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Mode: Was Heidi Klum nicht erzählt

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Was Heidi Klum nicht erzählt

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    Julia G. weiß, wie realistisch die Welt von „Germany’s Next Topmodel“ ist. Unser Bild zeigt sie bei einem Fotoshooting in Venedig.
    Julia G. weiß, wie realistisch die Welt von „Germany’s Next Topmodel“ ist. Unser Bild zeigt sie bei einem Fotoshooting in Venedig. Foto: Marcel Mayer

    Julia, Sie sind 26 Jahre alt und seit zehn Jahren Model, wie haben Sie es ohne Castingshow geschafft?

    Ich habe einer Fotografin in Ingolstadt bei ihrer Abschlussprüfung geholfen und so kam eins zum anderen. Ein Scout aus München hat mich angeschrieben und ich bekam meinen ersten Vertrag bei einer Agentur in München. Ich bin da dann so langsam reingerutscht.

    Das war etwa zu der Zeit, als Heidi Klums „Germany’s Next Topmodel“ begann. Haben Sie überlegt, mitzumachen?

    Nein, das kam für mich nie infrage. Ich will mich nicht so in den Mittelpunkt stellen. Ich arbeite gerne im Team, möchte aber nicht alles von mir preisgeben. Es geht nur um Quoten und Produktplatzierungen, das Berufsbild des Models wird nicht richtig dargestellt. Ich glaube, wenn die Mädels sehen würden, wie es wirklich ist – dass man viel warten muss und bei Castings öfter verliert als gewinnt –, würden viele von der Model-Branche wieder Abstand nehmen. Man benötigt ein gutes Selbstwertgefühl, sonst kann man mit der Zurückweisung nicht umgehen. Es wird ja nicht nur deine Leistung beurteilt, sondern auch genetische Eigenschaften, in denen man sich schwer verbessern kann.

    Kann man vom Modeln leben?

    Als Nebenverdienst ist es gut und ab und zu kommt ein guter Job rein, nach dem man sich etwas leisten kann. Aber als Deutscher ist das Gehalt im Verhältnis nicht so, dass man überdurchschnittlich verdienen würde. Für jemanden, der aus Osteuropa kommt, ist es aber natürlich viel mehr Geld. Das muss man ins Verhältnis setzen. Ich war in der chinesischen Vogue und habe dafür 80 Euro bekommen. In Deutschland bekommt man, glaube ich, 120 bis 200 Euro. Davon gehen 30 bis 50 Prozent an die Agentur und am Ende des Tages sind vielleicht 50 Euro verdient. Es gibt wie in jedem Beruf eine hervorragend verdienende Klasse, die sehr, sehr klein ist: die absoluten Topmodels. Dann gibt es eine große Mittel- und Unterklasse, die für mittelviel und wenig Geld arbeitet.

    Werden Castingshow-Teilnehmerinnen in der Branche ernst genommen?

    Als ich angefangen habe, war es verpönt, bei GNTM mitgemacht zu haben. Als Model muss man eine bespielbare Leinwand sein. Und da die Mädels ihren Charakter im Fernsehen schon öffentlich präsentiert haben, ist es für die Kunden schwierig, ein Mädchen, das als Zicke gilt, für eine elegante Marke zu buchen. Aber mittlerweile ist das ganz anders und Social Media ist viel, viel wichtiger geworden. Bei einem Modelaufenthalt in Südafrika wurde ich beispielsweise anfangs gefragt, ob die Agentur auf mein Instagram-Profil zugreifen darf. Da werden deine Follower gecheckt und daran orientiert sich deine Gage.

    Warum sind die Follower wichtig?

    Für die Kunden wird das zunehmend wichtig, da die Social-Media-Kanäle der Models ihnen mehr Reichweite verschaffen.

    Deswegen kann man jetzt, wenn man durch die Show ein bekanntes Gesicht ist, punkten?

    Genau, man hat quasi wahnsinnig viele Follower umsonst und hat jetzt einen Vorteil durch etwas, was früher eher ein Nachteil war.

    Das ist die Kundenseite. Was halten echte Models von den Kandidatinnen?

    Die Typen, die bei der Show mitmachen, sind nicht unbedingt die, die in der realen Welt auch arbeiten würden. Als Model muss man wandelbar sein und zum Teil hätten die Mädels nicht in die Muster der Modedesigner gepasst. Das muss man leider so offen sagen. Außerdem sind es oft nicht die klassisch schönen Mädels, die erfolgreich sind, sondern die Mädchen, die mit Make-up gut aussehen und gleichmäßige Gesichtszüge haben. Die Proportionen und die Arbeitseinstellung sind wichtig, den Rest machen der Fotograf und das Team.

    Haben Sie nach dem Abitur überlegt, Vollzeit-Model zu werden?

    In den Semesterferien war ich Vollzeit-Model, das sind ja doch ein paar Monate mehr im Jahr. Das hat mir gereicht. Es war super, um mir mein Studium mitzufinanzieren. Hätte ich Vollzeit gemodelt, hätte ich mir auch ein gutes Leben leisten können – aber nicht auf Dauer.

    Deshalb studieren Sie Umweltingenieurwesen im Master, davor haben Sie den Bachelor in Geologie gemacht.

    Es war ein großer Kontrast, aber das fand ich immer ganz gut. Wenn man reist, kann man sich auch die Geologie in den Ländern anschauen, das habe ich auch immer gemacht. Mein Master ist außerdem auf Englisch, das internationale Arbeiten ist da natürlich vorteilhaft.

    Sind Sie mit dem Studium die Ausnahme oder setzen die anderen Models auch auf ein zweites Standbein?

    Die Europäerinnen studieren fast alle. Bei den Brasilianerinnen und Osteuropäerinnen war das Modeln schon oft die einzige Karte, auf die gesetzt wurde. Und da hängen dann oft ganze Familien mit dran, das ist ein ganz anderer Druck. Die dürfen dann nicht zunehmen oder schlechte Haut bekommen, sonst hat die Familie daheim kein Geld mehr für den Monat – überspitzt formuliert. Ich habe viele wunderschöne Mädchen kennengelernt. Für manche von ihnen war es ein Rätsel, warum man aus so einem „reichen Land“ kommend Model wird.

    Würden Sie sich rückblickend wieder für eine Modelkarriere entscheiden?

    Ja. Ich habe immer gerne als Model gearbeitet, viel gelernt, viele tolle Menschen und Orte kennengelernt und bin dankbar, diese Chance gehabt zu haben. Interview:

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