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Zollkontrollen: Böses Erwachen bei der Zollkontrolle: So gruselig können Urlaubssouvenirs sein

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Böses Erwachen bei der Zollkontrolle: So gruselig können Urlaubssouvenirs sein

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    Urlauber bringen oft die schrägsten Souvenirs aus von ihrer Reise mit - wie hier ein kleiner Kaiman mit Sonnenschirm.
    Urlauber bringen oft die schrägsten Souvenirs aus von ihrer Reise mit - wie hier ein kleiner Kaiman mit Sonnenschirm. Foto: BWZ

    Sagen wir es frei heraus: Man könnte kotzen bei diesem Anblick. Und den Übeltätern so einiges wünschen. Dem Mörder des Tierbabys. Demjenigen, der es ausgestopft hat. Und dem Schuft, der es sich als ach so süße Bereicherung für seine Wohnzimmer-Dekoration beschafft und im Urlaubskoffer in die bayerische Heimat transportiert hat. Endstation Zoll.

    Thomas Meister ist ein erfahrener Beamter. Er wählt seine Worte mit Bedacht. Muss er auch, als Sprecher des Hauptzollamtes in München. Und so erzählt er nur, dass es „schockierend“ gewesen sei, als eines Tages bei einer Gepäckkontrolle am Flughafen im Erdinger Moos der kleine präparierte Löwe zum Vorschein kam. Es würde ihm aber auch niemand übel nehmen, würde er jetzt sagen: Bei aller Liebe, wenn ich so etwas sehe, könnte ich kotzen.

    Seit fast 20 Jahren predigt er mantraartig auf Reisemessen und anderen Veranstaltungen so Sätze wie: „Sammeln Sie Eindrücke, nicht Souvenirs.“ Oder: „Artenschutz geht jeden an.“ Solche Ratschläge kommen bei der Rückkehr vom Urlaub am Flughafen natürlich zu spät. Also will er dort die Leute aufrütteln, wo der Urlaub erst noch geplant wird. Meister packt dann zu Demonstrationszwecken den Löwen aus der Tasche. Oder die tote Kobra, die jemand in eine Flasche Reisschnaps gepresst hat, angereichert mit Ginseng und anderen Pflanzen. Soll die Potenz fördern und Rheuma lindern. Nun ja ...

    Ausgestopfte Tiere: Urlauber sind nicht mit Zollbestimmungen vertraut

    Er holt dann weit aus, betont, wie wichtig es ist, dass man als Urlauber nicht alles Mögliche am Strand einsammelt oder sich von windigen Souvenirhändlern andrehen lässt. Schon gar keine Raubtiere, Affen oder Reptilien – tot oder lebendig. Was bringt es denn, wenn sich die Vertreter von 183 Staaten wie jetzt in Südafrika fast zwei Wochen lang über Handelsverbote und andere Schritte zum Schutz von bedrohten Tier- und Pflanzenarten die Köpfe heißreden? Und dann reist Lieschen Müller ans Meer und packt sich die Tasche mit exotischem Kleingetier voll. Womöglich völlig gedankenlos. Ist doch nur ein kleines Souvenir, so ein Korallenstückchen. Und wer, bitte schön, liest vor dem Urlaub schon die Zollbestimmungen?

    Sollte man besser tun. Bei der Einreise nach Deutschland müssen die Kontrolleure Frau Müller dann aufklären, dass das keine gute Idee, sondern rechtswidrig war, und nun eine empfindliche Strafe droht. Im günstigsten Fall ein Bußgeld von 150 Euro, im Extremfall eine Haftstrafe. Wobei man Herrschaften, die ein totes Raubtier in den Rollkoffer stopfen, sicher keine Unwissenheit über Einfuhrverbote unterstellen sollte. Zu glauben, das alles sei rechtens – so naiv kann keiner sein.

