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Spähaffäre: Bericht: NSA hat direkten Zugriff auf Netze der Telekom

Spähaffäre

Bericht: NSA hat direkten Zugriff auf Netze der Telekom

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    Die NSA sowie das britische GCHQ haben offenbar direkte Zugangspunkte zu deutschen Netzen.
    Die NSA sowie das britische GCHQ haben offenbar direkte Zugangspunkte zu deutschen Netzen. Foto: Patrick Pleul/Archiv (dpa)

    Das Magazin beruft sich dabei auf Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden.

    In von einem NSA-Programm namens Treasure Map erstellten Grafiken seien die Telekom und Netcologne namentlich aufgeführt und mit roten Punkten markiert, berichtete der "Spiegel". In einer Bildlegende heiße es dazu erklärend, die rote Markierung bedeute, dass es "innerhalb" dieser Netze "Zugangspunkte" für die technische Überwachung gebe.

    Das Treasure-Map-Programm hat dem Bericht zur Folge das Ziel, "das komplette Internet zu kartografieren". Mit der Anwendung könnten sogar Endgeräte wie Computer, Smartphones und Tablets visualisiert werden, sofern sie mit dem Internet verbunden seien. Das Programm diene unter anderem der "Planung von Computerattacken" und der "Netzwerk-Spionage", heißt es laut "Spiegel" in einer Präsentation der Anwendung.

    Telekom und Netcologne waren ahnungslos

    Lexikon der Spähaffäre

    Prism, Tempora, XKeyscore: Die Geheimdienste verwenden eine ganze Reihe von Systemen, um uns massenhaft auszuspähen. Ein kleines Lexikon:

    PRISM: Ist der Codename eines US-Geheimdienstprogramms, das zum Inbegriff der gesamten Spähaffäre wurde. Der Name steht für «Planning Tool for Resource Integration, Synchronization and Management» («Planungswerkzeug für Quellenintegration, -synchronisierung und -management).

    Es ist bislang nicht ganz klar, wie das Programm funktioniert. Nach den von Snowden übergebenen Dokumenten erlaubt oder organisiert «Prism» den Zugriff auf die Daten von Nutzern großer US-Internetfirmen wie Microsoft, Google oder Facebook. Experten gehen davon aus, dass die US-Dienste verdachtsunabhängig große Mengen an Nutzerdaten speichern. Die gespeicherten Daten werden dann mit Filterbegriffen durchsucht.

    XKEYSCORE: Ein weiteres Spähprogramm der NSA. Der Verfassungsschutz räumte ein, es «testweise» einzusetzen. Nach den vorliegenden Informationen handelt es sich dabei um eine Art Datenbank, mit der die von der NSA gesammelten Daten durchsucht und zu Tabellen gebündelt werden können.

    Demnach kann «XKeyscore» unter anderem auf die von einer bestimmten Person benutzten Telefonnummern und Emailadressen, aber auch auf konkrete Mitschnitte von Internetaktivitäten zugreifen. Medienberichten zufolge lassen sich mit dem Programm eventuell Begriffe rekonstruieren, die jemand in die Google-Suchmaschine eingegeben hat.

    TEMPORA: So lautet der Deckname eines Überwachungsprogramms des britischen Geheimdienst GCHQ, das auf das Abgreifen von Daten an Seekabeln zielt. Durch diese Glasfaserverbindungen fließt der weit überwiegende Teil der heutigen globalen Kommunikation per Telefon und Internet.

    »Tempora» erlaubt es demnach, diesen Informationsbrei in gigantischen Pufferspeichern zu sammeln und daraus Emails, Telefonate und Videochats zu rekonstruieren. Die Daten können einige Tage, einzelne Informationsteile wie Absender und Empfänger wochenlang gespeichert werden. Mit der entsprechenden Software können so nachträglich Nachrichten von Verdächtigen gefunden oder die Stimmen von Gesuchten identifiziert werden.

