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Kommentar: Die AfD ist keine Eintagsfliege

Kommentar

Die AfD ist keine Eintagsfliege

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    Der Bundesvorsitzende der AfD, Bernd Lucke: Die Alternative für Deutschland (AfD) ist keine Eintagsfliege, wie zuletzt die Piraten. Sie wildert in vielen Revieren, ist aber für die Union die größte Herausforderung.
    Der Bundesvorsitzende der AfD, Bernd Lucke: Die Alternative für Deutschland (AfD) ist keine Eintagsfliege, wie zuletzt die Piraten. Sie wildert in vielen Revieren, ist aber für die Union die größte Herausforderung. Foto: Rainer Jensen, dpa

    Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der „Alternative für Deutschland“ (AfD) verleiht den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen bundespolitische Bedeutung.

    Noch ist ungewiss, ob sich die neue, am rechten Rand der Union operierende Gruppierung auf Dauer in der deutschen Parteienlandschaft breit machen kann - die AfD wäre nicht die erste populistische Partei, die nach aufsehenerregenden Erfolgen wieder in der Versenkung verschwindet. Doch eine Eintagsfliege, wie zuletzt die Piraten, ist die AfD ganz gewiss nicht.

    Sie ist aus dem Nichts entstanden, hat den Einzug in den Bundestag 2013 nur knapp verfehlt und heuer mit zwei Millionen Stimmen den Sprung ins Europaparlament geschafft. Sie sitzt jetzt in drei Landesparlamenten und verfügt auch im Westen der Republik, wo die Parteibindungen noch etwas enger sind als im Osten, über einigen Rückhalt im wachsenden Heer jener Bürger, die sich von den etablierten Parteien abwenden.

    Die AfD - und das macht ihre Besonderheit aus - schöpft aus dem gesamten politischen Spektrum: von links bis rechts, vom arbeitslosen bis zum gut situierten Bürger. Sie ist stark geworden mit ihrer Kampagne gegen den Euro, doch längst zur Wortführerin erzkonservativer, auch national aufgeladener Strömungen geworden. Für eine solche Partei rechts von der Union ist grundsätzlich noch Platz, so wie die sozialistische Linke sich ja neben der SPD behauptet hat.

    Der Zulauf zur AfD speist sich aus Protest und Verdruss. Dem Protest gegen den liberalen Zeitgeist und die vermeintliche Entwertung klassischer „bürgerlicher“ Werte, dem Verdruss über Zuwanderung, importierte Kriminalität, Brüsseler Zentralismus und das Nichtzuhören der „Altparteien“.

    Die AfD ist eine rückwärtsgewandte, aber keine verfassungsfeindliche oder rechtsextreme Partei. Ihr Führungspersonal bewegt sich überwiegend im Rahmen des weiten demokratischen Meinungsspektrums. Deshalb ist dieser Partei auch nicht dadurch beizukommen, dass man sie nur als Sammelbecken Ewiggestriger abtut, mit Etiketten wie „rechtsradikal“ beklebt und zum kurzlebigen Phänomen erklärt.

    Vonnöten ist vielmehr eine harte, offensive Auseinandersetzung in der Sache, die die Sorgen verunsicherter Wähler ernst nimmt, der AfD konkrete Antworten abverlangt und ihr immer dann energisch in den Arm fällt, wenn sie Ressentiments gegen Ausländer schürt oder den Menschen vorgaukelt, dass es eine „Alternative“ zur EU gäbe. Einfach ignorieren oder dämonisieren - das geht und funktioniert jetzt nicht mehr.

    Die AfD rekrutiert ihre Anhänger im Lager enttäuschter Konservativer

    Die AfD wildert in vielen Revieren, ist jedoch für die Union die mit Abstand größte Herausforderung. Ihren Kernbestand nämlich rekrutiert die AfD im Lager enttäuschter Konservativer, die sich in der gesellschaftspolitisch modernisierten, hin und wieder beliebig wirkenden Union Merkels nicht mehr vertreten fühlen. Straußens alte Maxime, wonach es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, ist plötzlich infrage gestellt.

    Noch hofft die CDU/CSU, die neue Konkurrenz durch strikte Abgrenzung klein halten zu können. Diese Rechnung geht allerdings nur auf, wenn die große Volkspartei der Mitte ihr zuletzt mattes konservatives Profil wieder aufpoliert und ihre Handschrift in der Großen Koalition deutlicher zum Vorschein kommt – und zwar ohne die Parolen der AfD nachzubeten.

    Für die Union, die im Bund mit der SPD koaliert und - nach dem Niedergang der FDP - auf ein künftiges Bündnis mit den Grünen spekuliert, ist das eine schwierige und riskante Übung. Misslingt dieser strategische Spagat, wird es einsam um die Union.

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