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Japan: Akihito entfacht Kulturkampf um den Kaiserthron

Japan

Akihito entfacht Kulturkampf um den Kaiserthron

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    Tenno Akihito bei der Eröffnung des Parlaments. Dem japanischen Kaiser fallen öffentliche Auftritte zunehmend schwer.
    Tenno Akihito bei der Eröffnung des Parlaments. Dem japanischen Kaiser fallen öffentliche Auftritte zunehmend schwer. Foto: Franck Robichon, dpa

    Wie in Japan üblich, drückt der Kaiser seinen Wunsch nur indirekt aus: In gesetzten Worten hat er am Montag von seinem schlechten Gesundheitszustand gesprochen, von seiner Verantwortung als Symbol des Staates und von den Vorteilen eines jüngeren Monarchen. Übersetzt heißt das: Er will abdanken. Ich habe darüber nachgedacht, wie das Kaiserhaus seine Traditionen einer guten Sache widmen kann, sagte Kaiser Akihito in einer Videobotschaft. Gerade in der alternden Gesellschaft seien junge Impulse wichtig. Dafür, so seine unausgesprochene Bitte, soll das Parlament den Weg freimachen.

    Japan befindet sich nach der Ansprache in Aufregung: Plötzlich ist der Kaiser wieder überall Gesprächsthema. Der Vergleich mit der Queen drängt sich auf, die am Thron klebt, und mit Papst Benedikt, der für seinen außergewöhnlichen Rücktritt viel gelobt wurde. Japans Kaiser macht wie Benedikt das Unerwartete, und damit begehrt er sanft gegen die Grenzen der monarchischen Regeln in einer starren Gesellschaft auf.

    Akihito ist besonders beliebt beim Volk

    Seit dem frühen 19. Jahrhundert hat kein Kaiser mehr zu Lebzeiten abgedankt. Akihito ist beim Volk besonders beliebt. Er wirkte immer gütig und zugleich unglaublich vornehm. Als erster Monarch einer Dynastie, die vermutlich mehr als zwei Jahrtausende in ununterbrochener Linie zurückreicht, hat er sich zumindest ein wenig offen und volksnah gezeigt. Der Wunsch des Kaisers, seine zeremonielle Rolle an seinen Sohn Naruhito abzugeben, ist verständlich. Akihito ist 82 Jahre alt und hat eine Herzoperation hinter sich. Die öffentlichen Aufgaben fielen ihm in den vergangenen Jahren zunehmend schwer: Wenn er Staatsoberhäupter empfangen hat, bewegte er sich steif und mit Anstrengung. Das Hofamt hat ihn 2015 allein für 270 Audienzen eingeplant. Jeder Schritt und jedes Wort, das jemand an ihn richtet, ist dabei vorgeplant. Ein Heer von Beamten schirmt die kaiserliche Familie systematisch von der Außenwelt ab.

    Das war auch der Grund dafür, dass Akihito bei einem Empfang in den Palastgärten vor drei Jahren einen Brief nicht lesen durfte, den ihm ein Abgeordneter respektvoll übergeben hat. Der Haushofmeister nahm ihm das Papier sofort ab, obwohl Akihito selbst dem jungen Mann offenbar noch länger zugehört hätte. Es ging dem Bittsteller um das Schicksal von Kindern in der Provinz Fukushima, die seit dem Reaktorunfall von 2011 erhöhter Strahlung ausgesetzt sind. Doch das ist Tagespolitik und damit für den Kaiser tabu. Dennoch wagte es der Kaiser immer wieder, sich seinem Volk zu nähern. Er besuchte die Unterkünfte von Geflüchteten aus Fuku-shima. Der Tenno wandte sich damals erstmals per Video an das Volk, um den Betroffenen angesichts einer Katastrophe mit fast 20000 Toten Mut zu machen.

    Tenno muss bis zu seinem Ableben auf dem Thron bleiben

    Seine Bitte um die Möglichkeit, abzudanken, entspricht einem ähnlichen Wunsch: aus den starren Pfaden des Zeremoniells auszubrechen. Paradoxerweise hat er damit die größten Anhänger des Kaisertums gegen sich. Die Rechtskonservativen verehren den Tenno auch heute noch als Gott. Für sie ist das Gesetz über den kaiserlichen Haushalt von 1889 in Stein gemeißelt, und das sieht vor, dass er bis zu seinem Ableben auf dem Thron bleiben muss.

    Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Akihito sich ausgerechnet mit dem Royalisten anlegt. Er war es auch, der sich den Taten seines Vaters Hirohito gestellt hat: Dem regierenden Kaiser, der Japan in den Zweiten Weltkrieg geführt hat, unter dessen Banner die Armee Gräueltaten in den Nachbarländern verübt hat. Mehrfach sprach er von tiefer Reue über die Geschehnisse. Wenn das Parlament es dem 125.Tenno erlaubt, aus eigenem Antrieb abzutreten, dann hätte er eine wichtige Änderung vollbracht.

    Wenn es dann auch noch die Thronfolge für seine einzige Enkelin Aiko öffnet und damit erstmals seit Jahrhunderten wieder eine Kaiserin zulässt, dann hätte Akihito einen kleinen Kulturkampf um den Chrysanthementhron gewonnen. Wann genau die Volksvertreter über eine Revision des Kaisergesetzes entscheiden, ist noch unklar.

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