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Syrien: Der kurdisch-türkische Jahrhundertkonflikt brodelt immer noch

Syrien

Der kurdisch-türkische Jahrhundertkonflikt brodelt immer noch

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    Ein kurdischer Milizionär mit seiner Kalaschnikow nimmt an einer Demonstration in der Stadt Jandairis nahe der türkischen Grenze und nur 18 Kilometer von Afrin gelegen teil.
    Ein kurdischer Milizionär mit seiner Kalaschnikow nimmt an einer Demonstration in der Stadt Jandairis nahe der türkischen Grenze und nur 18 Kilometer von Afrin gelegen teil. Foto: Delil Souleiman, afp

    Die aktuellen Gefechte zwischen türkischen Truppen und kurdischen Milizionären im Nordwesten Syriens begannen am 20. Januar – doch ihre Wurzeln reichen rund hundert Jahre in die Vergangenheit zurück. Der Konflikt zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Minderheit ist so alt wie die türkische Republik und eine Lösung ist nach wie vor nicht in Sicht.

    Der Konflikt in Nord-Syrien begann mit Atatürk

    1923 gründete der osmanische Ex-General Mustafa Kemal, der später den Ehrennamen Atatürk erhielt, die moderne türkische Republik. Weniger als zwei Jahre später stand der junge Staat seinem ersten großen Aufstand gegenüber: In Südostanatolien erhoben sich die Kurden unter Scheich Said. Ankara ließ den Aufstand niederschlagen, Scheich Said wurde gehängt.

    In der Abkehr vom Vielvölkerstaat der Osmanen setzte Atatürks Republik auf die Betonung der staatlichen Einheit, die auch als Einheit des Staatsvolkes verstanden wurde. Forderungen ethnischer Minderheiten wie der Kurden wurden daher als Angriff auf den Staat selbst gesehen – ein Staatsverständnis, das die türkische Politik prägte. Der öffentliche Gebrauch der kurdischen Sprache wurde verboten, zeitweise wurde sogar die Existenz eines kurdischen Volkes an sich verneint.

    Nicht immer und überall führten die Gegensätze zu Konflikten. So arrangierte sich Ankara mit vielen Clanchefs im feudalistisch geprägten Kurdengebiet. Eine der Folgen war, dass das Kurdengebiet sozial und wirtschaftlich vom Rest des Landes abgekoppelt wurde.

    Die Geburtsstunde der PKK

    Die Macht der Clans rief gegen Ende der 1970er Jahre kurdische Linksextremisten auf den Plan. Einige von ihnen gründeten 1978 unter Abdullah Öcalan die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Eine der ersten Aktionen der Gruppe war ein Angriff auf die Bucaks, Chefs eines mit Ankara verbündeten Kurdenclans. Im Jahr 1984 rief die PKK den Kampf für einen Kurdenstaat und gegen Ankara aus. Öcalan selbst floh nach Syrien, wo das Assad-Regime die kurdischen Separatisten als Werkzeug in seinem Dauerstreit mit dem türkischen Nachbarn einsetzte. Die stalinistisch organisierte PKK präsentiert sich nach außen als Freiheitsbewegung, duldet in ihren Einflussbereichen und in der eigenen Organisation jedoch keinerlei Widerspruch; Öcalan ließ mehrmals interne Kritiker hinrichten.

    Unterdessen eskalierte der Krieg zwischen der Armee und der PKK. Im Laufe der Jahre wurden mehrere tausend kurdische Dörfer zerstört, mehrere Millionen Kurden flohen in andere Teile der Türkei und nach Europa. Mehr als 40.000 Menschen sind in dem Konflikt bisher getötet worden.

    Kurdenproblem der Türkei ist immer noch nicht gelöst

    Öcalans Festnahme im Jahr 1999 markierte eine Wende: Der PKK-Chef bot sich als Gesprächspartner für die Suche nach einer Lösung an, die auch wegen einer neuen Ära in Ankara plötzlich möglich erschien. Als erster türkischer Ministerpräsident räumte Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2005 ein, dass sein Land ein „Kurdenproblem“ habe.

    Nach jahrelangen Kontakten vereinbarten die türkische Regierung und die PKK einen Waffenstillstand, der in der Region die Hoffnung auf Frieden aufblühen ließ. Doch der Konflikt im benachbarten Syrien, wo sich der dortige PKK-Ableger PYD mit seiner Miliz YPG eine Autonomiezone entlang der türkischen Grenze sicherte, ließ den Krieg in der Türkei im Jahr 2015 wieder aufleben. Die Entwicklung in Syrien ließ den türkischen Albtraum vom Kurdenstaat – und der damit verbundenen Bedrohung der staatlichen Einheit der Türkei – neu aufleben. Erdogan begründet den türkischen Einmarsch in der nordsyrischen Region Afrin mit dem Argument, ein „Terror-Korridor“ an der türkischen Grenze müsse verhindert werden.

    Zusätzlich kompliziert wird der Konflikt durch das Bündnis der YPG mit den USA im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Erdogan wirft Washington vor, dass amerikanische Waffen, die an die YPG geliefert wurden, nun gegen Soldaten des NATO-Partners Türkei eingesetzt würden. Verhandlungen mit der YPG kommen für Ankara nicht infrage – die uralte kurdisch-türkische Spirale der Gewalt dreht sich weiter.

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