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Koalitionen: Analyse: Der Reiz der bunten Dreier

Koalitionen

Analyse: Der Reiz der bunten Dreier

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    Ein Ampelbündnis aus SPD, Grünen und FDP in Mainz rückt näher. Die FDP sprach sich für die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen aus.
    Ein Ampelbündnis aus SPD, Grünen und FDP in Mainz rückt näher. Die FDP sprach sich für die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen aus. Foto: Arne Dedert/Symbolbild (dpa)

    Die Bündnisse sind aus der Not geboren, aber das muss kein Nachteil sein. Koalitionen aus drei Parteien, wie sie gerade in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt entstehen, haben heute keine Sollbruchstellen mehr wie die aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen, die 1995 in Bremen am Streit um ein Vogelschutzgebiet zerbrach. Seit die Rechtspopulisten der Alternative für Deutschland Landtag um Landtag erobern, entwickelt sich unter den übrigen Parteien ein bemerkenswerter Korpsgeist. Die FDP kann plötzlich sogar mit den Grünen, die wiederum haben keine Scheu, der CDU und der SPD an der Elbe zu einer Regierungsmehrheit zu helfen – und wenn die Demoskopen sich nicht ganz irren, wird auch die Hauptstadt von Herbst an von einem bunten Dreier regiert, weil die großen Parteien im Roten Rathaus nicht mehr groß genug sind, um eine Große Koalition zu bilden.

    Eine Ampel mit Angela Merkel an der Spitze?

    Das alte Lagerdenken hat bereits lange vor Ausbruch der Flüchtlingskrise zu erodieren begonnen. Zumindest auf Bundesebene führt zu Rot-Grün schon seit Jahren kein Weg mehr, gleichzeitig war mit der Wahl 2013 und der historischen Schmach für die FDP auch Schwarz-Gelb am Ende. Aus dieser strategischen Eindimensionalität gab es für Grüne und Liberale nur einen Ausweg: flexibler zu werden, ohne dabei die eigene Identität zu opfern – und mutiger zu werden, ohne dabei gleich mit dem Feuer zu spielen. Vor allem für die Liberalen war das ein Tanz auf dem Drahtseil, der in Rheinland-Pfalz nun mit einer Regierungsbeteiligung belohnt wird, der ersten seit langem, aber möglicherweise nicht der letzten.

    Nach dem rot-rot-grünen Laborversuch, der gerade in Thüringen läuft, gibt es mit der Mainzer Ampel und der Magdeburger Kenia-Koalition nun zwei weitere Blaupausen für die Zeit nach der Bundestagswahl. So sicher wie es scheint sitzt Angela Merkels Große Koalition ja nicht im Sattel. Wenn die SPD ihren freien Fall nicht stoppt, die AfD weiter zulegt und die Union auf Werte unter 30 Prozent rutscht, werden auch in der Bundespolitik die Karten völlig neu gemischt. Eine Ampel mit Angela Merkel an der Spitze? Rot-Rot-Grün mit einer Kanzlerin Andrea Nahles oder dem Europäer Martin Schulz als Frontmann? Selten war der Ausgang einer Wahl weniger vorhersehbar.

    Nichts ist mehr sicher - und vieles möglich

    Anders als in Österreich, wo die Große Koalition von einer kurzen Ausnahme abgesehen seit Jahrzehnten eine Art Abonnement auf die Macht hat, bleibt die Demokratie so immerhin lebendig. Nichts ist mehr sicher – und vieles möglich. Natürlich birgt der Zwang, sich zu dritt auf Kompromisse einigen zu müssen, immer ein gewisses Risiko, auf der anderen Seite aber diszipliniert diese Konstellation auch. Wer heute eine Regierung platzen lässt – wie die in Bremen 1995 oder Annegret Kramp-Karrenbauer die Jamaika-Koalition im Saarland 2012 – bestätigt ja nur die notorischen Nörgler von der AfD in ihrem Urteil, dass die etablierte Politik vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und nicht mit den Problemen draußen, im Land. Entsprechend hart könnte das Urteil der Wähler also nach einer vorgezogenen Neuwahl ausfallen...

    Richtig kompliziert wird es dagegen mit jeder neuen Dreier-Koalition im Bundesrat, wo sich die Mehrheitsverhältnisse weiter zulasten von Union und SPD verändern würden und die Große Koalition nur noch 20 von 69 Stimmen sicher hat. Künftig hätte jede Bundesregierung große Schwierigkeiten, dort eine Steuerreform oder auch nur eine neue Liste mit sicheren Herkunftsstaaten durchzubringen – und mit jeder Wahl wird die Lage unübersichtlicher.

    Horst Seehofer muss keine Rücksicht nehmen

    Horst Seehofer ist der einzige Ministerpräsident, der im Bundesrat noch frei über die Stimmen seines Landes gebieten kann, weil er keine Rücksicht auf einen Koalitionspartner nehmen muss. Umgekehrt sitzen die Grünen bald in zehn von 16 Landesregierungen, ohne dass sich daraus im Bundesrat für sie Kapital schlagen ließe. Paradoxerweise schwächt sich durch ihren Triumph in Baden-Württemberg sogar ihr Einfluss. Da die Grünen nun mit der CDU koalieren und nicht mehr mit der SPD, wandern die sechs Stimmen aus dem Südwesten in der Länderkammer nun vom rot-grünen in den neutralen Block.

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