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Litwinenko-Prozess: Der Spion, das tödliche Gift und ein schwerer Verdacht

Litwinenko-Prozess

Der Spion, das tödliche Gift und ein schwerer Verdacht

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    Der damalige Geheimdienst-Oberst Alexander Litwinenko und ein maskierter Kollege bei einer Pressekonferenz im Jahre 1998. Jetzt wird der Mord an Litwinenko neu aufgerollt.
    Der damalige Geheimdienst-Oberst Alexander Litwinenko und ein maskierter Kollege bei einer Pressekonferenz im Jahre 1998. Jetzt wird der Mord an Litwinenko neu aufgerollt. Foto: Sergei Kaptilkin/Archiv (dpa)

    Abgemagert, ohne Haare, eingefallen und umgeben von Schläuchen – das Bild des ehemaligen russischen KGB-Agenten Alexander Litwinenko auf seinem Sterbebett geht vor acht Jahren um die Welt. Am 23. November 2006 stirbt er. Seine Geschichte liest sich wie ein Spionage-Thriller in Echtzeit: Der 43-jährige Regierungskritiker trifft sich am 1. November mit zwei Landsmännern im Londoner Luxushotel Millennium und trinkt grünen Tee, ohne Zucker. Wenig später leidet er unter einer rätselhaften Krankheit, die Ärzte in der britischen Hauptstadt suchen nach der Ursache. Erst spät, zu spät, wissen sie, dass Alexander Litwinenko mit radioaktivem Polonium 210 vergiftet wurde. „Ich habe keinen Zweifel, dass die russischen Geheimdienste verantwortlich sind“, sagt der schwer angeschlagene Ex-Sowjet-Agent und fügt hinzu: „Die Anordnung dazu kann nur eine Person geben – der Präsident der russischen Föderation, Wladimir Putin.“

    Litwinenko wohl gleich zweimal vergiftet

    Diese Worte werden gestern in London zum Auftakt der öffentlichen Anhörung zu Litwinenkos Tod aus einem Vernehmungsprotokoll verlesen. Die Witwe des Ermordeten hatte die richterliche Untersuchung durchgesetzt – nach einem jahrelangen Kampf mit der britischen Regierung bis vor das höchste Gericht. Die zu behandelnden Themen seien „äußerst schwerwiegend“, sagt der Leiter der Anhörung, Sir Robert Owen. Und gleich zu Beginn findet der Spionage-Thriller seine Fortsetzung. Litwinenko sei nicht „einmal, sondern zweimal“ mit Polonium vergiftet worden, deutet ein Jurist an.

    Bereits Mitte Oktober 2006 soll sich Litwinenko, mittlerweile arbeitet er für den britischen Geheimdienst M16, mit dem ehemaligen Agenten Andrej Lugowoi und dem Geschäftspartner Dmitri Kowtun getroffen haben, am Abend fühlt er sich krank und muss sich übergeben. Haarproben von diesem Tag sollen den ersten Mordversuch beweisen. Die Teerunde kurze Zeit später besteht aus derselben Drei-Mann-Gesellschaft. Und offenbar hinterlassen die beiden Männer Spuren. Überall, wo sie auftauchen, finden sich später Reste der hochgiftigen Substanz. Auch deshalb gelten sie für Scotland Yard als die Hauptverdächtigen, obwohl beide betonen, sie seien ohne ihr Wissen radioaktiv markiert worden. Zudem wäre ein Mord ohne Kenntnis des britischen Geheimdienstes nicht möglich gewesen. Moskau lehnt damals wie heute deren Auslieferung ab.

    Um Litwinenko-Tod ranken sich zahlreiche Verschwörungstheorien

    Während der Untersuchung sollen alle Möglichkeiten in Betracht gezogen werden: War es tatsächlich ein Akt von „nuklearem Staatsterrorismus, verübt auf den Straßen einer europäischen Großstadt“, wie es der Anwalt von Litwinenkos Witwe Marina formuliert? Oder wurde der Ex-Agent Opfer organisierter Verbrecher? Des britischen Sicherheitsdienstes? Handelte es sich um einen Unfall oder gar um Selbstmord? Seit Litwinenkos Tod geistern zahlreiche Verschwörungstheorien durch die Medien.

    All diesen Fragen soll nun mindestens nachgegangen werden. Als die britische Innenministerin Theresa May 2014 bekannt gab, dass der Fall neu aufgerollt werde, zeigten sich Medien auch erstaunt über den Zeitpunkt. Immerhin wurde der Sinneswandel der britischen Regierung nur fünf Tage nach dem Flugzeugabsturz in der Ostukraine verkündet, bei dem zehn Briten starben. Zufall? Downing Street sagt Ja.

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