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Großbritannien: Boris Johnson - der Brexit als politisches Sprungbrett

Großbritannien

Boris Johnson - der Brexit als politisches Sprungbrett

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    Boris Johnson, Bürgermeister von London, bei seiner Erklärung am Wochenende, den Austritt Großbritanniens aus der EU zu unterstützen.
    Boris Johnson, Bürgermeister von London, bei seiner Erklärung am Wochenende, den Austritt Großbritanniens aus der EU zu unterstützen. Foto: Facundo Arrizabalaga, dpa

    Boris Johnson weiß, wie man den ganz großen Auftritt absolviert. Kein anderer britischer Politiker inszeniert sich so geschickt wie Londons Bürgermeister. Das hat er am Wochenende wieder einmal bewiesen. Lediglich ins kollektive Politiker-Getöse einzustimmen und mitzuteilen, dass er einen Austritt des Königreichs in der Europäischen Union befürwortet, wäre für den unangepassten Mann mit dem immensen Ego nicht das Richtige gewesen. Er wollte sichergehen, dass er auf den Titelseiten der Montagsausgaben erscheint, und so zögerte der 51-Jährige zwei Tage lang, wenn auch nur scheinbar. Es funktionierte: Boris, wie er nur genannt wird, bekam die großen Schlagzeilen: „Auftrieb für Austrittskampagne durch Boris’ Brexit-Unterstützung“, hieß es bei The Times, „Blondes Gift“, bezeichnete ihn das Boulevardblatt The Sun.

    „Warum Großbritannien Nein sagen sollte“, erklärte Johnson höchstpersönlich in einem Artikel im konservativen Telegraph. Er liebe Europa, was aber nicht mit dem EU-Projekt verwechselt werden dürfe, schrieb er. Dieses sei „in Gefahr, außer Kontrolle zu geraten“. Premierminister David Cameron warf er vor, keine grundlegende Reform durchgesetzt zu haben. Dabei habe ihm die Entscheidung, sich gegen den Regierungschef zu stellen, eine gehörige Menge Kopfschmerzen bereitet, sagte die schillernde Persönlichkeit. Das wiederum nahmen ihm nur wenige Beobachter wirklich ab. Der Kampf der nächsten Monate dürfte lauten: Johnson gegen Cameron.

    Im Juni stimmen die Briten über einen Verbleib in der EU ab

    Der Premier betonte dagegen auch gestern vor dem Parlament, Großbritannien sei in der EU „sicherer, stärker und wohlhabender“. Grundlage seines Engagements für einen Verbleib sei der Sonderstatus für seine Landsleute, den er am späten Freitagabend mit den übrigen Mitgliedstaaten ausgehandelt hatte. Doch noch bevor der Deal bekannt wurde, trommelten die Austrittsbefürworter bereits laut für den Brexit.

    Am 23. Juni dürfen die Briten in einem Referendum über die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft abstimmen, das Land ist in der Frage tief gespalten. Nach einer Kabinettssitzung am Samstagmorgen wurde klar, dass sich fünf Minister gegen die Regierung stellen und in privater Funktion für den Austritt werben würden. Das hatte Cameron den Widersachern ausdrücklich erlaubt. Doch alle Augen richteten sich auf Boris Johnson. Am Sonntagabend trat er dann vor seine Haustür in Nord-London und verkündete, dass er sich an der Kampagne für einen Austritt Großbritanniens aus der EU beteiligen werde. Damit stellte er sich klar gegen David Cameron.

    Boris Johnson könnte im Falle des Brexit neuer Premierminister werden

    Politisches Kalkül? Dass sich Johnson salopp kleidet und vorzugsweise mit dem Rad durch London fährt – wobei seine Frisur Kommentatoren schon zu Vergleichen mit Wischmobs animierte –, täuscht nur vordergründig darüber hinweg, dass hinter der Fassade des lockeren Clowns ein knallharter Politiker steckt. Mit der Entscheidung, das Brexit-Lager zu unterstützen, geht er zwar ein riskantes Spiel ein, das ihn aber am Ende in die Downing Street Nummer 10, den Sitz des britischen Premierministers, bringen könnte.

    Denn sollten die Briten in dem Referendum tatsächlich für den Austritt stimmen, wird Cameron seine zweite Amtszeit vorzeitig beenden müssen. Und selbst wenn die Volksabstimmung zugunsten der EU ausgehen sollte, stehen die Chancen für Boris Johnson nicht schlecht, Cameron zu beerben.

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