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EU-Sondergipfel: Das sind die Positionen der EU-Länder im Asylstreit

EU-Sondergipfel

Das sind die Positionen der EU-Länder im Asylstreit

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    Kanzlerin Merkel sucht in der Flüchtlingspolitik eine Lösung auf europäischer Ebene.
    Kanzlerin Merkel sucht in der Flüchtlingspolitik eine Lösung auf europäischer Ebene. Foto: Michael Kappeler (dpa)

    Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht offenbar Lösungsmöglichkeiten für den Asylstreit auf europäischer Ebene. "Es gab dazu heute viel guten Willen, und auch, neben einigen Unterschieden, doch ein großes Maß an Gemeinsamkeiten", sagte Merkel am Sonntagabend nach einem Asyl-Sondertreffen in Brüssel. 

    Ob eine rasche Lösung oder Absprachen mit einzelnen EU-Ländern gelingen könnten, ließ die CDU-Chefin aber offen. Sie sagte, man werde "in den nächsten Tagen bis zum Europäischen Rat, aber natürlich auch danach weiter an einer Lösung" arbeiten. Zuvor hatte sie noch von bi- oder trilateralen Vereinbarungen in den kommenden Tagen gesprochen.

    Auch innenpolitisch wächst der Druck auf die Bundeskanzlerin, endlich eine Lösung zu finden

    Merkel steht innenpolitisch enorm unter Druck, bis zum EU-Gipfel Donnerstag und Freitag auf europäischer Ebene einen Weg zu finden, den Zustrom von in anderen EU-Ländern registrierten Asylbewerbern nach Deutschland zu bremsen. Gelingt keine für die CSU akzeptable Lösung, will Innenminister Horst Seehofer einseitig mit Zurückweisungen an der deutschen Grenze beginnen. Das könnte zur Zerreißprobe werden. Nicht nur für die Fraktionsgemeinschaft von CDU/CSU und die große Koalition werden, sondern auch für die ganze Europäische Union.

    Und tatsächlich gehen die Vorstellungen einiger EU-Mitgliedsstaaten zur Asylpolitik zum Teil weit auseinander. Eine Rücknahme von Flüchtlingen ist - wie schon die Umverteilung zuvor - heftig umstritten. Auch beim Thema verstärkter Grenzschutz werden unter einem Begriff ganz unterschiedliche Ideen zusammengefasst: von geordneter Einwanderung bis hin zu Abweisung von Migranten. Gegen symbolträchtige Schritte wie eine verschärfte Kontrolle auf Flughäfen gibt es dagegen keine öffentlichen Einwände. Ein kurzer Überblick:

    Italien: In Rom ist der Unmut über Berlin groß. Regierungschef Giuseppe Conte erklärt, er habe Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht, dass er nur komme, wenn es keinen (von Deutschland und Frankreich) vorgefertigten Text gebe. Sein Innenminister Matteo Salvini sagte, Italien wolle angesichts Hunderttausender Ankömmlinge in den vergangenen Jahren Asylbewerber abgeben statt zurückzunehmen. Merkels Ziel bilateraler Vereinbarungen erteilte er eine Absage: "Wir können keinen Einzigen mehr aufnehmen." Es erscheint damit äußerst fraglich, dass Merkel ein bilaterales Abkommen mit dem Land zur Rücknahme von Migranten gelingen kann.

    Österreich: Kanzler Sebastian Kurz fordert eine Wende in der Asylpolitik. Er will einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen erreichen, sieht aber kaum Chancen für eine europäische Lösung und ist bereit für nationale Alleingänge. Kanzleramtsminister Gernot Blümel forderte im Deutschlandfunk die Einrichtung von Asylzentren außerhalb Europas, Verteidigungsminister Mario Kunasek via "Welt am Sonntag" den Einsatz von Soldaten an der EU-Außengrenze. Das Mandat der EU-Grenzschutzagentur Frontex müsse so geändert werden, "dass ein Grenzschutz-Einsatz von Polizisten und Soldaten künftig möglich ist".

    Dänemark: Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen rechnet nach eigenem Bekunden nicht mit einem Durchbruch. "Wir brauchen definitiv mehr als ein Treffen. Nicht unbedingt, um uns auf etwas zu verständigen, aber um eine Lösung umzusetzen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Er stellte jedoch fest: "Wenn ich mir die deutsche Politik ansehe, dann habe ich den Eindruck, dass es jetzt eine Bereitschaft gibt, das Problem in einer viel weiteren Perspektive zu diskutieren als nur Umverteilung."

