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Finanzkrise: "Bürgergehalt" und mehr: Italien feiert seine neuen Schulden

Finanzkrise

"Bürgergehalt" und mehr: Italien feiert seine neuen Schulden

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    Vizeregierungschef und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio feiert den neuen Schuldenhaushalt: „Morgen werden wir in einem neuen Italien aufwachen.“
    Vizeregierungschef und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio feiert den neuen Schuldenhaushalt: „Morgen werden wir in einem neuen Italien aufwachen.“ Foto: Alessandro Di Meo, dpa

    Die Anhänger und Abgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung feierten vor dem Sitz des Ministerpräsidenten mit weißen Fahnen. Vom Balkon des Palazzo Chigi in Rom jubelten die Minister der Menge unten zu. Ganz vorne mit geballter Faust: Luigi Di Maio, politischer Chef der Bewegung, Arbeitsminister und Vizeregierungschef. „Morgen werden wir in einem neuen Italien aufwachen“, schrieb er Donnerstagnacht in den sozialen Netzwerken.

    Der Grund für den Freudenausbruch war, dass sich die Regierung entgegen den Warnungen der EU-Kommission und von Finanzexperten zuvor auf eine höhere Neuverschuldung von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Jahren 2019 bis 2021 geeinigt hatte. Damit sollen die Wahlkampfversprechen von Fünf-Sterne-Bewegung und Lega verwirklicht werden. Dazu zählen ein als „Bürgergehalt“ bezeichnetes Arbeitslosengeld, niedrigere Steuersätze sowie die Reduzierung des Renteneintrittsalters.

    Ein ausgeglichener Haushalt in Italien sollte 2020 erreicht werden

    „Erstmals stellt sich der Staat auf die Seite der Bürger; zum ersten Mal nimmt er nicht, sondern gibt“, behauptete Di Maio. Die Anfang Juni aus dem Amt geschiedene sozialdemokratische Vorgängerregierung hatte für 2019 eine Neuverschuldung von 0,9 Prozent angepeilt. 2020 sollte ein ausgeglichener Haushalt stehen. Entsprechende Erwartungen hatte auch die EU-Kommission in Brüssel. Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, der den Haushaltsentwurf der italienischen Regierung Mitte Oktober aus Rom zugesandt bekommt, warnte am Freitag: „Es ist ein Budget, das außerhalb der Grenzen unserer gemeinsamen Regeln zu sein scheint.“

    Es könne nicht im Interesse Italiens und der Italiener sein, sich zu verschulden, warnte Moscovici vor den Folgen des heutigen Schuldenmachens für die Zukunft: „Jeder Euro, der für die Rückzahlung der Schulden ausgegeben wird, ist ein Euro weniger für Autobahnen, für Bildung und für soziale Gerechtigkeit“, sagte Moscovici. Am Ende sei es „immer die Bevölkerung, die bezahlt“.

    Wie Brüssel auf die Zahlen reagiert, ist noch offen

    Die EU-Kommission habe kein Interesse an einem Konflikt mit Italien. „Aber wir haben auch kein Interesse daran, dass Italien die Regeln nicht akzeptiert und seine Schulden nicht reduziert“, droht er indirekt mit Sanktionen gegen Rom. Doch es ist völlig offen, wie Brüssel auf die Zahlen aus Rom reagieren wird. Das Staatsdefizit Italiens beträgt rund 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das sind etwa 2,3 Billionen Euro.

    Experten warnen vor einer Krise und befürchten nun eine weitere Abwertung der Kreditwürdigkeit Italiens durch die internationalen Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s im Oktober. Dann muss auch die EU-Kommission offiziell zu den Haushaltsplänen Stellung nehmen.

    Giovanni Tria beharrte auf einer maximalen Neuverschuldung von 1,9 Prozent

    Der offenbar einstimmig gefallenen Entscheidung des Kabinetts von Ministerpräsident Giuseppe Conte war ein heftiger interner Machtkampf mit dem parteilosen Finanzminister Giovanni Tria vorausgegangen. Der Finanzfachmann Tria war auf Druck von Staatspräsident Sergio Mattarella im Juni in die Regierung aufgenommen worden und hatte auf einer maximalen Neuverschuldung von 1,9 Prozent beharrt. Damit hätten Fünf-Sterne-Bewegung und Lega aber ihre Wahlkampfversprechen nicht wie gewollt einlösen können. Staatspräsident Mattarella soll nun auch Trias Rücktritt mit einem Appell an den Minister verhindert haben.

    Vor allem den „Grillini“, die laut Umfragen in der Wählergunst hinter die ultrarechte Lega gefallen sind, war an der Verwirklichung des von ihnen angekündigten „Bürgergehalts“ gelegen, wenn auch in geringerer Form als versprochen. Mit etwa zehn Milliarden Euro, die nun im Haushalt für 2019 bereitgestellt werden, sollen sechs Millionen arbeitslose Italiener einen monatlichen Scheck in Höhe von 780 Euro bekommen. Sieben Milliarden Euro sollen für Steuersenkungen für Firmen und einkommensschwache Italiener verwendet werden, acht Milliarden Euro dienen zur Reduzierung des Renteneintrittsalters. Die beiden letztgenannten Maßnahmen hatte vor allem die Lega und ihr Parteichef, Innenminister Matteo Salvini, im Wahlkampf versprochen.

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