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Fünf Jahre AfD: Der Tag, an dem der Augsburger Parteigründer die AfD verließ

Fünf Jahre AfD

Der Tag, an dem der Augsburger Parteigründer die AfD verließ

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    Thomas Lis ist inzwischen aus der AfD ausgetreten.
    Thomas Lis ist inzwischen aus der AfD ausgetreten. Foto: Anne Wall

    Thomas Lis sitzt im Café seines Vertrauens und nimmt noch einen Schluck Latte macchiato. „Nein“, sagt er dann, „Schuldgefühle habe ich keine.“ Vor fünf Jahren hat er die Augsburger AfD gegründet, obwohl er eigentlich nie in die Politik wollte. Es ist der Beginn einer Erfolgsgeschichte mit unschönem Ende. Lis wird Chef der neuen Stadtratsfraktion und steigt sogar zum Parteivize in Bayern auf. Die AfD ist damals die Stimme der Wirtschaftsprofessoren, die sich gegen die vermeintlich alternativlose Euro-Rettungspolitik auflehnen.

    Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel geben den Ton an. Es ist ein Ton, der Lis gefällt. Noch ahnt er nicht, dass die Gründungsväter der AfD bald Geschichte sein werden. Schon früh versuchen Wutbürger vom rechten Flügel, die junge Partei zu kapern. „Wir waren damals viel zu naiv und der Auseinandersetzung mit Ellbogen und Intrigen nicht gewachsen“, sagt Lis, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. Nach und nach seien die vernünftigen Leute von radikalen Kräften herausgedrängt worden, die den politischen Kampf besser beherrschten. Anfangs versucht die bayerische AfD noch dagegenzuhalten. Sie initiiert Parteiausschlussverfahren gegen Alexander Gauland und Björn Höcke, die Galionsfiguren des rechten Randes. „Aber wir hatten keine Chance“, erinnert sich Lis.

    Irgendwann begrüßt ihn Gauland als "Feind aus Bayern"

    Er fühlt sich damals immer unwohler, wird von den eigenen Leuten angefeindet: „Irgendwann war ich nur noch der Linksliberale – und das galt in der sich wandelnden AfD ja schon als Schimpfwort.“ Gauland hat nicht vergessen, dass Lis und andere ihn hinauswerfen wollten. Auf Parteiveranstaltungen begrüßt er den Augsburger jetzt als „Feind aus Bayern“.

    Längst geht das nicht mehr als lockerer Spruch unter Parteifreunden durch. Der Ton in der AfD verschärft sich, die Positionen werden radikaler. Im Sommer 2015 ist die Sache für Thomas Lis gelaufen. Er ist live dabei, als der rechte Flügel – angeführt von Frauke Petry – Lucke auf dem Essener Parteitag vom Hof jagt. „Das war ein brüllender Mob“, erzählt der 55-Jährige.

    Noch heute schüttelt er den Kopf, wenn er über die Wut spricht, die dem Parteigründer und seinen Unterstützern entgegenschlug. „In diesem Moment habe ich gewusst, dass ich die AfD verlassen muss“, sagt er. Noch vor dem Ende des turbulenten Parteitags fährt er nach Hause. Kurz darauf tritt er aus der Partei und der Augsburger Stadtratsfraktion aus.

    Lis: "Diese Leute waren einfach härter als wir"

    Seitdem verfolgt Lis die Entwicklung der AfD aus der Distanz und mit gemischten Gefühlen. Er erlebt, wie Petry ausgerechnet von jenen Leuten weggeputscht wird, die sie selbst erst stark gemacht hat. Wie der einstige Wirtschaftsliberale Jörg Meuthen sich selbst radikalisiert, um an der Spitze zu bleiben. Und wie sein Intimfeind Gauland als Fraktionsvorsitzender im Bundestag zum wütenden Gesicht der AfD wird.

    Wie es so weit kommen konnte, ist für Lis noch immer schwer zu erklären. „Diese Leute waren einfach härter als wir“, sagt er. Gauland verfolgt aus seiner Sicht vor allem ein Ziel: „Er will sich an der CDU rächen.“ Und Parteichef Meuthen? „Der genießt die große Bühne. Dafür sind ihm alle Mittel recht“, sagt Lis und gibt zu, dass es auch für ihn selbst ein gutes Gefühl gewesen ist, plötzlich im Mittelpunkt zu stehen. Es sei schwer, dagegen anzukämpfen.

    „Ich habe geholfen, ein Monster zu schaffen“, hat Hans-Olaf Henkel einmal über die AfD gesagt. Lis versteht gut, dass sein einstiger Mitstreiter verbittert ist. Er selbst scheint aber seinen Frieden gemacht zu haben, auch wenn einige Narben geblieben sind. Mit dem einzig verbliebenen AfD-Mann im Stadtrat würde er jedenfalls kein Bier mehr trinken gehen – „auf keinen Fall“.

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