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Leitartikel: Achtung, was hier steht, ist vielleicht nicht politisch korrekt!

Leitartikel

Achtung, was hier steht, ist vielleicht nicht politisch korrekt!

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    Beispiel Nivea: Hersteller Beiersdorf stand nach einem Werbespruch in der Kritik.
    Beispiel Nivea: Hersteller Beiersdorf stand nach einem Werbespruch in der Kritik. Foto: Daniel Bockwoldt, dpa (Symbolbild)

    Weißer als Weiß, das verhieß einmal die Waschmittelwerbung, und auch wenn das natürlich für jeden einsehbarer und deswegen harmloser Unsinn ist, so muss man heutzutage anscheinend doch vor solchen Werbesprüchlein warnen: Denn Weiß ist nicht nur keine Farbe, sondern in Zeiten, in denen alles und jeder auf Political Correctness (PC) geprüft wird, vor allem kein unbelasteter Begriff mehr.

    Dieser Tage wieder mal erfahren musste das Beiersdorf, besser bekannt als Hersteller von Nivea, dieser (Pardon!) urdeutschen Kosmetikreihe mit dem Duft von Freitagabend nach der Badewanne. In einer Kampagne im arabischsprachigen Raum warb der Konzern unlängst mit einem Bild eines brünetten Frauenkopfs von hinten (Hautfarbe nicht ersichtlich) und dem Slogan „White is Purity“, also in etwa „Weiß ist Reinheit“, und was folgte, war sofort der übliche Shitstorm im Netz mitsamt den üblichen Rassismus-Vorwürfen. Und natürlich eine sofortige, pflichtschuldige Entschuldigung des Konzerns.

    Das ist nun nur das jüngste Beispiel einer Entwicklung, in dessen Visier schon vieles geraten ist – bis hin zu Astrid Lindgren, in deren Pippi Langstrumpf nun nicht mehr vom „Negerkönig“ die Rede sein darf. In allen diesen Fällen aber waltet jene Kraft, die stets zunächst das Gute meint und dabei was auch immer schafft, eben jene Political Correctness, politische Korrektheit.

    Die Grenze ist die Würde des Gegenübers

    Damit kein Zweifel aufkommt: Sprache formt natürlich Bewusstsein, zementiert Verhältnisse. Aber gleichzeitig macht Sprache auch frei, ja, ist vielleicht das einzige Reich der Freiheit, das wir Menschen überhaupt besitzen. Man sollte also achtsam damit umgehen, eben darauf achten – und sich deswegen auch nicht so schnell verbieten lassen, was man sagt. Das heißt natürlich nicht, jeden nach Laune irgendwas zu heißen, mit anderen Worten: Die Freiheit der Rede hat eine Grenze in der Würde des anderen, meines Gegenübers.

    Wenn aber diese Würde nur Vehikel ist für ein wie auch immer geartetes Programm, ist sie nicht nur keine mehr, sondern dann rührt das auch an die Grundfesten unserer Gemeinschaft. Zumal: Wer Begriffe eliminiert, statt immer wieder darüber aufzuklären und beispielsweise auf ihre historische Bedingtheit hinzuweisen (was ja nur so lange gelingt, als die Begriffe noch in Büchern und in der Welt), der bereitet erst den Boden für die Geschichtsvergessenen, ja, ermuntert diese sogar. „Neger“– und sei er auch ein König – wird dann erst recht zum lustvoll gebrauchten Schimpfwort, alleine, weil ein Tabu gebrochen.

    Weißer als Weiß wird es so oder so nicht

    Wie auch immer: Letzten Endes bewirkt dieser fast schon savonarolahafte Eifer der Sprachreiniger ja auch schlicht das Gegenteil von dem, was intendiert: Denn nur so ist es möglich, dass ein Mann wie Donald Trump, der bewusst mit allen Regeln der politischen Korrektheit brach, auch so viel mehr an Aufmerksamkeit und Stimmen bekam, als die PC-Puritaner es sich in all ihren klinisch reinen Träumen, in denen nur der „angry white man“, der fette, zurückgelassene weiße Bierbauch das Letzte war, über das man noch Witze reißen konnte, je vorzustellen wagten.

    Selbst im Sinne eines obskuren Reinheitsgebots wäre es also vielleicht mal die bessere Strategie, nicht immer gleich Shitstorms und Aufschreie aller Art loszutreten, nicht immer gleich ganz so radikal auf das vermeintlich politisch Korrekte abzuheben – um dann eventuell genau deswegen letztlich ein bisschen mehr an politischer Korrektheit, man könnte auch sagen: Vernunft und Verständigung, zu bekommen.

    Vorausgesetzt, es geht überhaupt darum und nicht nur um die Bestätigung des eigenen Weltbilds, das deswegen aber auch nicht weißer wird als Weiß.

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