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"Männerschnupfen": Leiden Männer bei Erkältungen wirklich mehr?

"Männerschnupfen"

Leiden Männer bei Erkältungen wirklich mehr?

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    Wenn Männer krank sind, brauchen sie oft mehr Zuwendung. Doch, ob sie wirklich öfter krank werden, ist unter Medizinern umstritten.
    Wenn Männer krank sind, brauchen sie oft mehr Zuwendung. Doch, ob sie wirklich öfter krank werden, ist unter Medizinern umstritten. Foto: Thinkstock (Symbolbild)

    Verstopfte Nase? Schwere Entzündung der Nebenhöhlen. Husten? Vermutlich Tuberkulose. Fieber? Malaria! So scheint zumindest in der Herrenwelt die gängige Diagnose bei einer ganz normalen Erkältung zu sein. Der quälend wirkende Männerschnupfen – oder in seiner schlimmsten Form, die Männergrippe – sorgt in der Frauenwelt meist nur für genervtes Augenrollen. Doch was ist dran am Männerschnupfen? Werden Männer öfter und stärker krank als Frauen?

    Dazu gibt es in der Medizin unterschiedliche Auffassungen. Für die Männerwelt bricht ausgerechnet eine Frau die Lanze. Beatrix Grubeck-Loebenstein ist Immunologin an der Universität Innsbruck. Und für sie steht fest: Männer werden häufiger krank als Frauen. Gegenüber Pressevertretern erklärte sie kürzlich: "Grob vereinfacht lässt sich feststellen, dass Männer durch die Unterschiede in der Immunantwort häufiger krank werden können als Frauen."

    Frauen haben einen Vorteil bei Grippe und Erkältung: Östrogen

    Auch eine aktuelle Studie scheint dies zu bestätigen: Demnach erkranken in Europa Männer 1,3 Mal häufiger an der Grippe als Frauen. Die Erklärung hierfür liegt nach Ansicht von Grubeck-Loebenstein im Immunsystem. Dringen Krankheitserreger in unseren Körper ein, so werden sie von Immunzellen bekämpft. Dabei wird unterschieden zwischen spezifischen und unspezifischen Immunzellen. Spezifische Immunzellen sind im Körper rar, aber sie sind im Kampf gegen einen bestimmten Erreger besonders wirksam. Bei einer Grippe sind daher spezifische Immunzellen gegen Grippeviren in unserem Körper unterwegs und bekämpfen den Erreger. Bei einer anderen Infektion kommen andere spezifische Immunzellen zum Einsatz.

    Grubeck-Loebenstein hat in ihrer Forschungsarbeit herausgefunden, dass Frauen hierbei einen entscheidenden Vorteil haben: ihre Hormone. Das weibliche Hormon Östrogen fördert die Vermehrung von spezifischen Immunzellen – im Gegensatz zum männlichen Hormon Testosteron. Im ganzen Land gaben Zeitungen, Radio- oder TV-Sender daher bekannt: Den Männerschnupfen gibt es wirklich. Also alles gut, bleibt das starke Geschlecht auch das starke Geschlecht?

    Der Männerschnupfen als soziokulturelles Phänomen

    In der Medizin sind nicht alle dieser Meinung. Einer davon ist Rainer Kuhn, ärztlicher Direktor und Chefarzt am Klinikum für Innere Medizin am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt. Geht es um den Männerschnupfen oder die Männergrippe, will er "gewisse immunologische Differenzen" nicht verneinen. Aber: "Ich bin der festen Überzeugung, dass hier der Unterschied marginal ist." Vielmehr sei der Männerschnupfen für ihn ein soziokulturelles Phänomen.

    In diese Kerbe schlägt auch Hartwig Klinker, Grippeexperte und Leiter des Fachbereichs Infektiologie am Universitätsklinikum Würzburg. "Tatsächlich erkranken in Deutschland Frauen sogar etwas häufiger an der Grippe als Männer", erklärt der Fachmann und beruft sich dabei auf Zahlen des Robert-Koch-Institutes. Die Zahlen sind schwankend und unterscheiden sich nur minimal, geben dem Mediziner aber Recht.