    Die Zöllner am Münchner Flughafen haben im vergangenen Jahr 209 Verstöße gegen das Washingtoner Artenschutzabkommen registriert. Das ist quasi das weltweite Regelwerk auf diesem Gebiet. Darin steht, welche Arten wie stark gefährdet sind und inwieweit sie gehandelt werden dürfen. Derzeit sind rund 5600 Tier- und 30.000 Pflanzenarten erfasst. Alle paar Jahre werden die Listen überarbeitet. Die diesjährige Konferenz in Johannesburg endet morgen. Deutschland hat den Inhalt des Abkommens über die Bundes- beziehungsweise die EU-Artenschutzverordnung umgesetzt, die noch strenger sind.

    Ein Bruchteil dessen, was von den Schmuggelreisen der Urlauber übrig bleibt und die Münchner Flughafen-Zöllner entdecken, lagert in der Asservatenkammer. Ein Raum mit vielleicht 60 Quadratmetern gleich am Frachtterminal, vollgepfercht mit Regalen, die wiederum vollgepfercht sind mit ausgestopften Raubtieren, Elfenbein, Nashörnern, Gläsern, Flaschen – ein Inhalt ekliger als der andere. Ein Gruselkabinett der Urlaubssouvenirs. Als wäre das nicht genug, sagt Thomas Meister: „Im Jahr kommen bis zu 3000 Einzelstücke dazu.“ 3000? „3000.“ Das muss er genau erklären.

    Lebende Tiere am Münchner Flughafen werden seltener

    Also: Das meiste davon, sagt er, gebe man zu Aufklärungszwecken wieder ab, an Schulen beispielsweise. „Es ist ja nicht so, dass wir jeden Tag einen ausgestopften Puma konfizieren.“ Sondern vor allem Meeressouvenirs, Korallenstücke beispielsweise. Was man am Strand halt so findet und als Mitbringsel schnell in die Tasche steckt. Fakt ist aber: Korallen sind vielerorts akut gefährdet, weltweit geschützt und somit als Andenken verboten. Deshalb gibt es bei der Gepäckkontrolle in München auch kein Pardon. Was illegal ist, wird beschlagnahmt. Basta. Steckt dann noch kriminelle Energie dahinter, schalten die Beamten das Zollfahndungsamt ein.

    Immer beliebter werden dabei medizinische Produkte. Substanzen, die aus geschützten Tieren und Pflanzen gewonnen werden und besonders in der Traditionellen Chinesischen Medizin ihren festen Platz haben, sagt der Zoll. Verarbeitet werden etwa die Gallenflüssigkeit von Bären, vermahlene Nashorn-Hörner oder Knochen von Raubkatzen. In München haben die Beamten kürzlich Rheumapflaster aus Affenhoden und Tigerknochen entdeckt. Oder: 2015 hat der Zoll bundesweit 480.000 Diät-Kapseln aus der streng geschützten indischen Kostuswurzel beschlagnahmt.

    Lebende Tiere, die Reisenden abgenommen werden, sind am Münchner Airport mittlerweile selten, erzählt Thomas Meister. Zum Glück. In Frankfurt am Main mit Deutschlands größtem Flughafen ist das anders. Dort hat der Zoll 2015 sage und schreibe 4627 lebende Tiere sichergestellt, die international als geschützt gelistet sind: Schildkröten, Frösche, Vogelspinnen oder Papageien. Dabei kommen speziell ausgebildete Artenschutz-Spürhunde zum Einsatz. Übrigens: Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen auch geschützte Arten legal eingeführt werden – „mehr als 90 Prozent der gelisteten Arten“ sogar, sagt Dietrich Jelden vom Bundesamt für Naturschutz. Wenn der Zweck gewerblich ist, amtliche Papiere vorliegen und diese auch stimmen.

