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PIP: Skandal um Brustimplantate: Firmengründer Mas vor Gericht

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Skandal um Brustimplantate: Firmengründer Mas vor Gericht

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    Brustimplantate der Firma PIP: Die Klage der Frau auf 100 000 Euro Schmerzensgeld wurde abgewiesen.
    Brustimplantate der Firma PIP: Die Klage der Frau auf 100 000 Euro Schmerzensgeld wurde abgewiesen. Foto: Guillaume Horcajuelo dpa

    Die Billig-Brustimplantate der französischen Firma  PIP hatten sich auch in Deutschland etwa 5000 Frauen einsetzen und  wegen der Gesundheitsgefahr teils wieder herausoperieren lassen.  Nun beginnt in Frankreich der erste große Strafprozess gegen  PIP-Firmengründer Jean-Claude Mas Jean-Claude Mas. Ab Mittwoch muss sich der  73-Jährige im südfranzösischen Marseille wegen des Vorwurfs der  schweren Täuschung und des Betrugs vor Gericht verantworten.

    Der Prozess - zwei andere Ermittlungsverfahren wegen  fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung sowie wegen  betrügerischen Bankrotts laufen noch - kündigt sich als  Mammutveranstaltung an: 5127 Klägerinnen haben sich bis heute bei  der Justiz in Marseille gemeldet, zu 95 Prozent Französinnen, aber  auch zwei Frauen aus Deutschland sowie weitere aus Argentinien,  Österreich, Belgien, Spanien, Großbritannien und der Schweiz.

    PIP-Skandal: Firmengründer Mas und vier Ex-Angestellte vor Gericht

    Neben Firmengründer Mas müssen sich vier frühere Angestellte  seiner südfranzösischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP)  verantworten. Ihnen drohen insgesamt bis zu sechs Jahre Haft. Mas  hat bereits zugegeben, seit 1995 drei Viertel seiner  Brust-Prothesen illegal mit einem Billig-Gel gefüllt zu haben, das  er mit einem eigentlich für Industrieprodukte bestimmten Silikon  des deutschen Chemiegroßhändlers Brenntag zusammenmixte. Dabei soll  es sich um ein Gel gehandelt haben, wie es auch für Matratzen und  Computer verwendet wird.

    Skandal um PIP-Brustimplantate

    Eine Klagewelle rollt weltweit auf die Gerichte wegen des Skandals um defekte Billig-Brustimplantate der französischen Firma PIP zu.

    Hunderttausende Brustimplantate gefüllt mit einem Billig-Silikon hatte PIP von 2001 bis 2010 weltweit verkauft; in den Einlagen wurde aus Kostengründen statt eines medizinischen Silikons ein Industriesilikon verwendet, das eigentlich als Dichtungsmasse eingesetzt wird.

    Einlagen rissen gehäuft, in Deutschland wurden bisher 25 Fälle gemeldet. Die Opfer führen Entzündungen und sogar Krebsfälle auf das Industriesilikon zurück.

    PIP-Firmengründer Jean-Claude Mas macht aus dem Einsatz von Billig-Silikon keinen Hehl, doch das war seiner Ansicht nach nicht schädlich.

    Die Anzeigen der betroffenen Frauen wenden sich allerdings nicht nur gegen PIP, sondern auch gegen die staatliche französische Medizinproduktebehörde Afssaps, gegen Ärzte und Kliniken sowie gegen den TÜV Rheinland.

    Der hatte PIP-Produkte europaweit zertifiziert und ihnen damit das begehrte CE-Siegel für geprüfte Sicherheit verschafft.

    In Frankreich wird deshalb gerne mit dem Finger auf den TÜV gezeigt: Die Afssaps, Ärzte und Krankenhäuser hätten sich auf den TÜV verlassen müssen, heißt es.

