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London: Anschlag auf Moschee: Polizei nennt Namen des Terrorverdächtigen

London

Anschlag auf Moschee: Polizei nennt Namen des Terrorverdächtigen

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    Eine Polizistin legt Blumen in der Nähe der Moschee in  Finsbury Park nieder.
    Eine Polizistin legt Blumen in der Nähe der Moschee in Finsbury Park nieder. Foto: John Stillwell, dpa

    Abermals wacht Großbritannien mit Nachrichten über einen Anschlag auf. Wieder trifft die Gewalt London, dieses Mal wird die muslimische Gemeinde im Norden der Stadt angegriffen. Ein Mann stirbt vor Ort, zehn Menschen erleiden Verletzungen, zwei davon schwere. Ob der Tod eine Folge des Anschlags war, wird noch untersucht.

    Es ist kurz nach Mitternacht, als zahlreiche Gläubige nach dem abendlichen Fastenbrechen und den Gebeten beschwingt die Moschee in der Gegend von Finsbury Park verlassen. Wegen des Fastenmonats Ramadan sind besonders viele Menschen unterwegs. Offenbar fühlt sich ein älterer Mann nicht wohl, Umstehende kümmern sich um ihn, als plötzlich vor einem Gemeindezentrum ein weißer Lieferwagen auf sie zurast und absichtlich in die Menge fährt. Es bricht Panik aus. Der Angreifer wird aus dem Fahrzeug gezerrt, während er angeblich schreit: „Alle Muslime, ich will alle Muslime töten.“

    Mutmaßlicher Täter soll vierfacher Familienvater aus Cardiff sein

    Beim Versuch zu flüchten wird er von einigen Männern überwältigt und am Boden festgehalten, unter anderem vom Imam Mohammed Mahmoud, der sich laut Zeugen daraufhin vor den Terrorverdächtigen stellt, um ihn so vor der Wut der Menschen zu schützen. „Fasst ihn nicht an“, ruft er. Später wird der Imam als „Held des Tages“ gefeiert.

    Die Polizei nimmt den mutmaßlichen Täter wenig später fest. Der Mann, gegen den nun wegen Mord und Terror ermittelt wird, soll der 47 Jahre alte Darren Osborne aus der walisischen Hauptstadt Cardiff sein, ein vierfacher Familienvater. Zunächst hatte die Polizei sein Alter mit 48 Jahren angegeben. Bis Sonntagabend war er der Polizei nicht wegen extremistischer Aktivitäten aufgefallen.

    Der "Telegraph" berichtete, der 48-Jährige hätte sich allerdings seit einigen Wochen zunehmend negativ über Muslime geäußert. So habe er einen zwölfjährigen Asiaten aus der Nachbarschaft beleidigt und sei am Tag vor der Attacke wegen ausländerfeindlicher Äußerungen aus einer Kneipe geflogen. "Er ist laut und aggressiv", zitierte die Zeitung einen Besucher des Pubs in Cardiff, der Hauptstadt von Wales.

    Mit Handschellen winkt der Täter aus dem Polizeiwagen zur aufgebrachten Menge, die immer wieder fragt: „Warum hast du das getan?“ Polizeichefin Cressida Dick sagte am Montag, die Bluttat sei "ganz klar eine Attacke auf Muslime."

    May verurteilt möglichen Terroranschlag auf Muslime in London

    Premierministerin Theresa May tritt nach dem möglichen Terroranschlag wie so oft in den vergangenen Wochen vor die Downing Street und verurteilte das Attentat als „widerlich“. Sie kündigt an, man werde gegen Terrorismus und Extremismus jeglicher Art ankämpfen.

    Sie preist London als vielfältig, einladend, lebhaft, mitfühlend, selbstsicher – und „entschlossen, niemals dem Bösen und dem Hass nachzugeben“. Kurz darauf besucht sie den Tatort und spricht mit Überlebenden. Oppositionsführer Jeremy Corbyn tut es ihr gleich.

    Mays schnelles Handeln rührt aus der Erfahrung der vergangenen Woche. Nach dem verheerenden Hochhausbrand in Westlondon wurde sie unter anderem als mitleidslos kritisiert, weil sie zunächst zwar Einsatzkräfte getroffen hatte, aber keine Opfer des Infernos.