    Popstar Justin Bieber, der Fall machte weltweit Schlagzeilen, hatte solche Papiere eben nicht, als er 2013 mit seinem Kapuzineräffchen Mally in München landete. Die Zollbeamten blieben hart. Sie ließen Mally nicht einreisen, sondern brachten ihn ins Tierheim. Weil Bieber die tierseuchen- und artenschutzrechtlichen Dokumente nicht nachreichen wollte oder konnte und die Liebe zum Affen offensichtlich schnell erkaltet war, ging dieser in den Besitz der Bundesrepublik über. Mally fand schließlich ein neues Zuhause im Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen. Bieber zahlte Bußgeld und Gebühren in Höhe von 8000 Euro – wenn auch erst nach anderthalb Jahren.

    Und was passiert mit den anderen Tieren? Im Hauptzollamt liegt eine Adressliste von Privatleuten, Experten für bestimmte Arten, die bereit sind, Tiere fürs Erste bei sich aufzunehmen. Früher, als noch mehr lebende Schlangen oder Echsen am Flughafen entdeckt wurden, landeten diese häufig in der Auffangstation für Reptilien, einem Verein am Englischen Garten, der aus der tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität hervorgegangen ist. Und heute? „Kriegen wir im Jahr vielleicht noch ein oder zwei Fälle vom Zoll“, sagt Sprecher Patrick Boncourt. Schmuggler von Schlangen, glaubt er, seien „nicht mehr so doof und nutzen den Flughafen“. Die hätten andere Möglichkeiten, über die Straße. Trotzdem platzt die Einrichtung hier aus allen Nähten. Im Jahr werden durchschnittlich 1200 Tiere abgegeben. Ein giftiger Skorpion, der in einem Keller gefunden wird; ein Umzugskarton mit 20 Kornnattern, der eines Morgens vor dem Gebäude steht – solche Fälle.

    Münchner Zollbeamte finden 200 tiefgefrorene Singvögel in Koffer

    Schwerpunktmäßig sind das Tiere, die hierzulande gezüchtet, von Privatleuten gehalten und nun aus tier- und artenschutzrechtlichen Gründen beschlagnahmt wurden. Reptilien also, die der Besitzer loswerden will, weil sie krank oder einfach lästig geworden sind. Oder die Behörden schreiten aus Sicherheitsgründen ein. Deshalb musste der Verein einen Raum eigens für Giftschlangen einrichten. Weil sich selbst im Büro schon die Terrarien stapeln, benötigt der Verein dringend einen Neubau. Doch das Geld ist knapp, seit Jahren kämpft der Verein um Zuschüsse. Der Fall liegt jetzt im Landtag. Mit Aussicht auf Erfolg? „Die Gespräche laufen“, mehr kann Boncourt nicht sagen.

    Doch was nützen alle Artenschutzabkommen, alle Appelle und Verordnungen, wenn sich so viele nicht daran halten? Wenn Urlauber nicht dazulernen wollen. Wenn das Geschäft mit Elfenbein und Co. blüht, gerade im Internet, und Wilderer dafür das schmutzige Geschäft erledigen. In München fanden die Beamten im Koffer eines aus Rumänien kommenden Italieners 200 tiefgefrorene Singvögel. Sie waren für den Kochtopf bestimmt. Dass die Tiere in der EU seit gut 35 Jahren streng geschützt sind, wollte der Mann nicht gewusst haben.

    Solange solche Fälle möglich sind, werden die Zöllner nicht lockerlassen. Werden Koffer auch bei der Ankunft röntgen, wenn beispielsweise ein Flieger aus Südafrika gelandet ist. Werden „ihrem Gespür folgen“, wie Thomas Meister das nennt, wenn sie Reisende bitten, ihr Handgepäck zu öffnen. Auch auf die Gefahr hin, wieder mal auf etwas zu stoßen, das im Gruselkabinett der Souvenirs landen wird. mit dpa

    Was Sie aus welchen Ländern nicht einführen dürfen, finden Sie unter artenschutz-online.de.

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