    Der TÜV Rheinland wiederum sieht keine Schuld bei sich, denn er sei bei seiner Prüfung von PIP «nachweislich umfassend und fortgesetzt getäuscht worden». Die Firma habe die Implantate geändert - also mit Industriesilikon gefüllt -, ohne dies mitzuteilen. Somit habe gar kein TÜV-Zertifikat für dieses Produkt vorgelegen. Der TÜV hat selbst Anzeige in Frankreich gegen PIP erstattet.

    Die EU will die Vorgaben strenger fassen, bevor ein Medizinprodukt überhaupt auf den Markt kommt. Eine staatliche Kontrolle, etwa ein Zulassungsverfahren wie bei Arzneimitteln, gibt es für Medizinprodukte nicht.

    Die Lieferanten des Industriesilikons, darunter der deutsche Chemiegroßhändler Brenntag, weisen eine Mitschuld von sich.

    Die französische Allianz-Tochter, bei der PIP versichert war, hält den Vertrag für ungültig, weil die Firma betrügerisch gehandelt habe

    Die Billig-Einlagen bekamen vermehrt Risse und werden für  Entzündungen bei den Frauen verantwortlich gemacht. Nicht erwiesen  ist bisher, ob die Implantate auch Krebs auslösten.  Gesundheitsbehörden mehrerer Länder, darunter Deutschlands, hatten  ab Ende 2011 die betroffenen Frauen aufgerufen, sich die  Silikonkissen vorsichtshalber entfernen zu lassen.

    Der Gründer der Firma PIP, die zeitweise zum weltweit  drittgrößten Produzenten von Silikoneinlagen aufstieg und seit 2010  aufgelöst ist, weist den Vorwurf der Gesundheitsgefährdung zurück.  "Alle Silikongele weisen eine reizauslösende Wirkung auf", ließ Mas  die Frauen wissen, die auch andere Silikon-Implantate tragen.

    Allerdings gestand Mas im Polizeiverhör unumwunden, dass er die  Kontrolleure des deutschen TÜV Rheinland, die seine Produkte  europaweit zertifizierten, systematisch hinters Licht geführt  hatte. Vor deren - angekündigten - Besuchen habe er jedesmal  angeordnet, "alle Unterlagen zu verstecken, die einen Bezug zu dem  nicht zugelassenen PIP-Gel hatten". Sogar ganze Container mit dem  hausgemachten Produkt ließ er verschwinden.

    Brustimplantate: Billig-Gel kostete zehnmal weniger

    Das Billig-Gel kostete Mas zehnmal weniger als das eigentlich  vorgesehene Nusil-Gel - die Firma sparte dadurch laut  Staatsanwaltschaft jährlich mehr als eine Million Euro. Auch das  gestand Firmengründer Mas ohne zu zögern: "Ich habe das absichtlich  getan, weil das PIP-Gel billiger war." Die Klägerinnen aber, meint  er, wollten doch nur Geld aus dem Prozess schlagen.

    Unklar ist, von wem die Opfer entschädigt werden könnten. Der  Firmengründer ist nach eigenen Angaben pleite, auch wenn manche  Frauen vermuten, er habe sein Vermögen ins Ausland geschafft. Der  TÜV sieht sich selbst als Opfer und tritt in Marseille als Kläger  auf. Auch der Versicherer Allianz lehnt Zahlungen mit dem Verweis  ab, der Vertrag mit PIP sei wegen des Betrugs nichtig.

    Viele Frauen sind der Ansicht, dass auch die französische  Arzneimittelbehörde ANSM oder Schönheitschirurgen auf der  Anklagebank sitzen müssten. Sie hätten schon lange vor dem Verbot  der PIP-Implantate im März 2010 von deren Gefährlichkeit wissen  müssen. Und auch die EU mit ihrem Kontrollsystem steht am Pranger. In Deutschland sind  Klägerinnen mit der Forderung nach Schmerzensgeld wegen der  PIP-Implantate bisher vor Gericht gescheitert.  afp

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