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Flüchtlingskrise: Afrikaner flüchten weiterhin über das Mittelmeer

Flüchtlingskrise

Afrikaner flüchten weiterhin über das Mittelmeer

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    Vor der libyschen Küste aus Seenot geborgen: Diese Flüchtlinge werden vom Rettungsschiff „Aquarius“ der deutschen Hilfsorganisation „SOS Mediterranee“ nach Cagliari auf Sardinien gebracht.
    Vor der libyschen Küste aus Seenot geborgen: Diese Flüchtlinge werden vom Rettungsschiff „Aquarius“ der deutschen Hilfsorganisation „SOS Mediterranee“ nach Cagliari auf Sardinien gebracht. Foto: Gabriel Bouys/afp

    Vergangenen Mittwoch in Salerno, der italienischen Hafenstadt südlich von Neapel: Das norwegische Rettungsschiff „Siem Pilot“ läuft ein und lässt seine Passagiere an Land. Es sind mehr als 1000 Menschen – Flüchtlinge und Migranten, die vor der libyschen Stadt Sabrata aus nicht hochseetüchtigen Schlauchbooten gerettet wurden. Ihre Herkunft: mehr als 20 verschiedene Länder, zumeist südlich der Sahara gelegen. Die italienischen Behörden müssen nun entscheiden, ob die Afrikaner Asyl beantragen können oder in ihre Heimat zurückgebracht werden.

    Seit das Wetter besser und die See ruhiger geworden sind, hat der Exodus über das Mittelmeer nach Italien wieder begonnen. Im vergangenen Jahr kamen auf diesem Weg bereits 154000 „Bootsflüchtlinge“ nach Italien, 2014 waren es sogar 170000. Seit kurzem ist von Politikern und auch in den Medien zu hören, die Schließung der Balkanroute und der Flüchtlings-Deal zwischen der EU und der Türkei würden den Andrang auf dem Fluchtweg über das zentrale Mittelmeer aktuell in die Höhe treiben. Das stimmt allerdings – zumindest bisher – nicht. Unter den Neuankömmlingen in Italien befindet sich nur eine verschwindend geringe Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien. Die Hauptherkunftsländer waren in diesem Jahr zwischen Januar und April Nigeria, Gambia, Somalia, Elfenbeinküste, Eritrea, Guinea, Senegal, Mali und Sudan – allesamt afrikanische Staaten südlich des Maghreb.

    Weniger Menschen über das Mittelmeer geflohen

    Bisher sind in diesem Jahr sogar weniger Menschen über die zentrale Mittelmeer-Route geflohen als 2015. Die aktuelle Statistik der Internationalen Organisation für Migration (IOM) besagt, dass 37000 Flüchtlinge in italienischen Häfen ankamen (bis 25. Mai). Im vergangenen Jahr waren es 47000 (bis 31. Mai). Erschreckend ist die anhaltend hohe Zahl der Todesopfer. Laut IOM sind in diesem Jahr bisher 1093 Tote zu beklagen – nach 1782 in den ersten fünf Monaten des Vorjahres.

    Ursache der hohen Todesrate ist, dass die Schlepper die Flüchtlinge in der Regel in Libyen mit überladenen Schlauchbooten und alten Fischerkähnen losschicken, mit denen kaum eine Chance besteht, jemals Italien zu erreichen. Überleben können die Insassen nur dann, wenn sie von Helfern entdeckt und an Bord eines Rettungsschiffs genommen werden. Tragischerweise kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen, wenn die Rettung bereits nahe ist: Manche Boote kentern, weil zu viele Insassen gleichzeitig auf eine Seite des Schiffes strömen. Die kieloben treibenden Boote werden dann zu tödlichen Fallen für Passagiere, die unter Deck eingeschlossen sind. Andere ertrinken, weil sie nicht schwimmen können.

    Stärker gegen Schlepper vorgehen

    Dieses grausame Massensterben stellt für Europa ein moralisches Desaster dar. Wie kann es die Staatengemeinschaft der EU zulassen, die 2012 sogar den Friedensnobelpreis erhielt, dass Menschen ihr Leben verlieren, nur weil dieses Europa das Ziel ihrer Träume ist? Auch wenn die EU die irregulären Immigranten nicht gerufen hat – sie muss sich fragen lassen, warum sie nicht energischer handelt, um die Missstände abzustellen.

    Zu den möglichen Sofortmaßnahmen gehört, die Hunderttausenden, die in Libyen auf die Überfahrt nach Europa warten, eindringlicher als bisher vor den verantwortungslosen Schleppern zu warnen. Gleichzeitig gilt es, diese kriminellen Banden auch mit Waffengewalt zu bekämpfen. Die EU-Außenminister haben diesen Punkt jüngst diskutiert, aber noch nicht umgesetzt.

    Renzi: "Mehr Geld für internationale Entwicklungshilfe"

    Auch die Möglichkeit einer regulären Immigration darf bei einer langfristig wirksamen Lösung nicht fehlen. Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ist heftig kritisiert worden, als er bereits im Jahr 2004 die Einrichtung von Auffanglagern in Afrika vorschlug, aus denen heraus es eine geordnete Einwanderung nach Europa geben könne. Heute wären viele froh, wenn man schon so weit wäre.

    Soll das Übel an der Wurzel gepackt werden, gilt es auch die Fluchtursachen zu bekämpfen – und das bedeutet eine wirtschaftliche Stabilisierung der Staaten Afrikas. „Mehr Geld für internationale Entwicklungshilfe als ersten Schritt“ fordert jetzt Italiens Regierungschef Matteo Renzi. Dazu sollten Einreisequoten zum Beispiel für Studenten und Arbeiter kommen – als Gegengewicht zu künftig stärkeren EU-Grenzkontrollen. Über solche Fragen muss Europa ernsthaft diskutieren – und dann auch handeln. So wie bisher kann es jedenfalls nicht weitergehen.

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