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Lähmungen und Taubheit: Giftfische in der Ostsee

Lähmungen und Taubheit

Giftfische in der Ostsee

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    Hobbyangler Hans-Uwe Boerner hält in Neukloster ein Petermännchen (Trachinidae) in der Hand.
    Hobbyangler Hans-Uwe Boerner hält in Neukloster ein Petermännchen (Trachinidae) in der Hand.

    Neukloster/Rostock (ddp) - Seinen ungewöhnlichen Fang aus der Ostsee bereut ein Hobbyfischer nochheute: Auf den Stich eines Petermännchens folgten Lähmungen undSchmerzen. Experten warnen vor einer weiteren Ausbreitung desGiftfisches.

    An den ungewöhnlichen Fisch an seiner Angel erinnert sich Hans Uwe Börner, als wenn es gestern war. "Ich dachte noch, wat dat wohl ist, mit so vielen aufgerichteten Stacheln. Richtig aggressiv sah der aus", beschreibt der 56-jährige Mecklenburger seinen Fang vor knapp einem Jahr in der Wismarbucht. Ein Petermännchen hatte angebissen - ein Giftfisch, den es eigentlich in der Ostsee gar nicht geben sollte. Der versierte Angler verhielt sich zwar vorsichtig, dennoch verletzte er sich an den Stacheln. Es folgten Lähmungen und Schmerzen, das Taubheitsgefühl quält Börner noch heute, so viele Monate später.

    "Am Ringfinger der rechten Hand hat er mich erwischt. Ich hab erst nur einen kleinen Blutstropfen gesehen, ein paar Minuten später wurde mir übel, und mein ganzer Arm schwoll an, aber wie", erzählt Börner. Zwei Stunden brauchte sein Cousin, der mit ihm im Boot auf die Ostsee gefahren war, zurück in den Hafen. "Mir ging es immer schlechter. Zu Hause in Neukloster hab ich nur noch wirres Zeug geredet."

    Seine Frau habe ihn gedrängt, einen Krankenwagen zu rufen, "aber als Mann ist man ja bollenhart, ich dachte mir, das wird schon wieder". Heute bereut Börner, der selbst ehrenamtlicher Feuerwehrmann ist und jeden in schneller Erster Hilfe belehrt, seine eigene Feigheit. Erst am nächsten Tag ging er zum Arzt, der ihn sofort ins Krankenhaus überwies.

    Börner holt sein Fischerkennungsbuch. "Hier: Petermännchen, steht gleich neben der Viperquaise, die ist richtig giftig." Biologe Helmut Winkler erklärt, wo die Giftdrüsen des Fisches sitzen: an der Wurzel der Seiten- und Rückenflosse. Die spanne der Fisch bei Gefahr wie einen Fächer auf, "deshalb hat er auch den Namen Drachenfisch". Winkler ist sehr interessiert an den Erlebnissen des Anglers. "Dass der Fisch in der Ostsee beobachtet wird, ist ungewöhnlich. Eigentlich sind seine Gebiete das Mittelmeer, der Atlantik bis hoch vor Norwegen."

    Ob sich der Fisch wegen der Klimaänderung neue Lebensbereiche erobert, ist noch nicht erforscht. Dass es sich aber lediglich um ein eingeschlepptes Exemplar handele, glaubt der Wissenschaftler nicht. "Es gibt zunehmend Meldungen von der Südküste Schwedens, dort haben Behörden sogar schon Badende gewarnt." Das Gemeine am Petermännchen ist nämlich, dass er sich im Sommer mit Vorliebe an seichten Ufern im Sand eingräbt. Nur die Augen sind dann noch zu sehen. Wer auf ihn tritt, erlebt dasselbe Fiasko wie Hans Uwe Börner.

    In Deutschland dagegen ist das Petermännchen selbst unter Anglern ein kaum bekannter Exot. "Nicht auszudenken, wenn er am Haken von einem Kind hängt. Ich war ja schon vorsichtig, weil manchmal auch Barsche Stacheln ausfahren", sagt der einst als Forstmann arbeitende Börner, der mit seiner kräftigen Statur dem Gift einiges entgegenzusetzen hatte. Im Nachhinein glaube er, "der hat richtig Schwung geholt, um mich zu treffen. Ich dachte immer, das kam von einer Welle". Vor dem angriffslustigen Fisch werde kaum gewarnt, bedauert Börner.

    Der Landesanglerverband hat über ein ähnliches Vorkommnis mit einem Petermännchen keine Kenntnis. In Schulungen für den Angelschein komme das Thema deshalb auch nicht vor, heißt es dort.

    Mehrere Monate lag "der kleine Fiesling" in der Börnerschen Tiefkühltruhe, dann vermachte der Angler ihn dem Rostocker Institut für Zoologie. Auf das "Exemplar mit Geschichte" ist Helmut Winkler mächtig stolz. Eingelegt in einer Alkohollösung "schwimmt" das Petermännchen jetzt für einen guten Zweck, als Anschauungsobjekt.

    Einmal im Leben mache man einen ganz außergewöhnlichen Fang, und ausgerechnet auf dieses Erlebnis würde er gern verzichten, sinniert Börner. Dabei streicht er sich über den Ringfinger. "Hier krisselt es noch richtig hinter dem Nagel", sagt er. Aber es hätte schlimmer kommen können. Wie bei einem Ehepaar in Lübeck, das er später kennenlernte. "Da hat der Fisch den Mann ein paar Mal im Wasser richtig angegriffen und immer wieder gestochen. Ich stell mir nur vor, wie das ist, wenn jemand ein bisschen allergisch ist. Das war's dann wohl."

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