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Debatte: Glockenspiel und Negerkönig: Wie sich Diskussionskultur ändert

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Glockenspiel und Negerkönig: Wie sich Diskussionskultur ändert

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    Um das Limburger Glockenspiel gibt es Streit. Einer Veganerin gefällt nicht, dass das Lied "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" angestimmt wird.
    Um das Limburger Glockenspiel gibt es Streit. Einer Veganerin gefällt nicht, dass das Lied "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" angestimmt wird. Foto: Thomas Frey, dpa

    Ist es nur eine Posse oder steckt doch mehr dahinter? Seitdem der Limburger Bürgermeister Marius Hahn (SPD) aus Rücksicht auf eine Veganerin das Lied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ aus dem Repertoire des Glockenspiels im Rathausturm genommen hat, fegt über die Stadt ein Sturm der Entrüstung hinweg. In den sozialen Netzwerken brodelt es. Denn die Veganerin störte sich an der Liedzeile: „Sonst wird dich der Jäger holen, mit dem Schießgewehr.“

    Ist das Kinderlied also nicht „politisch korrekt“? Nicht mehr zeitgemäß? So wie der Vater der Kinderbuchfigur Pippi Langstrumpf, der in Astrid Lindgrens Büchern „Negerkönig“ heißt? So wie der Begriff „Mohr“, um dessen Verwendung es alle Jahre wieder eine aufgeregte Debatte gibt? Was darf man sagen? Was nicht? Und wer darf das eigentlich entscheiden? Die Limburger Posse zeigt, wie sehr diese Fragen viele Menschen bewegen. Es lässt sich erahnen, wenn man in die Kommentarspalten der sozialen Netzwerke blickt. Über den Limburger „Fall“ wird dort voller Wut geschrieben.

    Die Diskussion um "Mohrenköpfe" hat auch die Politik erreicht.

    Die deutsche Diskussions-Kultur ändert sich gerade

    Der Soziologe Stefan May arbeitet am sozialwissenschaftlichen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München und beschäftigt sich mit der deutschen Streitkultur. Er sagt: „Die Art, wie wir diskutieren, ändert sich gerade sehr.“ Durch den Zugang zu digitalen Netzwerken könne heute jeder mitdiskutieren. Grundsätzlich sei dies zu befürworten, denn: „Streit ist eine Lebensform.“

    Wichtig sei es jedoch, sich dabei an Regeln zu halten. Diese würden, hat May festgestellt, gerade in Diskussionen um alte Begriffe und deren Verwendung im aktuellen Sprachgebrauch häufig missachtet. In einigen Bereichen entwickele sich unsere Gesellschaft weg von einer Streit- und hin zu einer Empörungskultur. „Die Diskussion ist dadurch oft nicht mehr argumentativ.“

    Sprache in Märchen der Gebrüder Grimm ist "gruselig"

    Medienwissenschaftlerin Maya Götz kann das bestätigen. Sie beschäftigte sich in einer groß angelegten Studie mit der Bedeutung alter Märchen für heutige Kinder. „Die bekanntesten Märchen, die wir heute noch kennen, stammen von den Brüdern Grimm“, erklärt sie. Die darin verwendete Sprache und die vermittelten Bilder der Erzählungen seien allerdings schon zu ihrer Zeit „gruselig und zu anspruchsvoll für Kinder“ gewesen.

    Götz meint daher: „Man müsste heute fast alle Märchen anpassen.“ Denn von vielen Formulierungen fühlten sich Menschen heutzutage verletzt. Dass Astrid Lindgren Pippi Langstrumpfs Vater beispielsweise immer wieder als „Negerkönig“ bezeichnete, sei „nicht mehr hinnehmbar“. Dennoch müsse man jeden Text stets im kulturhistorischen Zusammenhang sehen.

    Text von "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" ist nicht mehr zeitgemäß

    Andrew Onuegbu wundert sich über die deutsche "Sprachpolizei".
    Andrew Onuegbu wundert sich über die deutsche "Sprachpolizei". Foto: Onuegbu

    „Märchen sind ein wichtiger Teil unserer Kultur“, sagt sie. In den Geschichten stecke eine Menge tief greifender Moral. Die Botschaft der Liedzeile „Sonst wird dich der Jäger holen, mit dem Schießgewehr“, die in Limburg für Aufregung sorgte, laute, so Götz: „Wenn du etwas Falsches tust, wirst du bestraft.“ Dass der Liedtext an sich heute nicht mehr zeitgemäß sei, sei „sehr deutlich“. Und dennoch sei seine Botschaft nach wie vor aktuell. Das macht es auch so schwer, damit vernünftig umzugehen.

    Wie man damit umgehen kann, zeigt Andrew Onuegbu. Seit zehn Jahren betreibt der Nigerianer sein Restaurant „Zum Mohrenkopf“ in Kiel. „Hallo, hier ist der schwarze Mann“, meldet er sich am Telefon. Seit im Sommer 2015 einige Medien auf den Namen seines Lokals aufmerksam wurden, werde er auch von Gästen dafür immer wieder heftig kritisiert. „In Deutschland gibt es die Sprachpolizei“, sagt Onuegbu. Und die sei nur daran interessiert, sich über Begriffe wie „Mohr“ oder „Mohrenkopf“ aufzuregen. „Dabei finde ich das überhaupt nicht rassistisch“, erklärt er. Der Begriff „Mohr“ sei für ihn sogar positiv besetzt: „Der Mohr stand im Mittelalter als Auszeichnung für gute Küche.“

    Das "Drei Mohren" hatte noch nie Probleme wegen seines Namens

    Auch der Leiter des Augsburger Hotels „Steigenberger Drei Mohren“, Theodor Gandenheimer, sieht den Begriff positiv: „Wir hatten noch nie Probleme mit dem Namen unseres Hotels.“ Vielmehr stehe er für die lange Tradition des Hauses und leite sich vermutlich vom heiligen Mauritius ab, sagt er. Rassismus sei keine Frage einzelner Wörter im Sprachgebrauch.

    Hatte laut eigenen Angaben noch nie Probleme wegen seines Namens: Das Augsburger Hotel "Steigenberger Drei Mohren".
    Hatte laut eigenen Angaben noch nie Probleme wegen seines Namens: Das Augsburger Hotel "Steigenberger Drei Mohren". Foto: Alexander Kaya, Archivfoto

    Dennoch meint Onuegbu: „Ich möchte mit dem Namen meines Restaurants doch niemanden verletzen.“ Der Nigerianer rät in der Diskussion um politisch korrekte Sprache zu mehr Gelassenheit. Viele Deutsche hätten ständig Angst, etwas Falsches zu sagen. Das Problem liege jedoch tiefer: „Rassismus ist in den Köpfen.“ Wer im Umgang mit anderen nicht zwischen heller oder dunkler Haut unterscheide, der werde auch nicht plötzlich zum Rassisten, wenn er eine Packung Mohrenköpfe aus dem Supermarktregal nehme.

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