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Kommentar: Die EU gibt in der Flüchtlingskrise ein erbärmliches Bild ab

Kommentar

Die EU gibt in der Flüchtlingskrise ein erbärmliches Bild ab

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    Millionen von Flüchtlingen strömen jeden Monat in die EU.
    Millionen von Flüchtlingen strömen jeden Monat in die EU. Foto: Alessandro di Meo (dpa)

    Rund 100000 Flüchtlinge strömen jeden Monat in die Europäische Union. Millionen von Menschen aus den Krisenregionen des Nahen und Mittleren Ostens sowie Afrikas sind auf dem Sprung. Europa ist mit einer Krise von historischem Kaliber konfrontiert. Die europäische Politik hätte sehen können, was sich da vor ihrer Haustür zusammenbraut – an Warnungen vor den Folgen der vielen Bürgerkriege und all dem Elend in südlichen Entwicklungsländern hat es nicht gefehlt.

    Die Krise wurde verdrängt, weil man mit anderen Problemen wie der Euro-Rettung beschäftigt war und vorausschauendes Handeln sowieso keine Kernkompetenz der Politik ist. Und jetzt, da der politische und humanitäre Ernstfall eingetreten ist, bietet die EU ein erbärmliches, von mangelnder Geschlossenheit und Hilflosigkeit geprägtes Bild. Nationale Lösungen gibt es nicht. Vonnöten ist eine europäische Antwort auf die Frage, wie die EU diesen Ansturm verkraften kann und kanalisieren will. Aber Europa hat keine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik, so wenig wie es eine gemeinsame Außenpolitik hat. Es ist deshalb außerstande, rasch eine gemeinsame große Kraftanstrengung zu organisieren.

    Bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist es mit der Solidarität nicht weit her

    Den meisten Staaten sitzt das nationale Hemd näher als der europäische Rock. Wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht, ist es mit der Solidarität untereinander und der Einhaltung von Verträgen nicht weit her. Italien und Griechenland reichen die Menschen ohne Registrierung weiter. Ungarn errichtet eine Mauer, Großbritannien schottet sich ab, mittel- und osteuropäische Länder wie Polen und Tschechien verweigern eine fairere Verteilung der Flüchtlinge. Und so weiter und so fort.

    Das Abkommen von Dublin, wonach Asylbewerber ihre Anträge in jenem Land zu stellen haben, das sie als Erstes betreten, steht nur noch auf dem Papier. Der große Flüchtlingstreck wird ohne Kontrollen in Richtung Deutschland durchgewinkt, wo fast 50 Prozent aller Asylanträge gestellt werden. Die im Schengen-Abkommen vereinbarte Sicherung der EU-Außengrenzen findet nicht mehr statt. Damit steht über kurz oder lang eine der großen Errungenschaften Europas, die Reisefreiheit, auf dem Spiel. Nicht nur, dass das Krisenmanagement versagt und die nötige massive Hilfe für überforderte Länder wie Italien ausbleibt.

    Europa unternimmt zu wenig, um die Lage in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu verbessern. Darin liegt ja, auf längere Sicht besehen, die einzige Chance, um den Migrationsdruck zu lindern und – nur ein Beispiel – die Einwanderung mithilfe von Aufnahmezentren vor Ort zu steuern. Auch dazu bedürfte es einer Konzertierten Aktion, wozu diese EU nicht in der Lage ist. Immerhin: Deutschland und Frankreich wollen nun die Dinge in die Hand nehmen. Gut so. Die Frage ist nur, ob die anderen mitspielen und wie lange es dauern wird, bis endlich mehr geschieht. Mit einer raschen Entspannung der Lage sollte der Fluchtmagnet Deutschland lieber nicht rechnen.

    Angela Merkel wünscht sich einheitliche europäische Standards bei Asylverfahren

    Angela Merkels Ruf nach „einheitlichen europäischen Standards bei Asylverfahren“ klingt gut, ist jedoch nicht mehr als ein frommer Wunsch. Solange die Asylpolitik Sache der EU-Mitgliedstaaten ist, wird nichts daraus. Die Harmonisierung des Asylrechts bedeutete ja einen Eingriff in jene nationale Selbstbestimmung, die im vereinten Europa neuerdings wieder hoch im Kurs steht.

    Im Übrigen stünde Deutschland dann vor der Frage, ob es sich das liberalste und großzügigste Asylrecht Europas mitsamt der vergleichsweise hohen Sozialleistungen weiter leisten kann und will. Nach deutschem Vorbild jedenfalls würde eine „Vereinheitlichung“ ganz gewiss nicht erfolgen.

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