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Natascha Kampusch: Die Vergangenheit lässt sie nicht ruhen

Natascha Kampusch

Die Vergangenheit lässt sie nicht ruhen

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    Bei der Frage, es gebe Behauptungen, ein ganzer Pädophilen-Ring habe sie missbraucht, schluckt Natascha Kampusch und erwidert: «Das ist unfassbar, das ist unglaublich.» Solche Vorhaltungen seien «demütigend und verletzend». Sie könne nicht mehr sagen als das, was sie erlebt habe.
    Bei der Frage, es gebe Behauptungen, ein ganzer Pädophilen-Ring habe sie missbraucht, schluckt Natascha Kampusch und erwidert: «Das ist unfassbar, das ist unglaublich.» Solche Vorhaltungen seien «demütigend und verletzend». Sie könne nicht mehr sagen als das, was sie erlebt habe. Foto: DPA

    Im jüngsten ORF-Interview vor wenigen Wochen hat Natascha Kampusch sämtliche Gerüchte und Verschwörungstheorien um ihren Entführungsfall entschieden zurückgewiesen. Wieder einmal muss sie das. Und sie sagt: Die Zweifel an ihrer Geschichte seien „eine enorme psychische Belastung.“

    Die Ermittlungen in ihrem Fall sind noch immer nicht abgeschlossen. Und während die meisten Beteiligten auf den Abschlussbericht warten, vermuten Skeptiker weiter einen Skandal – mögliche Mittäter, vielleicht gar einen Pädophilenring oder zumindest eine abgebrochene Schwangerschaft Kampuschs. Auch sechs Jahre nach ihrer Flucht aus dem Kerkerverlies lässt die Vergangenheit die heute 24-Jährige nicht ruhen. Presseberichten zufolge sollen jetzt sogar FBI-Agenten den Fall ein weiteres Mal aufrollen.

    So ist es kein Wunder, dass sie sich gegenüber der Öffentlichkeit abschottet. Sie gibt gerade keine Interviews. Ihr Medienberater sagt am Telefon nur, Natascha Kampusch gehe es gut. Sie sei beschäftigt, habe viele Termine. Der noch von Bernd Eichinger geplante Film über ihr Schicksal soll nun realisiert werden. Alles Sätze, die man so sagt, wenn man jemanden abwimmeln will.

    Ihr neues Leben, das dritte nach früher Kindheit und Gefangenschaft, ist für Natascha Kampusch nicht einfach. Der Neubeginn nach gut acht Jahren im Kerker ihres Peinigers, des arbeitslosen Nachrichtentechnikers Wolfgang Prikopil, war für die junge Frau von Beginn an steinig. Denn sie war mit einem Schlag weltbekannt geworden: Ihr Martyrium ist ein Jahrhundert-Kriminalfall.

    Trotzdem erinnert man sich nur noch an die großen Fernsehinterviews, die sie gegeben hat. Was hat sie eigentlich in all den Jahren alles gemacht? So viel ist verbürgt: Ihr neues Leben geht nach der Erstversorgung in einem Wiener Krankenhaus in einer betreuten Wohngruppe weiter. Psychologen umsorgen sie. Später nimmt sie sich dann eine eigene Wohnung, versucht auf eigenen Beinen zu stehen. Finanzielle Probleme hat sie nie. Die Geschichten über ihre tragische Geschichte sorgen offenbar für ein solides Bankkonto. Vom österreichischen Staat bekommt sie allerdings keine Entschädigung für die Gefangenschaft. Rund eine Million Euro, 323 Euro für jeden einzelnen Tag, hatte sie gefordert, weil die Ermittler Fehler gemacht hatten. Das Geld wollte sie nicht für sich, sondern für ihre Hilfsprojekte verwenden. Die Klage wurde abgelehnt. Eines ihrer Hilfsprojekte beschreibt Kampusch auf ihrer offiziellen Internetseite: Im Oktober war ein Kinderkrankenhaus in Sri Lanka mit ihrer Unterstützung nach einjähriger Bauzeit feierlich eröffnet worden. Ein Foto zeigt sie mit lachenden Frauen.

    Natascha Kampusch kämpft um ihr neues Leben

    Natascha Kampusch kämpft all die Jahre um ihr neues Leben. Sie machte den Führerschein, hatte zwischendurch sogar eine eigene TV-Show („Natascha Kampusch trifft“) und holte ihren Hauptschulabschluss nach. Zuletzt begann sie eine Lehre als Goldschmiedin.

    Es sind die heiteren Seiten ihrer Biografie nach der Kerkerzeit. Doch die Fernsehsendung wird nach vier Folgen eingestellt, das Verarbeiten der Vergangenheit bleibt schwierig. Sie rechnet mit ihren Eltern, vor allem mit dem Vater ab. Und sie erwirbt das Haus ihres Peinigers, allerdings nicht, um darin zu wohnen: „Ich wollte vor allem verhindern, dass es in falsche Hände gerät.“

    Über die junge Frau hinter der kühlen Fassade, die sie bei ihren Auftritten zur Schau trägt, erfährt man nur wenig Konkretes. Bereits 2010 brachte sie ihre Biografie mit dem Titel „3096 Tage“ auf den Markt. Sie wird ein Bestseller.

    Auf den Lesungen öffnete sie sich immer wieder. Für Momente. Da sagte sie dann, dass sie nicht nur Wohlwollen erfährt. Oft begegne man ihr im Alltag mit Aggression. „Das ist sehr unangenehm für mich. Und es verletzt mich.“ Sie erzählt, ihr früheres Leben wolle sie am liebsten wie Ballast weglegen: „Ich möchte einfach ein neues beginnen.“ Doch immer wieder holen sie die Schatten der Vergangenheit ein. Zuletzt sagte sie: „Es wird lang dauern, bis ich begreifen werde, was ein normales Leben für mich ist.“

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