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Protestaktion: Rentner besetzen Berliner Villa

Protestaktion

Rentner besetzen Berliner Villa

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    In Berlin besetzen mehrere Rentner eine Villa. Sie wehren sich mit der Aktion dagegen, dass ihr Seniorenklubhaus verkauft wird.
    In Berlin besetzen mehrere Rentner eine Villa. Sie wehren sich mit der Aktion dagegen, dass ihr Seniorenklubhaus verkauft wird. Foto: Markus Heine, dpa

    Seit kurzem besetzen Senioren eine Villa in der Stillen Straße iin Berlin-Pankow. Der Grund: Das Gebäude dient ihnen als Freizeitstätte und soll nun verkauft oder verpachtet werden, da der verschuldete Bezirk die Sanierungskosten von rund 2,5 Millionen Euro nicht aufbringen kann. Doch die Rentner wehren sich massiv und verteidigen ihren geliebten Seniorenklub.

    Immer mehr ältere Menschen protestieren

    "Dass Senioren ein Haus besetzen, ist für uns auch neu", sagt der stellvertretende Bezirksbürgermeister Jens-Holger Kirchner (Grüne). Dabei waren bei Protestaktionen in der jüngsten Vergangenheit, wie zum Beispiel Stuttgart 21, immer mehr ältere Menschen beteiligt. Sie wollen sich nicht mehr alles gefallen lassen, sondern für ihre Rechte kämpfe. Deshalb haben sie die Villa besetzt und draußen Plakate aufgehängt.

    Drinnen ist einiges los. Besucher tragen sich in die Unterstützerlisten ein. Manche Frauen geben Interviews, andere kochen Kaffee. In der Küche stapeln sich Kartoffeln, Pilze und weitere Spenden. "Morgens haben uns Nachbarn auch schon Brötchen und Eier gebracht, andere kamen mit Pralinen – Nervennahrung", sagt Brigitte Klotsche. Sie ist 73 und ebenfalls in den Klub gezogen. Neben den sechs aktiven Besetzern kommen täglich bis zu 40 Helfer.

    Hausbesetzung als letzter Ausweg

    Dass sie ein Haus besetzen werde, habe sie sich nicht vorstellen können, meint die ehemalige Kita-Chefin Klotsche. Aber weil Pfeifkonzerte, Demonstrationen und Gespräche mit Politikern keine Wirkung zeigten, hätten die Senioren keinen anderen Ausweg mehr gewusst. "Wir sind vorsichtshalber kurz vor dem Schließungstermin hier eingezogen, damit sie nicht einfach die Schlösser austauschen können."

    Mit ihrem Ehemann Peter und ein paar anderen Rentnern campiert sie nun dort, wo sonst ungefähr 300 Senioren pro Woche Canasta spielen, singen, tanzen oder Sprachen lernen. "Campingliegen und Isomatten - da fällt das Aufstehen schon manchmal schwer", gibt der 72-jährige Peter Klotsche zu. Für den Klub nehme er aber auch Schmerzen in Kauf. Seit 14 Jahren nutzen Seniorengruppen dieses Gebäude. Eine Aufteilung auf andere Einrichtungen komme nicht infrage. "Wir wollen zusammenbleiben", sagt er.

    Bürgermeister: "Räumen werden wir aber auf keinen Fall"

    Der stellvertretende Bezirksbürgermeister verdeutlicht allerdings, dass Bezirksamt und -parlament das Aus bereits beschlossen hätten. Was jetzt mit den Senioren geschehen soll, sei noch nicht klar. "Räumen werden wir aber auf keinen Fall". Am Dienstag sollte im Bezirksamt darüber beraten werden. Die zuständige Stadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) erklärt die Schließung mit Sparzwängen. Das Haus benötige einen behindertengerechten Zugang und einen zweiten Fluchtweg.

    Die Kosten für die Sanierung schätzt sie auf circa 2,5 Millionen Euro, die der verschuldete Bezirk jedoch nicht habe. Die 60 000 Euro für den Unterhalt müssten ebenfall eingespart werden. Da es für Rentner fußläufig auch andere Angebote gebe, sei die Wahl auf diesen Klub gefallen. Wie viel Geld das Grundstück in der Top-Lage bringen könnte, wissen die Stadträte nach eigenen Angaben nicht. Vom Verkaufserlös würde der Bezirk 20 Prozent erhalten.

    Die Senioren erhalten Unterstützung von anderen Initiativen

    Die Senioren wollen aber nicht gehen. Unterstützung bekommen sie auch von anderen Initiativen, die sich gegen Verdrängung aus den Kiezen und hohe Mieten zur Wehr setzen. Alexander Kaltenborn von der Kreuzberger Bewegung "Kotti & Co." kündigt an: "Wir haben die Senioren schon besucht und planen mit ihnen eine größere Aktion." Er finde es "überraschend" und "bemerkenswert", dass die ältere Generation nun ebenfalls aufwache und protestiere. Das Ehepaar Klotsche hat die Hoffnung, "dass auch andere Senioren, die sich sonst nicht trauen würden, den Mut finden, für ihre Interessen zu kämpfen".  AZ

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