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Ehrenamt: Schöffen: Richter ohne Roben

Ehrenamt

Schöffen: Richter ohne Roben

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    Die Schöffen nehmen neben den Richtern Platz.
    Die Schöffen nehmen neben den Richtern Platz. Foto: Friso Gentsch, dpa (Archiv)

    Manche Verhandlungen kann Hansjörg Bürzle nicht vergessen. Der erste Fall von sexuellem Missbrauch, den er vor Gericht mitverhandelte, ist einer davon – auch, wenn er inzwischen schon fast zehn Jahre zurückliegt. „Es war sehr schwer herauszukriegen, wo die Wahrheit liegt“, erinnert sich der 53-Jährige, der seit Jahren als Schöffe am Amtsgericht Memmingen tätig ist. Das liegt daran, dass wie so oft in diesen Fällen Aussage gegen Aussage steht, dass es keine Zeugen gibt. Und dann sind es auch die Taten selbst, die Bürzle zusetzen, die Schilderungen, die Abgründe, in die man blickt. Trotzdem sagt Bürzle: „Diese Gedanken muss man im Sitzungssaal lassen.“

    Schöffen: Amtszeit dauert fünf Jahre

    Bürzle urteilt zusammen mit einem hauptamtlichen Richter und einem weiteren Schöffen auch über andere Delikte – Körperverletzung etwa, Diebstahl, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Und das, obwohl der Mann aus Boos im Unterallgäu kein Jurastudium vorweisen kann. „Das ist auch so gewollt“, erklärt der Selbstständige. „Schöffen sollen die Erfahrungen des täglichen Lebens mit einbringen.“ Sie sind Mittler zwischen Volk und Justiz, Richter ohne Roben.

    Fünf Jahre dauert die Amtszeit eines Schöffen. Für Bürzle ist es bereits die zweite am Memminger Amtsgericht. Derzeit werden wieder Schöffen gesucht, die neue Amtszeit beginnt im Januar 2019.

    Bundesweit gibt es nach Auskunft der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen (DVS) rund 100000 ehrenamtliche Richter. Etwa 60000 von ihnen sind Amts- und Landgerichten zugeteilt, darunter rund 20000 als Hilfsschöffen, die nur als Ersatz einspringen. Andere Laienrichter kommen an Verwaltungs-, Handels-, Arbeits- und Sozialgerichten zum Einsatz. Ein kleiner Teil ist an Finanz- und Landwirtschaftsgerichten tätig.

    Die Kommunen suchen derzeit Ehrenamtliche für ihre Vorschlagslisten, aus denen Schöffenwahlausschüsse an Gerichten die Laienrichter auswählen. Der DVS-Vorsitzende Andreas Höhne sagt: „In Großstädten wie Magdeburg, Erfurt und Dresden gibt es Probleme, genug Leute zu finden.“ In der Region sieht es derzeit nicht danach aus. Zumindest gab es bei der letzten Wahl keine Probleme, genügend Schöffen zu finden. Andernfalls können Kandidaten auch zufällig ausgewählt und gegen ihren Willen zum Schöffen gekürt werden: „Das ist ihrer Motivation natürlich nicht zuträglich“, sagt Höhne.

    Wer sich als Schöffe bewerben kann

    Bewerben kann sich jeder deutsche Staatsbürger zwischen 25 und 69 Jahren. Es scheidet aus, wer schon einmal selbst zu mehr als sechs Monaten Haft verurteilt worden ist oder im Fokus von Ermittlungen steht. „Am Anfang hat man schon einen gewissen Respekt vor dieser Aufgabe“, sagt Bürzle, der Memminger Laienrichter. Respekt vor der Verantwortung, Respekt davor, dass man über das Wohl und Wehe von Angeklagten entscheidet. Denn die Stimme des Schöffen hat ebenso viel Gewicht wie die des Richters. Die Laien dürfen selbst Angeklagte und Zeugen befragen. Viele flüstern allerdings lieber dem Vorsitzenden ihre Fragen zu. Akteneinsicht bekommen sie nicht – sie sollen unbefangen urteilen.

    DVS-Chef Höhne erinnert sich an den Fall eines Vaters, der vor dem Amtsgericht Nordhausen in Thüringen wegen sexueller Belästigung seiner Tochter angeklagt war – nach einer Anzeige seiner mit ihm streitenden Frau. Der Schöffe Höhne berichtet, seine Fragen an die Tochter hätten die Vorwürfe als Lügengebäude entlarvt: „Ich konnte dazu beitragen, dass der unschuldige Vater nicht verurteilt wurde.“

    Hansjörg Bürzle aus Memmingen hat im Schnitt einen Verhandlungstag pro Monat. Am Amtsgericht sind viele Prozesse schnell abgehandelt. Tatsächlich gibt es aber auch andere Fälle, wie am Landgericht Rostock, wo eine Schöffin 150 Tage in einem Verfahren wegen Wirtschaftskriminalität gesessen hat. Arbeitgeber sind verpflichtet, Schöffen freizustellen. Für ihr Ehrenamt bekommen die Laienrichter eine Fahrtkostenerstattung und eine kleine Entschädigung. Bürzle winkt ab. Das ist es nicht, was für ihn zählt. „Es ist eine wichtige Aufgabe, die man in unserer Gesellschaft erbringen muss.“ (mit dpa)

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