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Kinokritik: "Schneemann": Herzkalte Finsternis in verschneiter Kulisse

Kinokritik

"Schneemann": Herzkalte Finsternis in verschneiter Kulisse

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    Harry Hole (Michael Fassbender) und Katrine Bratt (Rebecca Ferguson) in "Schneemann". Der Film kommt am 19. Oktober in die deutschen Kinos. Die Kritik.
    Harry Hole (Michael Fassbender) und Katrine Bratt (Rebecca Ferguson) in "Schneemann". Der Film kommt am 19. Oktober in die deutschen Kinos. Die Kritik. Foto: Jack English, dpa

    „Tut mir leid, dass die Mordrate in Oslo so niedrig ist, aber Sie müssen trotzdem zur Arbeit erscheinen“, sagt der Dezernats-Chef zu seinem besten Ermittler Harry Hole (Michael Fassbender). Wie sich das für einen Kommissar in einem skandinavischen Krimi gehört, ist Hole ein Wrack von einem Mann. Mit einer geleerten Flasche Wodka neben sich wacht er morgens in einer Spielplatzhütte auf und wird, während er davonschwankt, von jungen Müttern kritisch beäugt. In seiner Wohnung stemmt gerade ein Bauarbeiter in Schutzkleidung die verschimmelten Innenwände auf. Natürlich gibt es auch eine Ex (Charlotte Gainsbourg), die weiß, dass er nicht gut für sie ist und ihm dennoch ein wenig hinterhertrauert, sowie einen Stiefsohn, der in ihm den Vater sieht, der er nicht sein kann.

    "Schneemann" im Kino: Michael Fassbender als Harry Hole

    Harry Hole gehört zu den bekanntesten Ermittlern im nordischen Krimi-Universum. Bisher elf Romane hat der norwegische Autor Jo Nesbø dem trunksüchtig-genialen Kommissar gewidmet und damit mehr als genug Material für ein vielversprechendes Kino-Franchise geliefert. Anders als bei den Stieg-Larsson-Verfilmungen wollte man nicht warten, bis die Skandinavier selbst zur Kamera greifen, sondern legte den Stoff mit einer britisch-schwedisch-amerikanischen Koproduktion gleich als englischsprachiges Projekt für den internationalen Markt an. Mit Michael Fassbender konnte man einen erstklassigen Star unter Vertrag nehmen, der es sichtbar genießt, der Superhelden-Stigmatisierung der „X-Men“-Filme zu entkommen.

    Ob seinem Kommissar Hole jedoch der gleiche Erfolg wie Magneto beschienen sein wird, darf entschieden bezweifelt werden. Der schwedische Regisseur Tomas Alfredson, der mit der John-le-Carré-Adaption von „Dame, König, As, Spion“ das Genre des Spionagethrillers gründlich ausmaß, jongliert hier etwas unfokussiert mit den verschiedenen, ineinander verschränkten Erzählebenen der Vorlage.

    Eine Mordserie weckt Kommissar Hole aus seiner beruflichen Lethargie. Die Opfer sind allesamt Mütter oder werdende Mütter unehelicher Kinder und vor dem Haus hinterlässt der Täter in guter, alter, psychopathischer Tradition einen frisch gebauten Schneemann mit einem Mund aus Kaffeebohnen. Die aus Bergen versetzte Ermittlerin Katrine Bratt (Rebecca Fergusson) sieht in den Morden ein Muster, das ihr aus ihrer nordnorwegischen Berufspraxis bekannt vorkommt. Schon bald findet Hole heraus, dass die Kollegin weit über das professionelle Maß hinaus in den Fall involviert und auch er ins Visier des Täters geraten ist. Die Spuren führen ganz nach oben zu dem Großindustriellen Arve Støp (J.K. Simmons), der Oslos Bewerbung für die Winterolympiade vorantreibt und gern Handyfotos von verängstigten, jungen Frauen schießt.

    Kritik zu "Schneemann": Der Plot nimmt keine Fahrt auf

    Typisch Nordic-Noir, beschwört auch Alfredson in „Schneemann“ die herzkalte Finsternis, die sich hinter der sauber verschneiten Kulisse skandinavischer Gesellschaften verbirgt. Allerdings gelingt es ihm nicht, jene stilvoll-nihilistische Atmosphäre zu kreieren, die andere Genrewerke prägte. Trotz einer bis in die Nebenrollen hinein hochkarätigen Besetzung scheinen die Figuren neben- und nicht miteinander zu agieren, nimmt der verschlungene Plot keine Fahrt auf, bleibt der beschworene Suspense eher filmische Behauptung. Gerade in den deutlich gezeigten Mordszenen, in denen der Täter mit einer elektrischen Drahtschlinge Köpfe und Körperteile abtrennt, hätte man mit Andeutungen deutlich mehr Spannung erzeugen können.

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