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Plagiatsverdacht: Annette Schavan: Betrug oder mangelnde Sorgfalt?

Plagiatsverdacht

Annette Schavan: Betrug oder mangelnde Sorgfalt?

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    Bundesbildungsministerin Annette Schavan steht unter Plagiatsverdacht.
    Bundesbildungsministerin Annette Schavan steht unter Plagiatsverdacht. Foto: dpa

    Annette Schavan gibt viel auf ihre Integrität und Glaubwürdigkeit. Selbst jene, die ihr weniger geneigt sind, schätzen die Bundesbildungsministerin als klug und kundig, als seriös und redlich. Manch einem ist die 57-Jährige etwas zu dröge. Langweilig, lautet das Urteil ihrer ärgsten Kritiker. Dass aber gerade die CDU-Politikerin bei ihrer Doktorarbeit betrogen und getäuscht haben soll, dürfte selbst ihre Gegner überraschen.

    Schavan sieht sich mit heftigen Vorwürfen konfrontiert. Ihr Doktortitel ist in Gefahr und möglicherweise ihr Amt. Aber auch wenn sie beides behält, bleibt ein tiefer Kratzer an ihrem Image. Im Mai waren die Vorwürfe gegen Schavan zum ersten Mal aufgekommen: Die CDU-Frau soll in ihrer Doktorarbeit von 1980 von anderen Autoren abgeschrieben und nicht korrekt zitiert haben. Die Ressortchefin reagierte damals wortkarg auf die Vorhaltungen, sagte nur, sie wolle die Prüfung durch die Universität Düsseldorf abwarten.

    Mängel auf 60 von 351 Seiten

    Die Analyse ist nun da und fällt wenig schmeichelhaft aus. Der Gutachter beklagt Mängel auf 60 von 351 Seiten von Schavans Arbeit, berichteten verschiedene Medien am Wochenende übereinstimmend. Der Prüfer kommt demnach zu dem Schluss, Schavan habe bewusst getäuscht. Die CDU-Politikerin wehrt sich: „Die Unterstellung einer Täuschungsabsicht weise ich entschieden zurück“, sagte sie. Sie habe sorgfältig gearbeitet, versicherte sie, räumte aber ein: „Hier und da hätte man auch noch sorgfältiger formulieren können.“

    Wenn Politiker über Doktortitel stolpern

    Gekaufte Doktortitel oder Plagiatsvorwürfe haben schon so manchen Politiker zu Fall gebracht. Eine Übersicht:

    Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU): Viele Passagen fremder Autoren in der Doktorarbeit des damaligen Verteidigungsministers sorgten im Februar 2011 für Aufsehen. Wenig später erkannte ihm die Uni Bayreuth den Doktortitel ab. Nach heftigen Protesten trat Guttenberg von seinen Ämtern zurück.

    Silvana Koch-Mehrin (FDP): Wegen rund 120 Plagiaten in der Doktorarbeit der Europapolitikerin entzog die Universität Heidelberg ihr den Titel Mitte Juni 2011.

    Jorgo Chatzimarkakis (FDP): Der Europaabgeordnete verlor seinen Titel im Juli 2011, da mehr als die Hälfte seiner Arbeit nach Angaben der Uni Bonn aus fremder Feder stammte.

    Dieter Jasper (CDU): Der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete wurde Anfang Mai 2011 zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt, weil er einen Doktortitel zu Unrecht geführt hatte. Jasper hatte den Doktor der Wirtschaftswissenschaften 2004 an einer Universität in der Schweiz erworben, die gegen Geld akademische Grade vergeben soll.

    Kai Schürholt (CDU): Der Oberbürgermeisterkandidat der Landauer CDU hatte sich 2007 im Wahlkampf mit einem Doktortitel geschmückt, obwohl er seine Promotion noch längst nicht abgeschlossen hatte. Das Amtsgericht Landau verurteilte ihn wegen Titelmissbrauchs zu einer Geldstrafe.

    Bernd Althusmann (CDU): Der niedersächsische Kultusminister und Präsident der Kultusministerkonferenz geriet im Juli 2011 ebenfalls wegen seiner Doktorarbeit unter Druck. Die Universität Potsdam überprüfte die Arbeit daraufhin und kam zum Schluss: Althusmanns Dissertation weise zwar eine Vielzahl formaler Mängel  auf, die guter wissenschaftlicher Praxis widersprächen. Ein Plagiats-Verdacht habe sich aber nicht bestätigt.

    Florian Graf (CDU): Der Berliner CDU-Fraktionschef gab im April 2012 seinen Doktortitel wegen gravierender wissenschaftlicher Mängel zurück. Er sei den an sich selbst gestellten Ansprüchen "im Hinblick auf ein Standhalten meiner Dissertation in der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden", teilte er mit - und kam einem Zeitungsbericht zuvor.

    Margarita Mathiopoulos (FDP): Nach Plagiatsvorwürfen entzog die Universität Bonn der Politikprofessorin und FDP-Politikerin im April 2012 den Doktortitel.

    Annette Schavan (CDU): Weil sie in ihrer 1980 eingereichten Doktorarbeit Zitierfehler gemacht und Quellen nicht richtig ausgewiesen hatte, wurde der Bundesbildungsministerin im Februar 2013 der Doktortitel entzogen.

    Andreas Scheuer (CSU): Der CSU-Generalsekretär geriet Anfang 2014 wegen seines tschechischen Doktortitels in die Kritik. Diesen durfte er eigentlich nur in zwei Bundesländern aufgrund von Ausnahmeregelungen führen. Unter Druck erklärte Scheuer, den Titel gar nicht mehr zu führen.

    Entschieden ist mit dem Gutachterurteil noch nichts: Das letzte Wort hat der Promotionsausschuss der Uni. Sollte Schavan ihren Titel verlieren, wäre sie in ihrer jetzigen Funktion wohl nicht zu halten: als Bildungs- und Forschungsministerin, die ständig mit Studenten und Professoren zu tun hat und das deutsche Wissenschaftssystem vertritt.

    Kritik an zu Guttenberg

    Christian Wulffs Kredit-Affäre und der legendäre Anruf: Bundespräsident Wulff gerät wegen eines verheimlichten Privatkredits Ende 2011 in die Schlagzeilen. Anfang 2012 wird bekannt, dass Wulff mehrere Reportern mit "Krieg" gedroht habe, sollten sie über die Affäre berichten. Sein wütender Anruf bei Bild-Chaf Kai Diekmann wurde nicht nur zum Politikum, sondern auch zum Ziel von Häme und Spott.
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    Ausgerechnet Schavan war es, die sich im Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu einem denkwürdigen Satz hinreißen ließ. Dem damaligen Verteidigungsminister wurde im vergangenen Jahr vorgeworfen, er habe in seiner Doktorarbeit an Dutzenden Stellen von anderen abgeschrieben. Er überstand die Affäre nicht und trat zurück.

    Schavan kommentierte die Verfehlungen damals wenig gnädig: „Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich.“ Dieser Satz hallt nun besonders laut nach. Sollte Schavan jetzt ihren Doktortitel verlieren, könnte ihre Vertraute, Angela Merkel ihre Verbündete wohl kaum retten. dpa

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