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Pegida: Das Demo-Verbot in Dresden bleibt eine Ausnahme

Pegida

Das Demo-Verbot in Dresden bleibt eine Ausnahme

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    So sah es vor gut einer Woche in Dresden aus: Über 20000 Anhänger besuchten die montägliche Pegida-Kundgebung. Gestern Abend blieben die Pegida-Anhänger wegen des Verbots zu Hause.
    So sah es vor gut einer Woche in Dresden aus: Über 20000 Anhänger besuchten die montägliche Pegida-Kundgebung. Gestern Abend blieben die Pegida-Anhänger wegen des Verbots zu Hause. Foto: Arnos Burgi, dpa

    „Es gibt Grund zur Sorge, aber nicht zu Hysterie.“ Als der damalige Innenminister Thomas de Maizière im November 2010 zusätzliche Polizisten an Flughäfen, an Bahnhöfen und am Reichstag aufmarschieren ließ, hatte Deutschland gerade erst eine Schrecksekunde überstanden. Ein Paket mit einer Bombe aus dem Jemen, die per Fernzünder in einem Flugzeug über den USA explodieren sollte, lag für ein paar Stunden auch auf dem Flughafen Köln/Bonn, ehe die Maschine weiter nach London flog, wo der Sprengsatz entdeckt und entschärft wurde.

    Mit der bis dahin wohl eindringlichsten Terrorwarnung war aus der abstrakten Gefahr, von der de Maizière immer gesprochen hatte, plötzlich eine sehr konkrete geworden. Auch in Deutschland hatte ein Team von Attentätern danach einen Anschlag geplant.

    Absage der Demo in Dresden soll eine Ausnahme bleiben

    Mittlerweile ist de Maizière nach einem Abstecher ins Verteidigungsressort wieder Innenminister – zu ähnlich drastischen Maßnahmen wie vor vier Jahren aber will er trotz konkreter Drohungen gegen einen der Organisatoren der Dresdner Demonstrationen noch nicht greifen. Die von den sächsischen Behörden erzwungene Absage der für gestern geplanten Kundgebung soll die Ausnahme bleiben und nicht die Regel werden. Für die Entscheidung werde es gute Gründe gegeben haben, mutmaßt Justizminister Heiko Maas (SPD).

     Terrordrohungen aber dürften nie dazu führen, dass Meinungen unterdrückt werden. „So weit der Protest nicht gegen unsere Gesetze verstößt, ist er durch die Meinungsfreiheit gedeckt.“ Anton Hofreiter, der Fraktionschef der Grünen, sieht das ähnlich: Die Pegida-Demonstrationen seien widerlich, sagt er. „Aber natürlich haben die Behörden dafür zu sorgen, dass auch diese widerlichen Meinungsäußerungen möglich sind.“

    Spekulationen, die Bundespolizei sei zu schlecht ausgerüstet, um den Kollegen in Dresden bei Bedarf schnell zur Seite springen zu können, weist de Maizières Sprecherin Pamela Müller-Niese zurück: „Das kann ich nicht bestätigen.“ Wie künftige Kundgebungen der Pegida ausreichend geschützt werden können, ist aber nach wie vor unklar. „Wir können ja nicht in vorauseilendem Gehorsam Demonstrationen verbieten“, warnt die SPD-Innenexpertin Gabriele Fograscher, die nach den Anschlägen von Paris eine Sicherheitslücke besonders zügig schließen will.

    „Wir wissen bis heute nicht, wer auf den No-Fly-Listen der Amerikaner steht“, sagt die Nördlinger Abgeordnete unserer Zeitung. Terrorverdächtige, deren Namen dort auftauchen, dürfen weder in die USA einreisen noch aus ihr ausreisen. Was aber, wenn einer dieser Verdächtigen in Deutschland lebt und die deutschen Dienste ihn noch nicht auf ihrem Schirm haben?

    Verbot von Versammlungen nur in bestimmen Fällen zulässig

    Das ist Pegida

    DER NAME: "Pegida" steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Im Kern handelt es sich um ein Demonstrationsbündnis, das sich gegen eine angeblich drohende Ausbreitung des Islamismus in Deutschland und Europa einsetzt.

    DIE DEMOS: Das Bündnis führt an Montagen Proteste in Dresden durch. Zur ersten Demonstration im Oktober kamen etwa 500 Menschen. In Spitzenzeiten waren es 17.000. Inzwischen ist der Trend rückläufig.

    DER ORGANISATOR: Initiator der Proteste ist Lutz Bachmann, Inhaber einer Werbeagentur. Bachmann ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung sowie Einbruch und Diebstahl. 1998 floh er nach Südafrika, um einer fast vierjährigen Haftstrafe in Deutschland zu entgehen.

    DIE ZIELE: Die Teilnehmer des Bündnisses protestieren unter anderem für eine „Null Toleranz“-Politik gegenüber „straffällig gewordenen Zuwanderern", für den "Schutz der deutschen Identität“ und gegen "Asylmissbrauch".

    DIE GRUPPEN: Mittlerweile gibt es nicht nur in Dresden ein solches Bündnis, sondern auch in Magdeburg, Rostock, Würzburg und München. Der bayerische Ableger nennt sich "Bagida" ("Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes").

    DIE KRITIK: Experten sehen in Pegida eine Gruppierung mit rechtsextremistischen Tendenzen. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke beschreibt die Proteste als "rechtsextreme, rechtspopulistische und rechtsnational motivierte Massenbewegung".

    Auch von CDU und SPD kam Kritik an den Protesten. Bernd Lucke, Vorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD), bezeichnete Pediga hingegen als "gut und richtig".

    Nach dem Versammlungsgesetz ist ein Verbot wie jetzt in Dresden nur zulässig, wenn die öffentliche Sicherheit „unmittelbar gefährdet“ ist und ein „polizeilicher Notstand“ droht. Der diffuse Verdacht, dass vielleicht etwas passieren könnte, reicht dazu nicht aus. Auch deshalb hat die NPD immer wieder mit Erfolg gegen Verbote geklagt, die Kommunen aus Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Gegendemonstranten erlassen hatten. Insgesamt gibt es nach Recherchen der Nachrichtenagentur afp etwa 1000 solcher Urteile, die keineswegs nur Neonazis, sondern auch Atomkraftgegner in den vergangenen Jahrzehnten erstritten haben.

    So einig sich die Koalition über den juristischen Umgang mit Pegida ist, so umstritten ist der politische Umgang mit den Dresdner Demonstranten. Während die Union in Person ihres Präsidiumsmitgliedes Jens Spahn nun das Gespräch mit ihnen suchen will, lehnt die SPD-Spitze nach wie vor jeden Dialog ab. „Das wäre ein falsches Zeichen“, sagt Generalsekretärin Yasmin Fahimi, die als Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter selbst zur Zielscheibe eines anonymen Pegida-Sympathisanten geworden ist. Menschen wie sie, hat ihr der geschrieben, „gefährden das Recht der Deutschen auf Bewahrung ihrer Identität.“ Und: „Die Abrechnung mit dir folgt.“

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