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Leitantrag: Alarm in der SPD-Zentrale

Leitantrag

Alarm in der SPD-Zentrale

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    Bombenalarm in der SPD-Zentrale: Polizisten leiten den Verkehr um. Später stellt sich heraus, dass der verdächtige Gegenstand ungefährlich war.
    Bombenalarm in der SPD-Zentrale: Polizisten leiten den Verkehr um. Später stellt sich heraus, dass der verdächtige Gegenstand ungefährlich war. Foto: Fischer, dpa

    Der Bombenalarm im Willy-Brandt-Haus könnte für den SPD-Vorstand zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen. Nach drei krachend verlorenen Landtagswahlen will die Parteispitze endlich ihren Leitantrag für das Wahlprogramm vorlegen – oder wenigstens dessen Eckpunkte. Die Zeit drängt, für die Genossen schrillen längst die sprichwörtlichen Alarmglocken: Wenn Martin Schulz im September doch noch irgendwie Bundeskanzler werden will, muss er dem Wahlvolk schleunigst konkrete Vorschläge machen. Doch viele Punkte sind umstritten, es gibt hunderte Änderungsanträge, die meisten aus dem Vorstand selbst. Dass all die Unstimmigkeiten zeitnah ausgeräumt werden können, glauben die Genossen zeitweise selbst nicht: So wird der Termin zur Vorstellung des Papiers abgesagt, dann doch wieder anberaumt. Ein Aufschub wäre wohl zu peinlich gewesen.

    Am Montagvormittag sind längst nicht alle Änderungsanträge abgearbeitet, als plötzlich die – echten – Warnsirenen in der Parteizentrale aufheulen. Alle müssen das Gebäude verlassen. In der Poststelle ist ein verdächtiger Gegenstand aufgetaucht. So stehen führende Genossen wie Generalsekretärin Katarina Barley, Fraktionschef Thomas Oppermann und Arbeitsministerin Andrea Nahles in sicherem Abstand zum Willy-Brandt-Haus unter schattigen Bäumen. Allem Anschein nach diskutieren sie dort weiter. Denn am Nachmittag – der Bombenalarm ist längst aufgehoben – gibt es dann doch noch die Einigung über einen Leitantrag, der auf dem Parteitag am 25. Juni in Dortmund als Wahlprogramm verabschiedet werden soll. Das Papier mit dem Titel „Mehr Zeit für Gerechtigkeit“ ist für Fraktionschef Thomas Oppermann „das vielleicht beste seit Willy Brandt“.

    In der Flüchtlingspolitik will die SPD nicht am Asylrecht rütteln, spricht sich aber dafür aus, abgelehnte Asylbewerber konsequent abzuschieben. Der Staat müsse im Alltag der Bürger präsenter sein und sie vor Terror, Rechtsextremismus und Alltagskriminalität besser schützen. Das SPD-Konzept enthalte deshalb die Forderung nach 15000 zusätzlichen Polizisten in Bund und Ländern. Oppermann nennt Sicherheit die „Voraussetzung für die offene Gesellschaft“. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) dagegen sei ein „Sicherheitsrisiko“. Dieser sei verantwortlich, dass sich ein rechtsextremer Bundeswehrleutnant als Flüchtling habe tarnen können. In der Bildungspolitik will die SPD laut Generalsekretärin Katarina Barley die „Kleinstaaterei“ beenden und das sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufbrechen. Der Bund müsse in der Lage sein, Schulen und Kindergärten direkt zu unterstützen.

    In ihrem Konzept bekenne sich die SPD auch zu ihrer Forderung, dass die Bildung von der Kita bis zur Hochschule gebührenfrei sein müsse. Familien sollten aber auch durch die Einführung einer „Familienarbeitszeit“ entlastet werden.

    Ausgespart bleiben vorerst die Themen Steuer und Rente. Hier will Martin Schulz erst später konkret werden, vielleicht auch noch den einen oder anderen Trumpf für die Endphase des Wahlkampfs zurückhalten, wie es in Parteikreisen heißt. Momentan sei die SPD-Spitze noch dabei, die Konzepte durchzurechnen, sagt Generalsekretärin Katarina Barley. Sicher sei, dass es auch um das Thema Spitzensteuersatz gehen werde. Facharbeiter etwa sollten entlastet werden, indem der Spitzensteuersatz erst ab einer höheren Einkommensgrenze fällig wird. Bekannt ist auch, dass die SPD das Ehegattensplitting zu einem „Familientarif mit Kinderbonus“ umgestalten wolle, von dem auch Paare ohne Trauschein profitieren würden.

    Am Nachmittag legt sich die Aufregung im Willy-Brandt-Haus dann ein wenig. Das Parteiprogramm ist doch noch auf den Weg gebracht – und die Polizei gibt bekannt, dass der verdächtige Gegenstand, der für den Bombenalarm gesorgt hat, eine Holzkiste ist – und zum Glück völlig harmlos.

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