    Frankreich: Vom wichtigsten Partner Frankreich bekam Merkel im Asylstreit Rückendeckung. Staatschef Emmanuel Macron versicherte, sein Land sei bereit, in Frankreich registrierte Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen. Ebenso wie Spanien macht sich Frankreich für geschlossene Flüchtlingszentren in Europa stark. Diese Zentren müssten mit den Regeln des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR übereinstimmen, sagte Macron. Frankreich hat mit Italien seit über 20 Jahren eine Vereinbarung zur Zurückweisung von Migranten.

    Malta: Wie sich Malta mit Blick auf bilaterale Abkommen positionieren wird, ist unklar. Wie andere Staaten an der Außengrenze Europas ist der kleinste EU-Staat für eine Überwindung des Dublin-Systems. Zwar kamen in den letzten Jahren kaum Bootsflüchtlinge in Malta an - im vergangenen Jahr waren es laut UNHCR gerade mal 23. Allerdings entschied das Land im vergangenen Jahr 815 Asylanträge positiv, was pro Kopf mehr waren als in Italien oder Frankreich.

    Bulgarien: Das Land will vorschlagen, die Außengrenzen des Staatenverbunds zu schließen. Ministerpräsident Boiko Borissow sprach sich während eines Telefonats mit seinem ungarischen Kollegen Viktor Orban für "unverzügliche Maßnahmen zur Schließung der EU-Außengrenzen und für strenge Kontrollen an den EU-Binnengrenzen" aus, wie bulgarische Medien unter Berufung auf die Regierung berichteten. Bulgarien hat zurzeit den EU-Ratsvorsitz inne.

    Belgien: Belgien war in der Vergangenheit mit einer verpflichtenden Quote zur Umverteilung von Flüchtlingen über alle EU-Staaten einverstanden. Den Vorschlag von EU-Ratspräsident Donald Tusk, aus Seenot gerettete Flüchtlinge künftig zu zentralen Sammelpunkten außerhalb Europas zu bringen, wollte Premierminister Charles Michel noch analysieren, wie die Nachrichtenagentur Belga berichtete.

    Spanien: Für den linken neuen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez ist der Migrationsgipfel das Debüt auf der europäischen Bühne. Spanien hat durchklingen lassen, bereitwilliger als bisher Flüchtlinge aufzunehmen, das Land macht sich für geschlossene Flüchtlingszentren in Europa stark. Erst vor wenigen Tagen hatte Spanien das von Italien abgewiesene Rettungsschiff Aquarius mit 630 Migranten anlanden lassen. Medien sehen die spanische Migrationspolitik als Vorbild für Brüssel: Bereits zwischen 2006 und 2008 hatte das Land Abkommen mit Herkunftsländern wie Senegal, Mauretanien, Mali oder Niger unterzeichnet. Dafür sicherte Spanien wirtschaftliche Unterstützung, eine kleine Zahl regulärer Einreisevisen und Arbeitsgenehmigungen zu.

    Griechenland: Regierungschef Alexis Tsipras wiederholt bei jeder Gelegenheit, die Migrationskrise sei "nur mit europäischer Solidarität zu bewältigen". Beobachter erwarten, dass er sich beim Treffen nun nicht gegen eine Lösung sperren wird. Zudem ist eine Destabilisierung Deutschlands und der Bundesregierung keinesfalls im Interesse Griechenlands. Als Gegenleistung für ein "Ja" Athens könnten mehr Investitionen in Griechenland gefordert werden.

    Niederlande: Einerseits ist das Land gegen die Einführung von Grenzkontrollen innerhalb der EU - schon weil das auch erheblich den Handel belasten könnte. Auf der anderen Seite will Ministerpräsident Mark Rutte auch verhindern, dass nur einige wenige Länder wie Deutschland, Schweden oder die Niederlande die Lasten tragen. Die Niederlande sind daher für Asylzentren außerhalb der EU-Grenzen nach dem Vorbild des Türkei-Deals, auch wenn das mehr Geld kostet. Rutte sieht sich als ein möglicher Vermittler im Asylstreit. (dpa)

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