    DE-CIX: Ein großer Internetknoten in Frankfurt am Main, bei dem es sich den Berichten zufolge um ein bevorzugtes Ziel der NSA-Spionage in Deutschland handeln soll. DE-CIX ist eine Art großer Weiche, an der Internetverkehr aus diversen einzelnen Provider- und Datennetzen zusammenfließt und verteilt wird.

    G-10-GESETZ: So heißt ein Gesetz in Deutschland, das den Zugriff der deutschen Nachrichtendienste auf Telekommunikationsdaten regelt. Vollständig heißt es «Gesetz zu Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses». Da dieses in Artikel 10 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich fixiert ist, lautet die Kurzform G-10-Gesetz.

    Es verpflichtet Postanbieter sowie Telekom- und Internetkonzerne, den Verfassungsschutzämtern, dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr auf Verlangen Sendungen zu übergeben und ihnen die Aufzeichnung und Überwachung der Telekommunikation technisch zu ermöglichen. Laut Gesetz dürfen die Dienste derartige Maßnahmen unter anderem zur Abwehr einer «drohenden Gefahr» für die demokratische Grundordnung oder seitens des BND etwa im Kampf gegen Organisierte Kriminalität beantragen. Genehmigt werden diese nicht von Gerichten, sondern von einer Kommission aus zehn Bundestagsabgeordneten, der sogenannten G-10-Kommission.

    Neben der Telekom und Netcologne sind demnach auch die drei deutschen Teleport-Anbieter Stellar, Cetel und IABG mit roten Kernen markiert. Ein GCHQ-Dokument liste Mitarbeiter namentlich als Zielpersonen auf und enthalte auch Kennworte für die Server von Stellar-Kunden. Es handele sich um "Geschäftsgeheimnisse und sensible Informationen", sagte Stellar-IT-Chef Ali Fares dem "Spiegel". Geschäftsführer Christian Steffen betonte: "Ein solcher Cyberangriff ist nach deutschem Recht eindeutig strafbar."

    Telekom und Netcologne konnten nach "Spiegel"-Angaben bislang keine verdächtigen Vorrichtungen oder Datenübermittlungen feststellen. "Der Zugriff ausländischer Geheimdienste auf unser Netz wäre völlig inakzeptabel", sagte Telekom-Sicherheitschef Thomas Tschersich.

    Opposition kritisiert Vorgehen der Regierung in der NSA-Affäre

    Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bestätigte am Sonntag, dass es über den im "Spiegel" dargestellten Sachverhalt "unterrichtet" sei und diesen gemeinsam mit anderen Behörden analysiere. Weitere Auskünfte wollte das Amt zunächst nicht geben.

    Die Opposition warf der Bundesregierung Mitverantwortung vor. Wenn die Geheimdienste noch heute ungehindert Zugriff auf die deutsche Telekommunikationsinfrastruktur haben, offenbare dies, dass die Netzsicherheit von der großen Koalition "ganz klein geschrieben" werde, erklärte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz in Berlin.

    NSA-Spähaffäre sorgt für ein schwieriges deutsch-amerikanisches Verhältnis

    Der Linken-Abgeordnete Jan Korte kündigte an, "diese weitere Umdrehung im unendlichen Überwachungsskandal" auf die Tagesordnung des Innenausschusses zu setzen. Die Bundesregierung, deren Geheimdienste einen engen Datenaustausch mit NSA und GCHQ pflegten, verletze "permanent ihren Amtseid, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden".

    Die Spähaffäre belastet seit mehr als einem Jahr das US-deutsche Verhältnis. Für weitere Irritation sorgte im Sommer die Enttarnung zweier Behördenmitarbeiter, die mutmaßlich für die USA in Deutschland spionierten.

    Ausrüstung des enttarnten CIA-Spions wird untersucht

    An der technischen Ausrüstung des im Juli enttarnten CIA-Spions Markus R. beißen sich die Ermittler nach einem Bericht des "Spiegels" die Zähne aus: BSI-Fachleuten sei es bislang nicht gelungen, dessen "hochprofessionell" gesicherten Laptop zu entschlüsseln. Das habe Generalbundesanwalt Harald Range vergangene Woche den Obleuten des NSA-Untersuchungsausschusses berichtet. afp/AZ

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