    Für ihr Ziel beseitigen sie Rivalen, bedrohen Politiker und Polizei und schaffen es immer wieder, in deren Reihen Komplizen zu finden.

    Am bekanntesten ist die Cosa Nostra, der Geheimbund Siziliens, auch „ehrenwerte Gesellschaft“ genannt. Dort haben Italiens Anti-Mafia-Kämpfer in den letzten Jahrzehnten die größten Erfolge erzielt.

    Die ’Ndrangheta in Kalabrien, verantwortlich auch für die sechs Mafiamorde 2007 in Duisburg, ist die gefährlichste.

    In Apulien herrscht die Sacra Corona Unita („Heilige vereinte Krone“), die vor allem im Schutzgeld-, Waffen- und Drogengeschäft aktiv ist.

    In den letzten Jahren gab es bei der Camorra in Neapel und Umgebung zwar große Fahndungserfolge. Doch diese Mafia ist unübersichtlich, aufgeteilt in 100 bis 200 autonome Familienclans, die sich teils gegenseitig bekämpfen.

    Die Camorra operiert im Drogen- und Waffenhandel, in der Produktpiraterie von Luxusgütern und der illegalen Müllentsorgung.

    Schutzgelder werden in Camorra kontrollierten Betrieben gewaschen.

    Seit immer mehr Clan-Bosse inhaftiert sind, versucht die zweite Generation, Fuß zu fassen. Rund zehn Milliarden Euro an Schutzgeldern werden Schätzungen zufolge in Italien erpresst.

    Es war seine Skrupellosigkeit, mit der sich Riina in den folgenden Jahrzehnten an die Spitze der Organisation hocharbeitete. Seine Methode: Bedrohungen, Erpressungen, Morde. 26 lebenslängliche Haftstrafen sammelte er im Laufe seiner kriminellen Karriere an. In einem brutalen Mafiakrieg hatte sich Riina Ende der 60er zum unangefochtenen Boss der Cosa Nostra aufgeschwungen. Zwischen hundert und 150 Morde sollen auf sein Konto gehen.

    In diesem Auto starb Mafia-Jäger Borsellino. Die Tat wird Riina zur Last gelegt.
    In diesem Auto starb Mafia-Jäger Borsellino. Die Tat wird Riina zur Last gelegt. Foto: Uncredited/AP/dpa (Archiv)

    Die bekanntesten Taten, die ihm zur Last gelegt werden, sind die Ermordung des sizilianischen Juristen und "Mafiajägers" Giovanni Falcone sowie seiner Begleiter durch ein Bombenattentat. Und die des Richters Paolo Borsellino, ebenfalls im Jahr 1992. Der Staat hatte damals den Kampf gegen die Mafia aufgenommen; Riina erklärte ihm den Krieg. Er gab Morde an Staatsanwälten, Polizisten, Gewerkschaftern, Journalisten, Ärzten und Politikern in Auftrag. Zudem soll er für mehrere Bombenanschläge verantwortlich sein, die 1993 in Rom, Mailand und Florenz zehn Menschen das Leben kosteten. Zeitgleich mit dem Aufstieg Berlusconis in der italienischen Politik soll der italienische Staat dann in Verhandlungen mit der Cosa Nostra getreten sein.

    Riina war 24 Jahren lang auf der Flucht

    "Er nimmt viele Geheimnisse mit ins Grab", schrieb die Zeitschrift L’Espresso. Eines dieser Geheimnisse ist, wie es Riina gelingen konnte, 24 Jahre lang auf der Flucht zu sein. Wahrscheinlich hielt er sich hauptsächlich in seiner Heimat Sizilien auf. Vier Kinder bekam seine Frau Ninetta Bagarella in einem Krankenhaus in Palermo, während Riina von der Polizei gesucht wurde. Sein ältester Sohn sitzt heute wegen Mordes im Gefängnis.

    Unter anderem in diesem Haus in Palermo versteckte sich Riina vor der Polizei.
    Unter anderem in diesem Haus in Palermo versteckte sich Riina vor der Polizei. Foto: Michele Naccari, dpa

    Am 15. Januar 1993 wurde Riina dann in der Nähe seines Hauses in Palermo festgenommen. Offenbar war es erst da eine politische Priorität, den Boss der Bosse dingfest zu machen. Der im vergangenen Jahr verstorbene Bernardo Provenzano, aus Corleone auch er, trat die Nachfolge Riinas an. 2006 wurde er festgenommen – in unmittelbarer Nähe von Verwandten. Seither gilt Matteo Messina Denaro als Führungsfigur der Cosa Nostra.

    Um die ist es ruhiger geworden. Was damit zu tun hat, dass sie nicht mehr auf Konfrontation aus ist, sondern sich auf Korruption spezialisiert hat. "Die Clans haben die Strategie der gewaltsamen Einschüchterung abgelegt, um ihre Ziele am Verhandlungstisch zu erreichen", sagt der Leiter der Antimafiabehörde Federico Cafiero de Raho.

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