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Asylpolitik: CSU kritisiert Merkel: "Wir haben die Kontrolle verloren"

Asylpolitik

CSU kritisiert Merkel: "Wir haben die Kontrolle verloren"

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    Hans-Peter Friedrich spricht von einer «beispiellosen politischen Fehlleistung» der Regierung.
    Hans-Peter Friedrich spricht von einer «beispiellosen politischen Fehlleistung» der Regierung. Foto: Kay Nietfeld/Archiv (dpa)

    „Es war eine Notlage.“ Christiane Wirtz, die stellvertretende Regierungssprecherin, kann sich nur wiederholen. Eine Woche nach Angela Merkels Entscheidung, tausende von Flüchtlingen aus Ungarn über Österreich in die Bundesrepublik einreisen zu lassen, ist die erste Euphorie über diese Geste in der Koalition verflogen – und in einen handfesten Hauskrach umgeschlagen. Offen wie lange nicht attackiert die Schwesterpartei die Kanzlerin, deren Sprecherin sich am Freitag vor der Hauptstadtpresse immer wieder in die gleiche Antwort flüchtet: „Es war eine Notlage.“

    Am Abend zuvor hatte die CSU in der bayerischen Landesvertretung in Berlin noch ganz nostalgisch den 100. Geburtstag ihres Idols Franz Josef Strauß nachgefeiert. Beim anschließenden Essen drehte sich das Gespräch an vielen Tischen dann zwar ebenfalls schon um das Thema Flüchtlinge, wie hart Parteichef Horst Seehofer tags darauf mit Angela Merkel ins Gericht gehen würde, ahnte da allerdings noch niemand. Ihre Entscheidung, tobt er im Spiegel, „war ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird. Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen.“

    Flüchtlingskrise: Seehofer spricht von Notlage in Deutschland

    Auch Seehofer spricht von einer Notlage, allerdings nicht von der in Ungarn. Er fürchtet, dass Merkels Großzügigkeit Deutschland in eine „nicht mehr zu beherrschende Notlage“ bringt. Zuvor hatte bereits der frühere Innen- und Agrarminister Hans-Peter Friedrich scharf gegen die Regierungschefin geschossen: Dass sie Flüchtlinge aus Ungarn unkontrolliert und unregistriert ins Land gelassen habe, sei „eine beispiellose politische Fehlleistung“ und werde „verheerende Spätfolgen“ haben. Und selbst wenn bei ihm noch ein Stück Verbitterung im Spiel ist, weil Angela Merkel ihn in der Edathy-Affäre zum Rücktritt gedrängt hat: Vielen Parteifreunden spricht der Franke aus der Seele.

    Wenn in diesem Jahr mehr Menschen zuwanderten, als hier geboren würden, sagt der bayerische Finanzminister Markus Söder, „wirkt sich das auf die kulturelle Statik einer Gesellschaft aus“. Selbst in der SPD, die in der Asylpolitik deutlich liberaler argumentiert, regt sich erste Kritik. „Die Kanzlerin hat aus humanitären Gründen richtig gehandelt“, räumt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zwar ein. Allerdings könne sie solche Zusagen nicht geben, ohne dies mit den Ländern zu besprechen, die die Menschen aufnehmen müssten. Wenn auch unfreiwillig klingt die Sozialdemokratin plötzlich wie der Christsoziale Söder, mit dem sie sonst wenig verbindet. Die CSU sei von Angela Merkels Entscheidung überrascht worden, kritisiert der. „Wir hätten es besser gefunden, wenn man vor solch wichtigen Fragen miteinander spricht.“

    Friedrich befürchtet islamistische Terroristen unter Flüchtlingen

    Bis heute ist unklar, ob und, wenn ja, mit wem Angela Merkel sich vor ihrer Entscheidung besprochen hat. Ihre PR-Frau Wirtz beteuert auf entsprechende Nachfragen nur, dass es sich um eine Notlage gehandelt habe und dass Deutschland eine humanitäre Verpflichtung habe. Im Auswärtigen Amt heißt es, Minister Frank-Walter Steinmeier sei an der Entscheidung „beteiligt“ gewesen – in welcher Form auch immer. Nachfragen, ob und wann Seehofer über die Pläne informiert war, ließ die CSU am Freitag unbeantwortet.

    Bei der Klausur des Kabinetts in der kommenden Woche im brandenburgischen Schloss Meseberg soll es zwar vor allem um die digitale Zukunft Deutschlands gehen – an der Flüchtlingsfrage aber führt für die Kanzlerin und ihre Minister auch dort kein Weg vorbei. Obwohl Union und SPD sich erst vor wenigen Tagen auf ein umfangreiches Paket von Maßnahmen geeinigt haben, klagt Merkel-Kritiker Friedrich: „Wir haben die Kontrolle verloren.“ Seine Befürchtung, durch den ungehinderten Andrang der Flüchtlinge kämen fast zwangsläufig auch islamistische Terroristen nach Deutschland, kann das Innenministerium bislang allerdings nicht bestätigen: Die Geheimdienste hätten auch die Flüchtlinge genau im Auge, beteuert ein Sprecher von Thomas de Maizière. Für Friedrichs These gebe es bisher aber keine Hinweise.

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