    Woher also kommt der Mythos vom Männerschnupfen? Psychologisch betrachtet stelle der Mann sein Leiden zur Schau, erklärt der Bad Neustädter Mediziner Kuhn. Für ihn ein Akt der Regression, dem Rückfall in kindliches Verhalten: "Wir wollen auf den Mutterschoß zurück und getröstet werden." Er spricht vom Phänomen des "sekundären Krankheitsgewinns". Das heißt, Männer wollen positive Dinge aus der Erkrankung ziehen, nämlich Zuwendung und Beachtung. Für Kuhn ist dieses Verhalten ein Ergebnis der Sozialisation von Männern. Nicht nur in seinem Jahrgang, auch heute noch sei der Erziehungsansatz "Ein Indianer kennt keinen Schmerz!" weit verbreitet. Dies hätte natürlich auch negative Auswirkungen für Männer: "Frauen haben ein unverkrampftes Verhältnis zu ihrem Körper", erklärt Kuhn. Männer würden hingegen gesundheitliche Probleme verdrängen, seien verkrampft und auch ein wenig irrational. Das erlebe er auch in der eigenen Klinik. Zum Beispiel würden Frauen zu 50 Prozent häufiger an der Darmkrebsvorsorge teilnehmen. Auch was die Intensität oder das Leiden angeht, sieht Kuhn bei einer Erkältung oder der Grippe keine Unterschiede: "Bei einem ordentlichen Rotz gibt es zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied. Es geht den Männern auch nicht schlechter als Frauen."

    Tipp bei "Männergrippe": Erstmal die Hausmittel der Großmutter versuchen

    Generell sollten nach Ansicht des Experten "Allerweltsphänomene" wie die Erkältung nicht hochstilisiert werden. Wenn also jemanden eine fiese Erkältung oder die Grippe erwischt, muss man nicht sofort ins Krankenhaus rennen: "Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen um Mitternacht in die Notaufnahme kommen und sagen 'Ich hab' so Halsweh'", erzählt Kuhn mit einem heftigen Kopfschütteln. Und das betrifft nicht nur die Herren der Schöpfung. Er mahnt daher einen rationaleren Umgang mit Erkrankungen an.

    Sein Tipp bei Erkältungen: Erst mal die alten Hausmittel der Großmutter versuchen. Ein heißer Wickel; gurgeln mit Salzwasser oder Tee; Salz, Salbei oder Kamille inhalieren. Ähnlich sieht es auch Grippe-Experte Klinker bei der Influenza. Wenn es einen erwischt, erst mal zu Hause bleiben und ausruhen. Auch er empfiehlt Hausmittel wie Inhalieren: "Diese Maßnahmen verschaffen in der Regel Linderung und wirken Komplikationen entgegen." Außerdem solle man viel trinken und für eine freie Nase sorgen - für einige Tage auch mit Nasenspray. Denn die Luft wird beim Einatmen durch die Nase besser angewärmt und angefeuchtet, für die geschundenen Atemwege bei einer Grippe ein Segen. Sind die Beschwerden nicht auszuhalten oder das Fieber hoch, sollte man zum Hausarzt gehen. Für gefährdete Patienten gibt es auch Virustatika, die gegen den Grippe-Erreger helfen. Doch diese müssen ganz am Anfang der Infektion verabreicht werden. Antibiotika sind keine Hilfe im Kampf gegen die (Männer-)Grippe.

    Das müssen Sie über Grippe wissen

    Grippe oder Influenza ist mehr als eine ganz normale Erkältung.

    Eine normale Erkältung - oder eben grippaler Infekt - äußert sich durch Husten, Schnupfen, Müdigkeit, Kopfschmerzen und leichtem Fieber.

    Gewöhnlich ist eine Erkältung nach etwa einer Woche wieder verschwunden.

    Von einer echten Grippe spricht man dann, wenn die Erkrankung durch das Influenza-Virus ausgelöst wurde.

    Übertragen wird das Grippevirus von Mensch zu Mensch über Tröpfcheninfektion.

    Typisch für eine Influenza ist - im Vergleich zu einer gewöhnlichen Erkältung zum Beispiel - der plötzliche Beginn mit schwerem Krankheitsgefühl und hohem Fieber.

    Grippewellen kursieren in der Regel acht bis zehn Wochen lang.

    In Deutschland sterben jährlich mehrere Tausend Menschen an Influenza.

    Im Winter sind Grippeviren noch aggressiver als sonst: "Influenzaviren sind besonders stabil, wenn es kalt und trocken ist", sagt Glasmacher.

    Gegen die echte Influenza kann man sich impfen lassen. Weil sich die Viren ändern, muss man den Impfschutz aber jedes Jahr erneuern

    Antibiotika helfen übrigens nicht gegen eine Grippe. Denn sie können nur Bakterien bekämpfen, nicht aber Viren.

    Nach ein paar Tagen hat man es auch geschafft, selbst bei der Influenza: "In der Regel dauert es ungefähr eine Woche. Und wenn man es behandelt, sieben Tage", erklärt Grippe-Experte Klinker mit einem Lächeln. Also hilft letztendlich nur Geduld beim Auskurieren - egal ob Mann oder Frau. Vielleicht schaffen es Männer ja schon nach sechs Tagen, wenn sie getröstet und umsorgt werden.

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