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München: Der Kardinal und der Twittergott: Wenn Marx auf Gottschalk trifft

München

Der Kardinal und der Twittergott: Wenn Marx auf Gottschalk trifft

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    Auf einem Podium: Kardinal Reinhard Marx (rechts) und Thomas Gottschalk redeten über Gott und die Welt.
    Auf einem Podium: Kardinal Reinhard Marx (rechts) und Thomas Gottschalk redeten über Gott und die Welt. Foto: Tobias Hase, dpa

    Wenn Entertainer Thomas Gottschalk und der Münchner Kardinal Reinhard Marx miteinander über Gott reden sollen, dann spricht Gottschalk erwartungsgemäß über alles Mögliche. Und Marx sagt Manches, das so nicht zu erwarten war. Erwarten konnte man von dem Podiumsgespräch zum 50-jährigen Bestehen der katholischen Journalistenschule ifp am Montagabend in der Münchner Hochschule für Philosophie, dass es heiter werden würde. Und das wurde es.

    Etwa als Gottschalk über Papst Franziskus sagt: „Da fällt ein Polizist um und er springt vom Wagen und hilft ihm. Das hätte früher nicht einmal jemand zu inszenieren gewagt.“ Mit diesem Papst, so Franziskus-Fan Gottschalk, kämen wir „den Leuten langsam näher, aber es ist verflucht spät“. Marx nickt dazu lächelnd. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist enger Berater des Papstes und findet es gut, dass dieser öffentlich so stark wahrgenommen wird. Aber dann platzt es doch unerwartet aus ihm heraus: „Der Papst ist doch nicht die Kirche!“ Manchmal sei ihm das Interesse an Franziskus zu groß, es gehe doch um seine Botschaft.

    Ja, Franziskus. Der teilt in seinen Weihnachtsansprachen gerne mal aus, schimpft hohe kirchliche Amts- und Würdenträger etwa „Verräter“. Man „kann gut zuhören, und dann geht’s weiter“, sagt Marx dazu. Halb im Ernst, halb im Spaß. Ob es denn stressig sei im Vatikan, will die Moderatorin des Abends, Anne Reidt vom ZDF, von ihm wissen. „Vatikan und Stress?“, fragt Marx zurück. Lächelnder Kardinal, mehr als 300 lachende Zuhörer im Saal. Der Kardinal hat das, was Gottschalk ein „Entertainment-Gen“ nennt.

    Shitstorm: Thomas Gottschalk bereut seinen Tweet

    Dass Entertainment allerdings auch ein schwieriges Geschäft sein kann, hat Gottschalk in den vergangenen Tagen gleich mehrfach erfahren. Bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises in Köln und durch den Shitstorm, den einer seiner Tweets vom Samstag ausgelöst hat. „Hab meine DNA aufschlüsseln lassen. Afrika war ja klar. Aber über 50% Prozent Osteuropäer! Deswegen hab ich als Kind so geklaut“, schrieb er. Am Montagabend bereut er das. „Ich bin und werde nie ein Feind von irgendjemand sein – Ausländern, Inländern, egal.“ Ein „blöder Witz“, nicht mehr.

    Und zur Verleihung des Deutschen Fernsehpreises, bei der Gottschalk am Freitag für sein Lebenswerk geehrt wurde, meint er: „Wenn der Deutsche Fernsehpreis überhaupt nicht im Fernsehen zu sehen ist, ist das doch ein Absurdum.“ Der Deutsche Fernsehpreis, der von ARD, RTL,Sat.1 und ZDF gestiftet wurde, ist seit Jahren umstritten – unter anderem wegen fragwürdiger Preis-Kategorien. Im Fernsehen wird die Preisverleihung nicht mehr übertragen.

    Überhaupt das Fernsehen. Gottschalk, und da wird er ernst, sagt: Das Fernsehen habe für die Unter-35-Jährigen keine Zukunft. „Heute kannst du bei Youtube einen sehen, der mit Unterhosen vom Dach springt. Das kann ich nicht toppen.“

    Entertainer Thomas Gottschalk sprach beim „Görres-Abend“ des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) am Montagabend.
    Entertainer Thomas Gottschalk sprach beim „Görres-Abend“ des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) am Montagabend. Foto: Tobias Hase, dpa

    "Marx & Gottschalk" wäre auch ein gutes TV-Format

    Thomas Gottschalk spricht nicht von ungefähr an diesem Abend mit Kardinal Reinhard Marx. Dass er katholische Wurzeln hat und Ministrant war, wissen die meisten. Dass er zum Stipendiatenjahrgang 1974 der katholischen Journalistenschule ifp zählt, ist weniger bekannt. Sein Ziel sei es damals gewesen, Platten beim Bayerischen Rundfunk aufzulegen. Journalismus habe ihn aber auch interessiert, erzählt er. Die Grundlagen erlernte er im ifp. Dort habe er sich „richtig“ gefühlt, zumal man nicht jeden journalistischen Artikel mit Amen habe beschließen müssen. Schon 1977 war Gottschalk ein Star, hatte mit „Pop nach acht“, seine eigene Musiksendung auf Bayern 3. Wie es mit ihm weiter ging, ist bekannt.

    Das „Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses“, kurz ifp, wurde 1968 von der Deutschen Bischofskonferenz im Geiste der Aufbrüche des Zweiten Vatikanischen Konzils gegründet, um qualifizierte und unabhängige Journalisten aus- und weiterzubilden. Noch heute hat es in traditionalistischen Kirchenkreisen den Ruf, Kirchenkritiker herangezogen zu haben. Der 89-jährige Gründungsdirektor und Jesuitenpater Wolfgang Seibel sagt dazu am Montagabend: Die Meinungsfreiheit sei ein Grundrecht. Zudem sollte die Kirche dankbar sein für Kritik. Marx nickt. Später sagt er: In kirchlichen Kreisen sei mediale Schelte beliebt, diese bringe aber nichts. „Wir sollten nicht über die Medien schimpfen“, meint er, und rät der katholischen Kirche und seinen Mitbrüdern zu Transparenz.

    Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, zeigte sich an dem Abend überaus schlagfertig. Wie Gottschalk.
    Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, zeigte sich an dem Abend überaus schlagfertig. Wie Gottschalk. Foto: Tobias Hase, dpa

    „Reden wir über Gott?!“ war der Abend überschrieben. Ein Leichtes für einen Kardinal? Unerwarteterweise nicht für Marx. Fragen wie „Glauben Sie an Gott?“ oder „Beten Sie?“ seien intime Fragen. „Man fragt ja auch nicht so einfach: Wen haben Sie gewählt?“ Gott sei „kein normales Gesprächsthema“, sondern „ein absolutes Geheimnis“.

    „Marx & Gottschalk“ – wäre eigentlich ein grandioses TV-Format. Die Sendung könnte auch „Der Kardinal und der Twittergott“ heißen. Moderatorin Anne Reidt hatte das Podiumsgespräch mit den Worten begonnen: „Der Kardinal ist da, der Twittergott ist da, das Hochamt kann beginnen.“

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