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Europawahl 2014: Auf die Kanzlerin kommt es jetzt an

Europawahl 2014

Auf die Kanzlerin kommt es jetzt an

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    Alle Europäischen Präsidenten fuhren eine Niederlage bei der diesjährigen Europawahl ein. Nur nicht sie: Angela Merkel wird wohl auch maßgeblich mitbestimmen, wer der neue Chef der EU-Kommission wird.
    Alle Europäischen Präsidenten fuhren eine Niederlage bei der diesjährigen Europawahl ein. Nur nicht sie: Angela Merkel wird wohl auch maßgeblich mitbestimmen, wer der neue Chef der EU-Kommission wird. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Die Frau, auf die jetzt alle blicken in Europa, hat es nicht eilig. Viel lieber als über die Frage, wer neuer Präsident der EU-Kommission wird, redet Angela Merkel am Tag nach der Wahl über die acht Prozentpunkte Vorsprung auf die SPD oder über die guten Ergebnisse der Union bei den Kommunalwahlen an Rhein und Ruhr, in Rheinland-Pfalz oder Brandenburg. Wer den prestigeträchtigen Spitzenjob in Brüssel bekomme, wehrt sie ab, „entscheide ich ja nicht alleine“.

    Das stimmt formal zwar, ist gleichzeitig aber auch ein wenig tiefgestapelt, schließlich ist sie so etwas wie die heimliche Siegerin dieser Europawahl und die Bundesrepublik mit ihrem unspektakulären, aber sehr europafreundlichen Ergebnis der Fels in einer stürmischen Brandung. In Frankreich haben die Wähler François Hollande abgestraft, in Großbritannien traf es mit David Cameron einen weiteren mächtigen Regierungschef – die deutsche Kanzlerin allerdings sitzt so fest im Sattel wie eh und je.

    Wenn sie sich am Dienstag in Brüssel mit den Staats- und Regierungschefs der anderen EU-Länder trifft, um beim Abendessen die Lage zu sondieren, wird vor allem eine Frage im Raum stehen: Wen (oder was) will sie?

    Junker, Schulz oder doch ein ganz anderer?

    Auf den ersten Blick spricht vieles für Jean-Claude Juncker, den Spitzenkandidaten der europäischen Konservativen, die aller Voraussicht nach die stärkste Fraktion im neuen Parlament stellen werden. So leidenschaftslos jedoch, wie Angela Merkel nach den Sitzungen von Präsidium und Bundesvorstand der CDU die Lage referiert, werden sich viele politische Verschwörungstheoretiker bestätigt fühlen, die schon lange der Meinung sind, am Ende würden weder Juncker noch der Sozialdemokrat Martin Schulz das Rennen machen, sondern ein Überraschungskandidat oder eine Überraschungskandidatin aus einer ganz anderen Ecke Europas.

    Wie immer, wenn es konkret wird, hat Angela Merkel auch an diesem Montag ihr Pokerface aufgesetzt und ihre Rhetorik auf größtmögliche Unverfänglichkeit gedimmt. „Wir gehen mit dem Kandidaten Juncker in die Debatte“, sagt sie zwar. Aber ob aus diesem Kandidaten am Ende tatsächlich der neue Kommissionspräsident wird, ja ob sie das überhaupt will – das bleibt fürs Erste ihr Geheimnis.

    Weder die Konservativen noch die Sozialdemokraten und die Sozialisten, betont die Kanzlerin gleich mehrfach, hätten eine Mehrheit im Europaparlament – eine flammende Solidaritätsadresse für Juncker klingt anders. In Berlin ist es ein offenes Geheimnis, dass Angela Merkel nicht gerade zu den größten Fans des umtriebigen Luxemburgers gehört.

    Wackelt Günther Oettingers Stuhl?

    Erschwerend hinzu kommt, dass die Entscheidung über die Nachfolge des Portugiesen José Manuel Barroso keine rein europäische Angelegenheit ist, sondern für die Kanzlerin auch eine heikle innenpolitische Komponente hat, weil ihre Kontrahenten in Brüssel gleichzeitig ihre Partner in Berlin sind.

    Vor ihrem Treffen mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer am Montagabend räumte sie deshalb lediglich eines ein – dass sie ständig mit Gabriel in Kontakt sei und in Brüssel selbstredend für die gesamte Bundesregierung sprechen werde und keineswegs nur für deren christdemokratischen und christsozialen Teil. Einen Verzicht von Schulz auf eine Kandidatur als Kommissionspräsident aber würde sich die SPD vermutlich teuer bezahlen lassen. Zum Beispiel durch ein mächtiges Ressort in Brüssel. Dafür müsste dann mit Günther Oettinger ein CDU-Mann seinen Platz räumen.

    Ob die Kanzlerin deshalb schon von einem „europäischen Personalpaket“ spricht, das es zu schnüren gelte? „Der Ball liegt jetzt im Spielfeld der Staats- und Regierungschefs“, sagt der frühere niedersächsische Ministerpräsident David McAllister, der Spitzenkandidat der CDU. Und auf diesem Spielfeld agiert Angela Merkel, um in der Sprache des Fußballs zu bleiben, nicht viel anders als Philipp Lahm beim FC Bayern – nach hinten absichernd, mit gebremster Offensive, einem strategischen Plan folgend.

    Die Entscheidung, ob es Juncker wird, Schulz oder jemand anderes, wird deshalb vermutlich nicht heute fallen und auch nicht morgen oder übermorgen, sondern am Ende eines „Prozesses“, wie die Physikerin Merkel es gerne nennt. Bis dahin darf munter weiter spekuliert werden. Die Gespräche, sagt die Kanzlerin, „haben noch nicht einmal begonnen“.

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