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Comics: Von Max und Moritz zum Online-Comic: Die Evolution des Comics

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Von Max und Moritz zum Online-Comic: Die Evolution des Comics

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    Noch immer beliebt: der Comic.
    Noch immer beliebt: der Comic. Foto: David Ebener (dpa)

    Fangen wir mit der Blase an. Zugegeben, hört sich wenig einladend an. Klingt nach Immobilienblase und Pleiten. Nach Luftblasen, die Politiker oft anstelle kluger Ideen rausblasen. Ja, selbst die Sprechblase, die in dieser Geschichte keine unerhebliche Rolle spielt, lässt sich mitunter vom Verstand nicht nachvollziehen. „Onkel Donald, Deine Phantasie schlägt Blasen“, klagen einmal die Entenbrüder Tick, Trick und Track. Die Blase, die mit emotionsgeladenen Symbolen ebenso punktet wie mit den präzisen Genitiven der legendären Duck-Übersetzerin Erika Fuchs.

    Gäbe es die seit langem als kulturelles Phänomen anerkannte Sprechblase nicht, würde der Comic auch nicht existieren. Sagt man so. Aber propagieren Lexika nicht schon seit Jahrzehnten Wilhelm Busch als den Vater der Bildergeschichte, neudeutsch Comic? Allerdings standen die erklärenden Verse der 150 Jahre alten Abenteuer von Max und Moritz noch brav gereimt unter den Zeichnungen.

    "Max und Moritz": Der Ursprung aller Comics?

    Zum Glück scheren sich die Fans nicht um Besserwisser, die triumphierend auf einen Strip der amerikanischen Serie „Yellow Kid“ von 1897 verweisen, in dem ein Papagei eine Plapperblase verpasst bekam.

    Für den Internationalen Comic-Salon in Erlangen sind Max und Moritz so selbstverständlich wie die Existenz von Dagobert Ducks Geldspeicher in Entenhausen. Die deutschen „Oscars“ der Branche heißen darum Max-und-Moritz-Preise.

    Diese Referenz auf die Ursprünge – man könnte meinen, ein zeitloser Zauber wirke hier und sorge nebenbei für ein Riesengeschäft. Tatsächlich aber musste sich die Kunstform Comic immer weiter entwickeln, um ihn zu bewahren, diesen Zauber, um zu überleben – und muss es weiter, um mit dem Wandel der Medien Schritt zu halten, oder ihm etwas entgegenzusetzen.

    Hart erkämpft: Comics erobern Deutschland mit Asterix & Obelix

    Angesichts der Vitalität der Szene, die thematisch soziale Gegenwart, nostalgische Sehnsüchte, Erotik, Horror-Welten und Superman-Wunschträume abdeckt, hat die Max-und-Moritz-Manie der Deutschen etwas Rührendes. Man darf nicht vergessen, dass der Nationalsozialismus, aber auch die Zensur in der DDR eine kontinuierliche Entwicklung des Comic zerstört hatten. Der Zeichner Ralf König, als Autor („Kondom des Grauens“) unverdächtig, der Gemütlichkeit zu frönen, hat 2007 zum 175. Geburtstag von Wilhelm Busch die Problematik in kluge Worte gefasst: „Der Deutsche ist belesen./Denn in der Bildung liegt sein Wesen./Schiller, Heine, Brecht und Kant,/liest man gern im ganzen Land .../Geht’s jedoch um Bildgeschichten,/gilt diese Leidenschaft mitnichten“. Die Kinder, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf Micky Maus, Fix und Foxi stürzten und auch die als „Schund“ geltenden Piccolo-Heftchen (für Nachgeborene: eine Art Flyer-Format) mit Sigurd und Akim verschlangen, haben sich von den pädagogischen Warnungen nicht irremachen lassen. Ralf König beschreibt diese Erwachsenen-Haltung so: „Comics? Die liest der Franzos’/Der Deutsche rümpft die Nase bloß“.

    Bis die frankobelgische Invasion, angeführt von Asterix & Obelix, Lucky Luke, Tim und Struppi sowie Spirou & Fantasio Deutschland erreichte und Millionen Leser östlich des Rheins eroberte. Kein Wunder, dass sich die Filmindustrie der gallischen Helden bemächtigte. Der Heft-Fetischist musste schließlich erleben, dass – beim Teutates! – Gérard Depardieu den Hinkelsteinlieferanten Obelix verunstaltete.

    Comeback für Superman und Co. durch neue Technik

    Jenseits des Atlantiks hatten die Comic-Experten über Jahre hinweg schon die Superstars des Action-Handwerks auf den Heldenfriedhof gekarrt – unter Verweis auf das Ende des Kalten Kriegs und den Zusammenbruch des Kommunismus.

    Irrtum: Superman, Spiderman, Batman und die verwegene X-Men-Truppe feiern unter Einsatz aller logistischen und computergesteuerten Tricks ein Comeback. Längst bilden die Kinofilme die deutlich größere Einnahmequelle. Über „The Dark Knight“ von Christopher Nolan kann man in der Tat nicht meckern, zumal Heath Ledger hier einen der bösartigsten „Joker“ aller Zeiten gab. Wer mag, kann angesichts der Ereignisse in der Ukraine, im Irak und in Syrien wieder einmal die Theorie ins Spiel bringen, dass das Kino seismografisch Entwicklungen vorwegahnt.

