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Kommentar: Deutschland hat noch Platz für Flüchtlinge

Kommentar

Deutschland hat noch Platz für Flüchtlinge

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    Goslars Bürgermeister Oliver Junck setzt auf Flüchtlinge für Goslars Zukunft. 4000 Einwohner verließen in den letzten zehn Jahren die Stadt: Flüchtlinge sollen Goslar wiederbeleben.
    Goslars Bürgermeister Oliver Junck setzt auf Flüchtlinge für Goslars Zukunft. 4000 Einwohner verließen in den letzten zehn Jahren die Stadt: Flüchtlinge sollen Goslar wiederbeleben. Foto: Peter Steffen/Archiv (dpa)

    Goslar ist eine arme Stadt – und eine schrumpfende obendrein. Ihr Oberbürgermeister Oliver Junk, ein ehemaliger CSU-Mann, macht aus der Not deshalb eine Tugend. Um leere Häuser und Wohnungen wieder mit Leben zu füllen, will er deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen, als die alte Kaiserstadt im Harz eigentlich müsste. Auf lange Sicht, argumentiert der 38-Jährige, könne Goslar davon nur profitieren: Betriebe finden wieder leichter Auszubildende, die Geschäfte freuen sich über neue Kunden – und Schulen, die sonst womöglich geschlossen werden müssten, über neue Schüler.

    Viele Städte stoßen bei der Flüchtlingsaufnahme an ihre Grenzen

    Im großen Rest der Republik sind Landräte und Bürgermeister nicht ganz so euphorisch wie ihr Kollege Junk. Obwohl der Bund seine Hilfen noch einmal aufstockt, überfordert der stetig wachsende Strom an Flüchtlingen immer mehr Kommunen. Mal fehlt es an Unterkünften, mal an Personal und gelegentlich auch am politischen Willen. So groß das Mitgefühl im Einzelfall für Menschen auch sein mag, die nur ihr Leben vor den Terrormilizen des Islamischen Staates, dem Regime in Eritrea oder den Taliban in Afghanistan retten können: Vor allem die großen Städte, in denen der Wohnraum knapp ist und die Kapazität der Aufnahmelager ausgereizt, stoßen allmählich an ihre Grenzen. Mit jeder Massenunterkunft, die dort aus dem Boden gestampft wird, bildet sich ein neues, kleines Getto, argwöhnisch beäugt von den Nachbarn und oft genug auch ein Nährboden für Konflikte, weil viel zu viele Neuankömmlinge aus viel zu unterschiedlichen Kulturkreisen auf engstem Raum zusammenleben müssen. So werden Menschen nicht integriert, sondern ausgegrenzt.

    Flüchtlinge werden in Deutschland nach Quoten verteilt

    Dabei hat Deutschland Platz genug für die Flüchtlinge, die hier Schutz und Zuflucht suchen. Obwohl die Zahl der Asylanträge kräftig gestiegen ist, liegt sie mit gut 200.000 in diesem Jahr noch deutlich unter denen der frühen neunziger Jahre, als teilweise mehr als 400.000 Menschen vor dem Krieg auf dem Balkan in die Bundesrepublik flohen. Dass Metropolen wie Berlin und München in ihrer Not dennoch einen vorübergehenden Aufnahmestopp verhängen mussten, hat vor allem mit dem starren Quotendenken beim Verteilen der Flüchtlinge zu tun, das nicht danach fragt, wo es noch freie Unterkünfte gibt, sondern im Zweifel bestimmt, wo neue Unterkünfte zu schaffen sind. Dazu kommt eine hilflose Asylbürokratie, der es nicht gelingt, aussichtslose Verfahren zügig zu beenden und die Antragsteller in ihre Heimatstaaten zurückzuschicken: Obwohl Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina inzwischen als sichere Drittländer eingestuft sind, kommt noch immer jeder sechste Asylbewerber aus einem der drei Länder.

    Steigende Flüchtlingszahlen als gesellschaftliche Herausforderung

    Jenseits der rein materiellen Hilfe, die Bund und Länder jetzt für die nächsten beiden Jahre geregelt haben, ist der Anstieg der Flüchtlingszahlen aber auch eine gesellschaftliche Herausforderung für das Einwanderungsland Deutschland. Viele Menschen aus dem Irak, aus Syrien oder Somalia werden selbst dann über Jahre unter uns leben, wenn ihre Asylanträge nicht anerkannt werden, weil sie nicht in ihre Heimatländer zurückkönnen, solange dort Krieg herrscht. Sie aufzunehmen ist das eine – sie zu integrieren, ihnen Arbeit zu geben und ihren Kindern eine gute Ausbildung das andere.

    Oliver Junk, der pfiffige, aus Bayern zugezogene Bürgermeister von Goslar, hat erkannt, dass darin auch eine große Chance für ein Land liegen kann, das schleichend vergreist und auf Zuwanderung angewiesen ist. Seine Stadt hat in den vergangenen zehn Jahren 4000 Einwohner verloren. An Flüchtlingen aufnehmen muss sie nach dem gegenwärtigen Schlüssel exakt 286.

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