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"Tatort Internet": Zu Guttenberg auf Pädophilen-Jagd: Gut gemeint, schlecht gemacht

"Tatort Internet"

Zu Guttenberg auf Pädophilen-Jagd: Gut gemeint, schlecht gemacht

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    Stephanie zu Guttenberg
    Stephanie zu Guttenberg

    Stephanie zu Guttenberg auf Jagd nach Kinderschändern: Mag sein, dassdie Minister-Gattin ihren Auftritt bei RTL II gut gemeint hat. "TatortInternet" war jedoch nur eins: reißerisch und schlecht gemacht.

    "Das Internet - ein Tummelplatz für Pädokriminelle" tönt die düstere Stimme aus dem Off. Es drohten "Gefahren, von denen die meisten Eltern nichts ahnen". Dann folgen Schlagzeilen über Verbrechen, die über das Internet angebahnt wurden. Und schließlich Udo Nagel. Pfeife rauchender Ex-Innensenator in Hamburg. Ex-Polizist aus München. Und jetzt: TV-Kopfjäger.

    "Tatort Internet - Schützt endlich unsere Kinder" heißt das neue Format, das RTL II am Donnerstagabend erstmals ausstrahlt. Es geht um ein ernstes, ein sehr ernstes Thema: um Kindesmissbrauch und die Anbahnung von sexuellem Missbrauch Minderjähriger über das Internet.

    Die freiwilligen Protagonisten: Stephanie zu Guttenberg, selbstbewusste Ehefrau des nicht minder selbstbewussten Bundesverteidigungsministers, und Udo Nagel. Dazu Psychologen, eine aufgeregte Vorzeige-Journalistin - und ein paarPersonenschützer mit Schutzwesten und strengem Blick. Die unfreiwilligen Protagonisten: Männer, die in Chats und sozialen Netzwerken im Internet mit Minderjährigen Kontakte knüpfen - mit sexuellem Hintergrund.

    Das Prinzip des neues RTL II-Format - das auf dem US-Vorbild "To Catch A Predator" beruht - ist stets gleich. Das RTL II-Team stellt in Chats oder sozialen Netzwerken das Profil eines Kindes ein. Wenn sich ein Erwachsener mit dunklen Hintergedanken annähert und ein persönliches Treffen mit dem vermeintlichen Mädchen oder Buben vereinbart, ist die Kamera mit dabei. Erst nur versteckt. Dann kommt eine engagierte Journalistin ins Spiel. Beate Kraft-Schöning konfrontiert den Täter mit Chatprotokollen und Vorwürfen. Begleitet von Kamerateam und "Personenschützern" stellt sie den Verdächtigen dann Fragen wie "Wie wollen Sie das Ihrer Frau erklären?" und schüttelt ungläubig den Kopf, wenn der Ertappte sich in Ausflüchten versucht.

    Ein moderner Pranger in zehn Folgen? Perfekt vorbereitet von "Stern" und "Bild", die dem Fernsehpublikum den "Tatort Internet" schon am Donnerstagmorgen in epischer Breite angekündigt hatten?

    Auch. Tatsächlich ist "Tatort Internet" vor allem genau das geworden, was man befürchten musste: der unglückliche Versuch, ein wichtiges Thema in ein plattes Trash-TV-Format zu pressen.

    Da wechseln wackelig gefilmte Szenen in schnellen Schnitten. Düstere Musik unterlegt unheilvoll die Texte aus den Chats. "Personenschützer" rücken im Kampf gegen die Cyber-Kriminellen ihre Schutzwesten zurecht, während sich die Vorzeige-Journalistin als Inquisitorin betätigt und böse - verfremdete - Sexualtäter mit ihren Machenschaften konfrontiert. Dazu die dunkle Stimme aus dem Off. Das Internet ist böse, sagt sie, ein "Tummelplatz für Pädokriminelle". "Tatort Internet", das ist eine Mischung aus "K11 - Kommissare im Einsatz" und "Cobra 11", vermischt mit der Schein-Seriosität von Sat1-Akte.

    Umso besser, dass die Lösung allen Übels doch so nahe liegt. Stephanie zu Guttenberg heißt sie. Die beliebte Ehefrau unseres beliebten Verteidigungsministers ist nicht nur "33 Jahre alt, Minister-Gattin, Mutter zweier Kinder", sondern auch Vorsitzende einer Vereinigung, die sich gegen Kindesmissbrauch engagiert. Bei "Tatort Internet" darf ihr Udo Nagel als Stichwortgeber dienen. Der sexuelle Missbrauch von Kindern im Internet werde immer schlimmer, sagt Frau zu Guttenberg ernst. Und dass strengere Gesetze nötig seien, um dagegen vorzugehen. So einfach ist das.

    Zumindest bei RTL II.

    Der Hohn der kritischen Fernseh-Gemeinde ist dem Privatsender und der Ministergattin gewiss. Der Kurznachrichtendienst Twitter rauscht am Abend geradezu vor Wortmeldungen zum "Tatort Internet". "Wo ist das Stoppschild, wenn man es mal braucht?!", ätzt da Nutzer PurpeopleEater in Anspielung an die Stoppschilder, mit denen Ministerin Ursula von der Leyen gegen Kinderpornografie im Internet vorgehen wollte. "Die Sendung ist schlecht. Grottenschlecht", vermerkt ein Twitter-Nutzer namens sa7yr. "Ich finde es widerlich, dass so ein ernstes Thema auf so reisserische Art im Fernsehen präsentiert wird!", kommentiert "filmfacts", Und " henningtillmann" meint: "Ich schalte ab. Habe auf VHS noch 3 Std. ARD-Testbild von 1994. Hat mehr Inhalte."

    Inhalte? Nun ja. Gut gemeint, und das war es sicherlich von Stephanie zu Guttenberg, ist eben längst nicht immer auch gleich gut gemacht. Das Thema Kindesmissbrauch, das müssen sich RTL II und die Ministergattin sagen lassen, hätte schlichtweg eine seriösere Aufarbeitung verdient.

    Das neue TV-Format war übrigens kurzfristig ins Programm von RTL II gehoben worden. Die im Anschluss geplante Sendung "Grenzenlos geil! Deutschlands Sexsüchtige packen aus" fiel aus. Sascha Borowski

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