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Ärger: Immer diese Warterei! Was ein Experte in diesen Situationen rät

Ärger

Immer diese Warterei! Was ein Experte in diesen Situationen rät

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    Das kennen viele: das meist lästige Warten im Wartezimmer eines Arztes. Und wehe, es kommt noch einer vor mir dran, der nach mir kam...
    Das kennen viele: das meist lästige Warten im Wartezimmer eines Arztes. Und wehe, es kommt noch einer vor mir dran, der nach mir kam... Foto: Sergiogen Adobe Stock (Symbolbild)

    Darauf können Sie lange warten. Das mit dem Warten hat kein Ende. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Weil das nicht klappt mit der Organisation einer Massengesellschaft so ganz ohne Leerlauf. Sagt Andreas Göttlich. Und der muss es wissen. Er ist ein Experte fürs Warten. Beschäftigt sich der promovierte Soziologe an der Universität Konstanz doch schon seit Jahren mit einem der größten täglichen Ärgernisse: dem offensichtlich sinnbefreiten Herumsitzen in Wartezimmern und Behörden, auf Bahnhöfen, an Flughäfen oder dem Warten an Kassen.

    Da kann dann der ein oder andere schon mal ausflippen, grantig werden, laut nachhaken, warum das hier wieder so lange dauert. Dass der eine die Zwangspause gelassener erträgt als der andere, erklärt Göttlich zum einen mit dem individuellen Charakter. Zum anderen sei entscheidend, ob man sich freiwillig in die Lage, also die Warteschlange, manövriert habe, und ob man sich sogar darauf einstellen und wappnen konnte. Ist Letzteres der Fall – und man weiß beispielsweise, dass man beim Arzt immer etwas sitzt –, kann man ein spannendes Buch mitnehmen. Oder sein allzeit griffbereites Smartphone zücken und in Ruhe Mails checken. Entsteht so das Gefühl, sinnvoll die kostbare, unablässig ablaufende Lebenszeit zu nutzen, ist von lästiger Wartezeit kaum noch die Rede. Man macht ja was.

    Doch apropos Wartezimmer: Erweckt die Arzthelferin beim Aufrufen der Patienten den Eindruck, dass nicht nach der eingetroffenen Reihenfolge, sondern nach anderen Kriterien (Privatpatienten first?) behandelt wird, kann nach Einschätzung von Experte Göttlich schnell Schluss sein mit der entspannenden Lektüre. Geht es hier etwa ungerecht zu? Wird jemand bevorzugt? „Wenn Wartende etwas nicht vertragen, dann Ungerechtigkeit“, sagt Göttlich. Das geht gar nicht.

    Warten hat auch etwas Gutes - wirklich

    Doch ist es nicht auch schon vorgekommen, dass man selbst der Bremsklotz war und andere wegen einem warten mussten? Als Notfall beim Arzt eingeschoben. Mit der Arbeit nicht wie verabredet fertig geworden. Sich verplaudert...

    Überhaupt: Warten hat auch etwas Gutes. Wirklich. Psychologen haben längst den Wert der Geduld erkannt. So sei es wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder, die früh diese Disziplin erlernen und sich selbst kontrollieren können, später beruflich erfolgreicher, emotional stabiler und sozial kompetenter sind. Wie man Kindern Geduld beibringt, darüber schweigt sich der Soziologe allerdings aus. Dafür rät er dazu, die jetzige Zeit, den Advent, zu nutzen, die schönen Seiten des Wartens zu genießen. Schließlich ist er überzeugt davon, dass ein gewisses Verlangen nach Entschleunigung bei vielen Menschen da ist. „Und von der Idee her ist der Advent eine geeignete Zeit dazu.“ Damit es gelingt, müsse man sich aber ganz bewusst von der „überbordenden Aktivität“ mit all den Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmarktbesuchen und dem Einkaufsstress freimachen.

    Der Soziologe und Warte-Experte Andreas Göttlich rät dazu, den Advent zu nutzen und die schönen Seiten des Wartens sich bewusst zu machen und sie zu genießen.
    Der Soziologe und Warte-Experte Andreas Göttlich rät dazu, den Advent zu nutzen und die schönen Seiten des Wartens sich bewusst zu machen und sie zu genießen. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Dafür ist, wer warten kann, im Vorteil: „Denn auch für die psychische Gesundheit ist es wichtig, warten zu können“, betont Göttlich. Schließlich gehöre Warten zum Menschsein dazu. Abhängigkeiten von anderen Menschen, aber auch von der Technik könnten ja nie ganz ausgeschlossen werden. Und man denke nur daran, dass auch bei manchen Erkrankungen vor allem Geduld gefragt ist. Also ruhig mal das Warten ein bisschen üben. Etwa beim Warten in einer ansprechenden Umgebung bewusst den Kopf heben. Das Smartphone aus lassen. Sich umsehen. Mal nichts tun.

    Wenn aus Warten Vorfreude wird

    Wer immer noch nicht glaubt, dass Warten etwas Wunderbares sein kann, der sei daran erinnert, wie schön es ist, darauf zu warten, dass das Kind auf die Welt kommt. Dass man einen geliebten Menschen trifft. Dass man in Urlaub fährt. Dass man Freunde sieht. Dann ist es Vorfreude, die schönste Freude. Und man wartet gerne. Auch länger.

    Warten kann auch Vorfreude sein - etwa, wenn man auf die Geliebte wartet.
    Warten kann auch Vorfreude sein - etwa, wenn man auf die Geliebte wartet. Foto: Roland Weihrauch, dpa
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