    Muslime fordern mehr Sicherheit für Moscheen

    Vertreter muslimischer Gemeinden reagieren schockiert, verurteilen die Attacke und fordern mehr Sicherheit für Moscheen. Unterstützt werden sie von christlichen, jüdischen und hinduistischen Führern des multikulturellen und multireligiösen Viertels. „Ein Angriff auf einen Glauben ist ein Angriff auf alle Glaubensrichtungen“, sagt Mohammed Kozbar von der nahen Finsbury-Park-Moschee. Es sei ein erneuter schockierender Terroranschlag – „und wir müssen ihn auch so nennen“, sagte er.

    Zuvor war Kritik aufgeflammt, weil die Polizei in der Nacht zunächst nur von einem „schwerwiegenden Vorfall“ gesprochen hatte und auch die rechtskonservative Boulevardpresse den Begriff Terror vermied. Doch Kozbar sagt, unschuldige Menschen seien kaltblütig umgebracht worden. Das sei nicht anders als kürzlich in Manchester, Westminster oder auf der London Bridge. Der neue Angriff war „ganz klar eine Attacke auf Muslime“, sagt dann auch Scotland-Yard-Chefin Cressida Dick. (mit dpa)

    Terror, Amok, Attentat - Fahrzeuge als Waffe

    Ob Attentäter, Amokläufer oder Terrorist: Wann immer Angreifer das Gaspedal durchdrücken, werden aus Fahrzeugen tödliche Rammböcke. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) forderte mehrfach dazu auf, "Ungläubige" zu überfahren. Wegen der oft hohen Zahl der Opfer erregen solche Attacken große Aufmerksamkeit - unabhängig von der Motivation des Täters. Einige Beispiele:

    Frankreich: Nach einer mutmaßlichen Fahrzeug-Attacke auf Soldaten bei Paris gehen französische Ermittler einem Terrorverdacht nach. Das Fahrzeug raste am Mittwochmorgen im Vorort Levallois-Perret in die Gruppe und verletzte dabei sechs Militärs.

    Großbritannien: Bei einem Anschlag mit einem Lieferwagen in London hat ein Mann mehrere Mitglieder einer muslimischen Gemeinde verletzt. Acht Opfer kamen laut Polizei ins Krankenhaus, mehrere weitere wurden vor Ort behandelt.

    Großbritannien: Am Abend des 3. Juni rast ein Lieferwagen mit drei Attentätern an Bord auf den Gehweg der London Bridge und erfasst mehrere Fußgänger. Danach fahren die Insassen zum Borough Market, steigen aus und stechen mit Messern auf Passanten ein. Acht Menschen sterben.

    Schweden: Ein 39-jähriger Usbeke steuert am 7. April einen Lastwagen in einer Stockholmer Einkaufsstraße in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus. Bei dem Anschlag kommen vier Menschen ums Leben, 15 werden verletzt.

    Großbritannien: Am 22. März 2017 lenkt ein 52-Jähriger ein Auto absichtlich in Fußgänger auf der Westminster-Brücke im Zentrum Londons und ersticht anschließend einen Polizisten auf dem Gelände des britischen Parlaments. Er wird von Sicherheitskräften erschossen. Fünf Menschen sterben.

    Deutschland: Ein Weihnachtsmarkt in Berlin wird am 19. Dezember 2016 Ziel eines islamistischen Terroranschlags. Zwölf Menschen sterben, als ein IS-Anhänger einen gekaperten Lastwagen in die Menschenmenge steuert. Wenige Tage später erschießen Polizisten den 24 Jahre alten Tunesier bei einer Kontrolle nahe Mailand.

    USA: Am 28. November 2016 rast ein Student der Ohio State University in eine Gruppe Fußgänger. Danach steigt er aus dem Wagen und greift Umstehende mit einem Schlachtermesser an. Elf Menschen werden verletzt. Der IS reklamiert die Attacke später für sich.

    Frankreich: Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, rast in Nizza ein Lastwagen in eine Menschenmenge. Der islamistische Attentäter tötet 86 Menschen und verletzt mehr als 200.

    Österreich: Minutenlang rast ein 26-Jähriger am 20. Juni 2015 durch die Innenstadt von Graz, überfährt Café-Besucher und Fußgänger. Drei Menschen sterben, 34 werden verletzt. Vor Gericht wird der Mann für nicht zurechnungsfähig erklärt.

    Niederlande: Am Königinnentag am 30. April 2009 fährt ein 38-Jähriger auf den offenen Bus der Königsfamilie zu. Mit seinem Kleinwagen tötet er sieben Menschen und verletzt zehn; Königin Beatrix und ihre Familie trifft er nicht. Der Attentäter sagt einem Polizisten, er habe einen Anschlag verüben wollen. Der Mann erliegt später seinen Verletzungen.

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