    Graphic Novel bringt Comic neue Aufmerksamkeit

    Eigentlich kann der Wandel in der Medienlandschaft auch an der Comic-Szene nicht spurlos vorübergehen. Sinkende Auflagen gedruckter Zeitungen und Zeitschriften bei zunehmender Nutzung des Internets bringen die Produzenten ins Grübeln. Comic Books verkaufen sich zwar besser als die Heftchen, kommen aber bei jungen männlichen Nutzern eher als etwas dröge rüber. Denn viele Computerspiele, in denen Schurken den Weltraum oder finstere Höhlengänge unsicher machen, sind nichts anderes als interaktive Action-Comics.

    So lag es nahe, gerade für die erwachsene Klientel eine Form zu entwickeln, die zwischen dem durch die zeichnerische Gestaltung dominierten Comic Strip, der in seiner Urform ja ein Zeitungsstreifen war, und dem Roman liegt. Zauberwort „Graphic Novel“. Das aus dem Amerikanischen stammende Etikett brachte ab den 90er Jahren dem Comic neue Aufmerksamkeit. Ein starkes, literarisch angelegtes Handlungsgerüst forderte auch eine viel größere Bandbreite der grafischen Ausdrucksmöglichkeiten. Nicht selten werden Panels, also die Einzelbilder im Comic, aufgelöst. In seinem Buch „Der Comic – Geschichte, Comic, Künstler“ hebt Klaus Schikowski die essayistische Mischform hervor. „Dadurch, dass der Text die Funktion der Regie übernimmt, lässt sich das Gesagte auch konterkarieren“, meint Schikowski, der in der Graphic Novel eine Analogie zur Filmsprache sieht. Comic statt Kino?

    Dass ein Comic ohne bewegte Bilder auskommt, liege an dem „selbstbestimmten Schauen“, wie die Sprecherin des Graphic-Novel-Bereichs im Carlsen Verlag, Claudia Jerusalem-Groenewald, meint.„Man kann das Tempo des Begreifens selber bestimmen. Darin sehe ich den Hauptunterschied zum Film.“

    Graphic Novel: Kein thematisch festgelegtes Genre

    Neue Form, andere Inhalte. Beim Comic-Salon in Erlangen fanden kürzlich die Bände über den Ersten Weltkrieg große Beachtung. Was nicht nur am 100. Jahrestag des Ausbruchs lag, sondern dem sehr themenbezogenen Konzept des Genres. Auffällig der Trend zu Biografien berühmter Persönlichkeiten wie Friedrich Nietzsche, Anne Frank oder Johnny Cash – alle mit einer eigenen künstlerisch-individuellen Handschrift. Was sich da zwischen Buchdeckeln findet, ist Welten entfernt von den Fließband-Produktionen italienischer Zeichner, wie sie etwa der Ehapa-Verlag mit den „Lustigen Taschenbüchern“ auf den Markt wirft. Wobei es ein wenig absurd wäre, unter dem nach wie vor marktbestimmenden Signum „Comic“ gleichsam Äpfel und Birnen zu vergleichen.

    In der Tat ist die „Graphic Novel“ schwer zu definieren. Der Zeichner Eddie Campbell kam nach langem Nachdenken zu dem Schluss, dass es sich nicht um ein thematisch festgelegtes Genre, sondern um eine Bewegung von Autoren und Zeichnern handelt. Na ja. Ihren besonderen Reiz beziehen die Comic-Romane, die oft die optische Kraft von Karikaturen atmen, jedenfalls häufig aus ihren politischen Bezügen. Schon fast als Klassiker gilt das auch verfilmte Werk „Persepolis“ von Marjane Satrapi. Darin geht es um die Erinnerungen der Autorin an ihre Jugend im Iran, ihren Protest, die Schwierigkeiten ihrer Ausbildung in Österreich.

    Ein Hauch von TV-„Weltspiegel“, grafisch gestaltet, ist der neue Band „Emilio Tasso“. Mit journalistischen Erzählweisen vereinen Alexander Bühler (Text) und Zaza Uta Röttgers (Zeichnungen) Dichtung und Reportage zu einem Krimi über Atompläne im Kongo. Dagegen taucht der Brite Glyn Dillon mit „Das Nao in Brown“ ins Privatleben einer jungen Illustratorin ab, die an einer Zwangsstörung leidet. Schlüssig, zeichnerisch brillant.

    Online-Comics: Nur Vorzeichnungen auf dem Papier

    Den Kontrast zu den hochwertig ausgestatten Comic-Romanen bildet der großteils kostenlose Webcomic, der seine Nische längst verlassen hat. Am bekanntesten ist Sarah Burrinis Online-Comic „Das Leben ist kein Ponyhof“, das schon als Buch erschienen ist. Die Arbeitsweise ist verlockend: Burrini benutzt nur noch für die Vorzeichnung Papier, der Rest entsteht digital. Viele junge Webzeichner sehen Sarah Burrini als Vorbild. Doch Vernetzung und Solidaritätsaktionen machen noch keinen Web-Star.

    Auch die Etablierten klagen, sehen den Comic, zwischen Literatur und bildender Kunst angesiedelt, durch das Raster der Kulturförderung fallen. Macht Geld bessere Comics? Oder ist Kreativität davon unabhängig? Wie war das gleich wieder mit dem Ponyhof?

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