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Boston Marathon-Attentat: Schuldig! Jetzt droht dem Bombenleger die Todesstrafe

Boston Marathon-Attentat

Schuldig! Jetzt droht dem Bombenleger die Todesstrafe

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    Eine Zeichnung zeigt Dzhokhar Tsarnaev (2. v.l.) und seine Verteidiger im Gericht. Ihm droht nach dem Attentat auf den Boston Marathon die Todesstrafe.
    Eine Zeichnung zeigt Dzhokhar Tsarnaev (2. v.l.) und seine Verteidiger im Gericht. Ihm droht nach dem Attentat auf den Boston Marathon die Todesstrafe. Foto: Jane Flavell Collins/dpa

    Das Verfahren gegen den Bostoner Bombenleger Dschochar Zarnajew tritt in seine entscheidende Phase: Nach einem lang erwarteten Schuldspruch am Mittwoch (Ortszeit) will die Verteidigung von kommender Woche an um das Leben ihres Mandanten kämpfen.

    Zarnajew ist von einer Jury in allen 30 Anklagepunkten für schuldig befunden worden.Der 21-Jährige hat während des bisherigen Verfahrens keine Gemütsbewegung gezeigt und wich davon auch während der Urteilsverkündung nicht ab, die der dicht gefüllte Saal im US District Court größtenteils schweigend verfolgte.

    Seit 2001 hat es in den USA keinen schlimmeren Terroranschlag gegeben als die Sprengstoffattacke vom 15. April 2013: Zwei mit Nägeln gefüllte Drucktopfbomben im Zielbereich des Bostoner Marathonlaufs töteten damals drei Menschen und verletzten mehr als 260 zum Teil schwer.

    Drei Tage später brandmarkten Sicherheitsbehörden anhand von Überwachungsbildern Dschochar Zarnajew und seinen sieben Jahre älteren Bruder Tamerlan als Verdächtige. Auf  einer wilden Flucht töteten die beiden tschetschenisch-stämmigen Männer einen Polizisten und verletzten einen zweiten schwer. Tamerlan wurde von Kugeln getroffen und von seinem eigenen Bruder überfahren. Er starb, bevor Dschochar festgenommen werden konnte.

    Die Verteidigung hat dessen Beteiligung nie in Frage gestellt. Sie konzentriert sich auf seine Motive; der Schuldspruch vom Mittwoch war deshalb im Kern eine Formfrage.

    30 Vorwürfe hatten die Strafverfolger gegen Zarnajew erhoben, 17 davon können mit der Todesstrafe geahndet werden. Vielen Beobachter waren erstaunt, dass die Geschworenen geschlagene elfeinhalb Stunden berieten. Nach sieben Stunden stellten sie sogar Rückfragen an das Gericht: Sie baten um genauere Definitionen zu den Begriffen Verschwörung und Beihilfe. Der zweite wird bald eine zentrale Rolle spielen, denn die Verteidigung will zeigen, dass Dschochar stark unter dem Einfluss seines Bruders stand.

    Dass der eigentliche Prozess erst im März begann, liegt unter anderem an der Schwierigkeit, im Großraum Boston genügend Geschworene zu finden. Die Jury musste nicht nur repräsentativ sein für die Bevölkerungsstruktur, sondern auch aus Menschen bestehen, die sich von der medialen Berichterstattung nicht voreingenommen zeigten. Überdies durften sie die Todesstrafe weder generell ausschließen noch von vornherein anstreben.

    Attentat auf Boston-Marathon: Anklage bot 92 Zeugen auf

    Die Verteidigung hatte mehrfach beantragt, das Verfahren in die Hauptstadt zu verlegen, scheiterte aber an Richter George O'Toole. Aus mehr als 1000 Bürgern wurden schließlich sieben Frauen und fünf Männern sowie sechs Stellvertreter bestimmt.

    Die verblüffende Geschwindigkeit, mit der die erste Phase danach vonstatten ging, hat kaum jemand erwartet. Die Strafverfolger boten zwar 92 Zeugen auf, um die Schrecken des Anschlags vor Augen zu führen, außerdem Videos, zerrissene Kinderkleidung, Autopsieaufnahmen und das kugelzersiebte Boot, in dem Dschochar gestellt wurde. Die Verteidigung beschränkte sich aber vorläufig auf vier Zeugen, die unter anderem zu Protokoll gaben, dass auf sichergestelltem Bombenmaterial mehr Fingerabdrücke von Tamerlan gefunden wurden als von Dschochar.

    Es wird erwartet, dass die Verteidigung sehr viel aktiver wird, wenn es nun darum geht,  mildernde Umstände aufzuzeigen. In ihrem Schlussplädoyer am Montag sagte Anwältin Judy Clark bereits, ihr Mandant sei kein Gotteskrieger: Ohne Tamerlan wäre das nicht passiert.

    Staatsanwalt Aloke Chakravarty zufolge haben sich beide Zarnajews als Dschihadisten verstanden, die die USA für den Krieg in Irak und Afghanistan strafen wollten.

    An die Innenwand des Bootes, in dem er festgenommen wurde, hatte der verletzte Dschochar 2013 eine Botschaft gekritzelt:  Die US-Regierung tötet unsere unschuldigen Zivilisten , schrieb er unter anderem.  Als Muslim kann ich so etwas Böses nicht ungestraft lassen.  Später gab er zu Protokoll, die Geschwister hätten vorgehabt, auch in New York City auf dem Times Square Bomben zu zünden.

    In der Schlussphase des Prozesses wird es darum gehen, welche Lesart sich durchsetzt. Der Staatsanwaltschaft zufolge gibt es noch keine konkreten Termine. Im schlimmsten Fall muss Zarnajew mit der Todesstrafe rechnen, das kann die Jury aber nur einstimmig beschließen. Alternativ droht ihm lebenslange Haft ohne Chance auf Begnadigung.

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